Foto: Vivian Chen I Flickr I CC BY-ND 2.0

Wie väterfreundlich sind Unternehmen?

Auch Männer bemängeln, dass Arbeitgeber sie zu wenig bei der Zeit für die Familie unterstützen. Drei Ideen für Unternehmen, Angestellte und Politik.

 

Familien- oder frauenfreundlich?

Es gibt ein Missverständnis in deutschen Unternehmen und auch in der Politik: Familienfreundlichkeit wird dann, wenn es konkret wird, vorrangig als Frauenfreundlichkeit ausgelegt: Unterstützung für Mütter. Dort, wo vermeintlich geschlechtsneutrale Angebote vorrangig von Frauen in Anspruch genommen werden, gibt es zu wenige Versuche zu erreichen, dass mehr Männer zugreifen. Anstatt näher hinzusehen, warum das so ist, greifen insbesondere Politiker zur Worthülse Wahlfreiheit: Man wolle Familien nicht vorschreiben, wer mehrheitlich das Kind betreut, wer mehr arbeitet.

Als ich meinen letzten Arbeitgeber verließ und die Stellenausschreibung meiner Position las, um sie in meinem Netzwerk zu verbreiten, musste ich ungläubig lachen. Dort stand: „Wir verstehen uns als familienfreundlicher Arbeitgeber. Der ausgeschriebene Arbeitsplatz ist grundsätzlich teilzeitgeeignet.“ Familienfreundlichkeit begann an diesem Punkt und endete dort. Reicht das, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein?

In Deutschland nahmen 2012 knapp 46 Prozent der arbeitenden Frauen eine Teilzeitstelle in Anspruch und etwa 11 Prozent der arbeitenden Männer. Kann das – bei allen Fortschritten, die Gleichberechtigung gemacht hat – ein Zufall sein? Wo sind all die „neuen Väter“, die moderne Geschlechterrollen leben? In der Teilzeitstatistik finden sie sich nicht wieder, in der zur Elternzeit auch nur im geringen Maße. Lediglich 27,3 Prozent der Väter nahmen Elternzeit – über 70 Prozent nahmen dementsprechend gar keine. 77 Prozent dieser Väter nahmen nur zwei Monate, dafür neun von zehn Frauen die Maximaldauer von zwölf Monaten. Das heißt auch: Bezieht man als Mutter weniger als ein Jahr Elterngeld, gehört man zu einer Minderheit.

Wie darf man sich die Absprache zwischen Eltern vorstellen, wenn es um die Elternzeit geht? Etwa so, dass die werdende Mutter sagt: „Ich möchte zwölf Monate machen, mach du doch die zwei, die übrig bleiben“? Oder bedeuten die Zahlen, dass in über 70 Prozent der Familien die Einkommenssituation so ist, dass selbst zwei oder drei Monate Elterngeldbezug des Vaters finanziell unmöglich sind? Möchten über 70 Prozent der Väter ihrem Baby nicht intensiv beim Aufwachsen zusehen?

Was wünschen sich Männer?

Jedes Paar ist anders, und meist kennen wir nur die Erzählungen aus dem Freundeskreis, in denen der Ausfall des Gehalts des Mannes finanziell schwerer wiegt, als der Gehaltsausfall der Partnerin, oder eben auch Geschichten darüber, wie ein Arbeitgeber mit Unverständnis auf den Wunsch eines Mannes reagiert, Elternzeit nehmen zu wollen. Julia Winkels von der PR-Agentur Bold vertrat kürzlich bei uns im Interview eine Haltung, die noch immer nicht alltäglich ist. Sie sagte: „Natürlich ist es bei uns auch nicht einfach, wenn jemand schwanger wird, und wir fragen uns: ‚Wie organisieren wir das?’ Aber es ist unsere Pflicht, das hinzubekommen. Wir freuen uns, wenn Mitarbeiterinnen oder die Partnerinnen unserer männlichen Mitarbeiter schwanger werden.“

Das Verständnis, Familienfreundlichkeit für Männer und Frauen zu ermöglichen, ist nicht in allen Unternehmen vorhanden. Eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney hat gezielt Väter, Mütter sowie kinderlose Frauen und Männer über die Familienfreundlichkeit in ihren Betrieben gefragt und welche Befürchtungen sie haben, wenn sie mehr Zeit für die Familie einfordern. Vor allem die Antworten der Männer sind spannend, denn sie geben Einblick in den Unterschied zwischen dem, was Männer sich eigentlich wünschen und dann für sich umsetzen können. 41 Prozent der befragten Väter gaben an, dass ihr Arbeitgeber sie zu wenig dabei unterstützt, Zeit für die Familie zu haben und bemängelten unter anderem fehlende Teilzeitmöglichkeiten. Der Anteil der Väter, die durch Inanspruchnahme von familienfreundlichen Angeboten eine schlechtere Bewertung ihrer Vorgesetzten befürchtet, liegt mit 40 Prozent ebenfalls hoch. Männer und Frauen nehmen zudem die Familienfreundlichkeit ihrer Arbeitgeber deutlich unterschiedlich wahr. Fast die Hälfte der Väter gibt an, durch die berufliche Belastung ihren familiären Aufgaben nur unzureichend nachkommen zu können, bei den Müttern liegt dieser Wert bei 34 Prozent. Auch bewerten Väter die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeitgeber, Vereinbarkeit ermöglichen zu wollen, schlechter als Mütter.

