Foto: Donnie Ray Jones – Flickr – CC BY 2.0

So werden Mädchen stark und selbstbewusst – 5 Tipps für die Erziehung

Wie können Eltern verhindern, dass ihre Kinder in einer Geschlechterschublade landen? Mit einer Erziehung, die Mädchen und Jungen zeigt, dass ihnen alle Wege offen stehen, entwickeln sie sich zu starken und selbstsicheren Persönlichkeiten.

Unbewusste Voreingenommenheit und Stereotype

Wenn man Eltern fragen würde, wie sie ihre Töchter erziehen wollen, würde hoffentlich heute keiner mehr sagen: Die sollen sich gut benehmen, artig sein, schön zurückhaltend, zuvorkommend, bescheiden und genügsam, und den „hard stuff“ den Männern überlassen.

Es könnte aber durchaus sein, dass selbst Eltern, die ihre Kinder, egal welches Geschlecht sie haben, zu gleichberechtigten, selbstbewussten Menschen erziehen möchten, die in keine für Jungen oder Mädchen angeblich typischen Bahnen gelenkt werden sollen, genau das unbewusst und unabsichtlich tun.

Eine neue Studie der „Harvard Graduate School of Education“ kam zu dem Ergebnis: Männliche und weibliche Teenager und ihre Eltern haben Vorurteile gegen Mädchen und Frauen, die führen wollen.

Mädchen und Jungen bevorzugen männliche Führungspersonen

Der Studienleiter Richard Weissbourd äußerte sich überrascht darüber, wie stark die Antworten von Mädchen und Jungen von Geschlechterstereotypen geprägt waren. Mit seinem Projekt „Making Caring Common“ will Weissbourd dazu betragen, Jungen und Mädchen zu fürsorglichen und respektvollen Menschen zu erziehen – deshalb forschen er und seine Kollegen generell zum Thema Voreingenommenheit – und waren dann ziemlich perplex, was für ein große Rolle besonders Vorurteile bezüglich des Geschlechts spielten.

23 Prozent der befragten Mädchen und 40 Prozent der Jungen bevorzugten männliche politische Führungspersonen, und nur acht Prozent der Mädchen und vier Prozent der Jungen fühlten sich stärker von weiblichen politischen Führungspersonen angesprochen. Ähnlich sah es im Bereich Wirtschaft aus, zumindest bei den Jungen: 36 Prozent von ihnen bevorzugten männliche Business-Leader.

Bei Jungen und Mädchen im Schulalter stieg die Wahrscheinlichkeit, dass sie Schülervertretungen mehr Verantwortung übertragen wollten, dann am stärksten an, wenn es sich um männliche, weiße Schülersprecher handelte, und am geringsten, wenn es sich um weiße Mädchen handelte – und das galt auch für Mütter und Mädchen: Auch sie wollten lieber, dass Jungen die Schülervertretung leiteten. Weissbourd und seine Kollegen zitieren außerdem eine Gallup-Studie, nach der besonders weibliche Befragte einen männlichen Vorgesetzten bevorzugen würden.

„Vorannahmen und Stereotype können eine mächtige und dabei unsichtbare Barriere sein, die Mädchen davon abhält, in Führungspositionen zu streben“, sagt Weissbourd. „Aber Eltern und Lehrer haben eine Menge Möglichkeiten, diese Voreingenommenheit zu bekämpfen.”

Weissbourd hat fünf Empfehlungen für Eltern, um geschlechtsbezogene Voreingenommenheit bei ihren Kindern zu verhindern, hier sind sie kurz zusammengefasst; weitere konkrete Handlungsempfehungen sind in der Studie nachzulesen.

1. Die eigenen Vorurteile überprüfen

Wir alle sind von Geschlechterstereotypen und Vorannahmen über das männliche und weibliche Geschlecht beeinflusst: durch Erziehung, und weil wir jeden Tag Botschaften bekommen, was von Männern und Frauen erwartet wird. Meistens ist es unmöglich, diese Voreingenommenheit komplett abzustreifen, aber man kann sich ihrer bewusst werden und hat dann die Möglichkeit, dagegen anzugehen. Jeder kann streng an sich selbst prüfen, wie seine eigene Voreingenommenheit möglicherweise seine Einstellungen oder Handlungen beeinflusst; jeder kann sich bewusst machen, was für eine Haltung er oder sie zum Beispiel zu den Fragen hat, wie sich Mädchen oder Jungen kleiden sollten, und wie sie sich benehmen sollten. Mädchen jedenfalls hoffentlich nicht so. Die 13-jährige Keila Banks hat vor kurzem in einer beeindruckenden Keynote Speech klargemacht, wie wichtig es ist, sich nicht von seinen Vorurteilen leiten zu lassen.

