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Berufsorientierung in rosa? Wie Mädchen für Technik motiviert werden, ohne sie zu diskriminieren

Wie können Berufsprofile gendersensibel kommuniziert werden, so dass junge Frauen vermehrt technische Berufe ergreifen? Sollten technische Inhalte nun alle rosa verpackt sein? Oder gerade nicht rosa? Sollten Mädchen über Girlsthemen wie Mode, Umweltschutz oder Gesundheit an technische Berufe herangeführt werden?

 

Technik? Zu abstrakt!

Mädchen über ein

Serious Game für technische Berufe zu begeistern und in ihren handwerklichen Fähigkeiten zu bestärken, ist Ziel des „Serena-Forschungsprojekts“. Auch andere Projekte wie girlsatec, Technikqueens, EnterTechnik oder allen voran die MINT-Kampagne Komm mach MINT! möchten Mädchen für einen Bereich motivieren, dem sie (bislang) eher fernbleiben.

Mädchen sind sowohl in den technischen Ausbildungsberufen als auch Studiengängen stark unterrepräsentiert. Grund dafür ist, dass Technik von der Gesellschaft eher mit männlichen als mit weiblichen Attributen verbunden wird und viele Mädchen glauben, dass diese Berufe nicht zu ihnen passen.

Gleichzeitig interessieren sich Mädchen weniger für Technik, weil sie diese als etwas Abstraktes, fern von ihrem Alltag erleben. Dr. Uwe Pfenning beschreibt in seinem Beitrag „Technik für Frauen – Frauen für Technik“ in Generation Girls´Day eine strukturelle und individuelle Diskriminierung von Frauen in technischen Berufen. So müssten sich Mädchen nicht nur in der Berufsorientierung gegen Vorurteile, wie etwa „Technik ist Jungensache“, behaupten, sondern auch ihre technischen Fähigkeiten später in einem von Männern dominierten Arbeitsfeld stärker unter Beweis stellen als ihre männlichen Kollegen. Das erfordert ein starkes Selbstbewusstsein.

Lieber Handwerkerinnen im Arbeitsalltag als Popstars mit Schraubschlüssel

Aber nicht nur in Fachkreisen der Berufsorientierung, sondern auch in sozialen Netzwerken wie pinkstinks.de wird diskutiert, wie Mädchen erfolgreich angesprochen werden können, ohne sie zu diskriminieren. Schließlich sollen Mädchen nicht den Eindruck gewinnen, dass bei ihnen ein Defizit vorliegt, wenn sie keinen technischen Beruf ergreifen. Was ist hier also der richtige Weg?

Eine Befragung von knapp 100 Schülerinnen im Rahmen des „Serena-Forschungsprojekts“ ergab, dass Authentizität deutlich vor Promifaktor steht. Es ist also besser, Handwerkerinnen aus ihrem Arbeitsalltag berichten zu lassen, als Popstars einen Schraubenschlüssel in die Hand zu drücken. Dabei dürfen Role Models gerne auch von negativen Erfahrungen berichten, am besten mit einem Tipp dazu, wie sie damit umgegangen sind und was sie verändern konnten. Als ein weiteres Ergebnis konnte festgehalten werden, dass ein starkes Hervorheben des Geschlechts („Angebot extra für Mädchen“) bei Mädchen eher auf Ablehnung stößt. Ein eindeutiges No-Go in der Ansprache von Mädchen ist außerdem eine verniedlichende grafische Aufbereitung der Inhalte. Mädchen sollte vielmehr vermittelt werden, dass technische Berufe

– Spaß machen können

– Mädchen dafür ebenso qualifiziert sind wie Jungen

– sie dort attraktive Rahmenbedingungen vorfinden, wie zum Beispiel ein hohes Einkommen, abwechslungsreiche Tätigkeiten oder flexible Arbeitszeitmodelle (nachzulesen in der Sonderauswertung vom Deutschen Gewerkschaftsbund Gute Arbeit 2014)

Nachhaltigkeit als Motor für Technikinteresse

Ein Blick in die Studienlandschaft zeigt, dass ihr Interesse an Technik steigt, wenn bestimmte Themen angesprochen und mit dem Beruf gesellschaftliche Veränderungen vorangetrieben werden. So bevorzugen junge Frauen technische Studienfächer mit einem klar erkennbaren Nachhaltigkeitsbezug gegenüber den klassischen Ingenieurwissenschaften.