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Diese Ergebnisse bedeuten jedoch nicht, dass Mütter es grundsätzlich einfach haben: Der Anteil der Befragten, die durch Inanspruchnahme von familienfreundlichen Angeboten eine Karrieregefährdung befürchtet, liegt mit 32 Prozent bei den kinderlosen Frauen am höchsten. Die Familienfreundlichkeit deutscher Unternehmen wird von allen Befragten als deutlich verbesserungswürdig bewertet. Männer fühlen sich jedoch in diesem Punkt noch einmal schlechter gestellt als Frauen, was sie aus den Erfahrungen und kommunizierten Haltungen in ihren Unternehmen ableiten.

Was können Unternehmen tun?

Um das zu ändern müssen drei Dinge geschehen: Unternehmen müssen klar stellen, dass Familienfreundlichkeit für all ihre Angestellten gilt. Deutlich werden kann dies darin, in dem männliches Führungspersonal als Vorbild fungiert und zeigt, dass es sich bewusst Zeit für Familie nimmt. Weiterhin kann bereits in Jobausschreibungen, Bewerbungs- und Mitarbeitergesprächen deutlich gemacht werden, dass familienfreundliche Angebote allen offen stehen und alle unterstützt werden. Es sollte nicht mit Unverständnis oder Witzen darauf reagiert werden, wenn Männer Elternzeit nehmen möchten. Im Gegenteil: Wirklich moderne Unternehmen ermutigen Väter dazu, mehrere Monate Elternzeit zu nehmen oder in Teilzeit zu gehen.

Zweitens: Männer müssen die Familienzeit, die sie wollen, einfordern. Das jüngste Beispiel, das ich aus meinem Freundeskreis kenne, ist ein Mann, der eine neue Stelle nur angenommen hatte, nachdem der Arbeitgeber ihm zusicherte, nach der Geburt seines Kindes sechs Monate Elternzeit nehmen zu können und eine Teilzeitoption zu haben. Der Arbeitgeber war überrascht, willigte aber ein. Eigentlich sollten Männer das nicht in der Form einfordern müssen, denn es steht ihnen gesetzlich genau so zu wie Frauen. Kulturell ist es jedoch nötig, damit Arbeitgeber die Bedürfnisse von Familien heute erkennen und sich darauf einstellen können. Zudem kann man in einem Bewerbungsgespräch so vorab erfahren, ob der Arbeitgeber Familienfreundlichkeit ernst nimmt. Auch auf alleinerziehende Väter oder Mütter sollten Unternehmen gezielt eingehen.

Arbeitgebern sei gesagt: Theoretisch sind Männer um die 30 ebenso ein „Risiko“ wie Frauen. Denn es gibt sie, die Väter, die vier, sechs oder sogar zwölf Monate in Elternzeit gehen oder sogar mehr Verantwortung übernehmen als die Mütter. Viel mehr sind aber Eltern für jedes Unternehmen ein Gewinn, denn sie kommen mit Kompetenzen zurück, die sie sonst nirgendwo erwerben können. Auch hier gibt es Beispiele von Firmen, die das längst erkannt haben: Wenn sie eine Person befördern wollen, bewerten sie ein Jahr Elternzeit gleichwertig mit einem Jahr Auslandserfahrung.

Neue Ideen der Politik?

Vätern mehr Zeit für Familie zu gewähren ist drittens aber auch Aufgabe der Politik. Der zaghafte Versuch, Väter zu mehr Elternzeit zu animieren, kam mit der 12+2-Lösung für das Elterngeld. Paare in Deutschland haben Anspruch auf insgesamt 14 Monate, wenn eines der Elternteile mindestens zwei Monate nimmt. Diese Monate werden oft „Vätermonate“ genannt. Anders sieht es jedoch um die Geburt des Kindes herum aus. Viele Arbeitnehmer gewähren einen Tag Sonderurlaub bei der Geburt eines Kindes. Im Anbetracht der Tatsache, dass viele Geburten mehr als 24 Stunden dauern, ist das ein höchst verlegendes Zugeständnis an die Partner der Mütter. Einige Verträge sehen jedoch nicht einmal diesen einen Tag vor.

Ein Pendant zum Mutterschutz gibt es jedoch für Väter oder Partnerinnen von Müttern nicht. Wollen sie vor und nach der Geburt ganz für die Familie da sein, müssen sie regulären Urlaub nehmen oder Elterngeld beantragen. Auf EU-Ebene wird schon länger debattiert, ob ein Vaterschutz ähnlich des Mutterschutzes ein sinnvoller Beitrag für mehr Gleichberechtigung sein könnte. Die Angebote für Väter kurz nach der Geburt sind über die EU hinweg völlig verschieden. In Dänemark zum Beispiel werden Vätern und ausdrücklich auch lesbischen Partnerinnen von Müttern zwei Wochen „Elternschutz“ zu 100 Prozent bezahlt – sie müssen in den ersten vier Wochen nach der Geburt genommen werden. In den Niederlanden werden zwei Tage Urlaub nach der Geburt vom Arbeitgeber bezahlt. In Island gibt es zwar keinen Vaterschutz, die Elternzeit muss jedoch zu einem Drittel von jeweils einem Elternteil genommen werden, das übrigen Drittel können die Eltern sich beliebig aufteilen.

So großzügig die Elternzeit mit maximal 14 bezahlten Monaten in Deutschland auch scheinen mag, Raum für Ideen sie besser zwischen den Geschlechtern zu verteilen, ist vorhanden. Gäbe es vier Wochen gesetzlichen Partnerschutz nach der Geburt eines Kindes, würden sich zudem Arbeitgeber an die Normalität gewöhnen, dass auch Väter nach jeder Geburt für ein paar Wochen ausfallen. Der Schritt zu mehreren Monaten Elternzeit ist dann nicht mehr weit.

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