Der Frauenanteil im Studienfach Umwelttechnik lag im Wintersemester 2013/2014 bei 32 Prozent, während er in der Elektrotechnik mit 13 Prozent vergleichsweise gering ausfiel (Statistisches Bundesamt 2015). Inwiefern sich der Wunsch von Frauen, in einem Beruf zu arbeiten, der mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung im Einklang steht, tatsächlich auf die Wahl eines technischen Berufs auswirkt, untersucht Pia Spangenberger in ihrem Dissertationsvorhaben an der TU Berlin am Beispiel des Windenergiesektors.

Im Rahmen einer qualitativen Analyse befragte die Volkswirtin des Wissenschaftsladen Bonn insgesamt 40 Personen zu ihrem beruflichen Werdegang. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Nachhaltigkeitsbezug für die Berufswahl von Frauen eine stärkere subjektive Bedeutung hat als für Männer. Es spricht also vieles dafür, Nachhaltigkeitsbezüge für Mädchen in der Berufsorientierung sichtbar zu machen, um die Attraktivität technischer Berufe zu steigern.

Hauptsache Arbeit macht Spaß – kann ein Computerspiel das vermitteln?

Ein weiterer Beweggrund für die Berufswahl ist der Spaßfaktor. Zu diesem Ergebnis kommt die Auswertung des Girls Day mit einer Befragung von 10.577 Mädchen im Jahr 2014. Mädchen müssen erleben, dass technische Berufe Spaß machen können und abwechslungsreich sind, damit sie sich später auch vorstellen können, in diesem Feld zu arbeiten.

Auch Computerspiele machen Spaß und dienen in erster Linie der Unterhaltung. Insbesondere Serious Games“ haben aber das Potenzial, neben Spaß auch Wissen und Kompetenzen spielerisch zu vermitteln. Und sie bieten darüber hinaus zahlreiche Möglichkeiten, sich in einem geschützten Raum in Dingen auszuprobieren, für die man im Alltag kaum Gelegenheit hat. Bereits 2010 wies die Rise University Houston, Texas, in einer Befragung von 700 Schülerinnen und Schülern konkrete Auswirkungen auf die Motivation nach dem Spielen eines webbasierten Wissenschaftsgames nach. Das Spielen von Computerspielen scheint also eine erfolgsversprechende Strategie zu sein, um Mädchen für technische Berufe zu begeistern.

Technische Berufe sind auch was für Mädchen – erst recht im Auftrag der „Weltverbesserung“

Mit der Entwicklung eines „Serious Game“ zur Berufsorientierung in den Erneuerbaren Energien orientiert sich das Forschungsvorhaben „Serena“ sowohl an den medialen Vorlieben der Zielgruppe als auch an den Potenzialen, die digitale Spiele im Rahmen der Berufsorientierung bieten – und wählt dabei bewusst ein auf Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Wandel ausgerichtetes Arbeitsfeld, um 13- bis 15-jährige Mädchen für eine technische Ausbildung zu motivieren.

Priorität liegt dabei nicht auf der Deckung des vielerorts zitierten Fachkräftemangels im Bereich Technik, sondern auf der Beteiligung und Gleichbehandlung junger Frauen auf einem Arbeitsmarkt, der ein höheres Einkommen und abwechslungsreiche Arbeitsplätze bietet. Das „Serious Game“ sendet daher die Botschaft, dass technische Tätigkeiten Spaß machen, Sinn stiften und für Mädchen ebenso geeignet sind wie für Jungen. Berufsorientierung in rosa kommt dabei nicht in Frage.

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