2. Das eigene Zuhause zu einer vorurteilsfreien Zone machen

Schon ganz früh bemerken Kinder Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, die zu einer ziemlich eingeengten Sicht auf die Geschlechter führen können. Es geht also darum, den Horizont der Kinder bezüglich Geschechterrollen zu erweitern und sie früh für das Thema Voreingenommenheit zu sensibilisieren. Wenn zum Beispiel die Kinder nach Unterschieden fragen, sollte man ihnen erstmal zeigen, dass man gut findet, dass es fragt, und direkt und ehrlich antworten. Zudem sollte man zusammen mit der ganzen Familie das  Thema Bias auf den Tisch bringen – und sich fragen, bei welchen Themen innerhalb der Familie womöglich geschlechtsspezifische Voreingenommenheit zu stereotypen Verhaltensmustern führt. Man sollte nicht einfach davon ausgehen, dass der Sohn ins Fußballtraining will und die Tochter Ballett toll findet – sondern beiden eine große Bandbreite von möglichen Aktivitäten aufzeigen. Und wie soll man seinen Kindern vermitteln, dass sich zwei Partner die Hausarbeit am besten aufteilt, wenn immer nur einer von beiden kocht, sich um die Wäsche kümmert und einkauft?

3. Den Kindern helfen, Stereotype auf den Müll zu werfen

Kindern sind sich der Geschlechterstereotype meistens gar nicht bewusst, mit denen sie jeden Tag zu tun haben. Sie müssen von den Erwachsenen in ihrem Leben lernen, Voreingenommenheit bei sich und anderen zu erkennen, und sich nicht von ihr beeinflussen zu lassen. Es geht darum, Kindern Strategien an die Hand zu geben, mit denen sie auf Stereotype und Vorurteile reagieren können – und die ihrem Alter angemessen sind. Schon Dreijährige booten zum Beispiel in der Kita Mädchen aus, weil in ihrem Spiel Prinzessinen nicht zugelassen sind – man kann also nicht früh genug damit anfangen, den Kleinen klarzumachen, dass die Mädchen auch gar nicht immer Prinzessin sein müssen und wollen. Wenn in Zeitschriften oder Werbung ein klischeehaftes Bild eines Geschlechts gezeichnet wird (etwa: Mädchen wollen vor allem immer hübsch aussehen), dann lohnt es sich, mit den Kindern darüber zu diskutieren und zu fragen, wie es sich anfühlt, auf bestimmte Eigenschaften reduziert zu werden.

4. Jungs nicht einfach Jungs sein lassen

Laut Weissbourd bleiben viel zu oft erniedrigende und abwertende Kommentare von Jungs gegenüber Mädchen unkommentiert und ohne Reaktion. Erwachsene und Freunde wüssten nicht, wie sie reagieren sollen. Aber gerade die ausbleibenden Reaktionen suggerieren den Jungen, dass ein solches Verhalten in Ordnung ist. Erwachsene sollten sofort eingreifen, wenn sie machohaftes Verhalten oder abwertenden Bemerkungen registrieren. Zum Beispiel, indem sie mit Jungen darüber sprechen, was Begriffe wie Ehre und Stärke wirklich bedeuten – und wie wichtig ihre Rolle im Kampf gegen Geschlechterstereotype ist. Zum Beispiel gilt es, Jungen klarzumachen, dass es nicht nur wichtig ist, sich respektlose Kommentare gegenüber Mädchen zu sparen, sondern ebenso wichtig, einzuschreiten, wenn diese Kommentare von einem anderen kommen.

5. Die Führungsqualitäten und das Selbstvertrauen von Mädchen stärken

Zu viele Mädchen haben Angst davor, Verantwortung zu übernehmen und zweifeln an den eigenen Führungsqualitäten. Die beste Möglichkeit für sie, um ihren negativen Eindruck von den eigenen Führungsqualitäten (und denen anderer Mädchen) zu bekämpfen, wäre, einen Eindruck davon zu bekommen, wie sich Führen eigentlich anfühlt. Eltern und Lehrer können Mädchen weibliche Vorbilder nahebringen, wenn es um Leadership geht; sie können mit ihren über Ängste reden; sie können zusammen mit ihnen überlegen, wie sie das Sprechen vor Publikum trainieren können, bei welchen Projekten in der Schule sie Teamarbeit und Leadership üben können. Und welche Strategien es gibt, mit Kritik und negativen Reaktionen sinnvoll umzugehen.

Denn viel zu oft vermeiden Mädchen die Führungsrolle, weil sie Angst haben, vor vielen Leuten zu sprechen; oder sie befürchten, ihr Freundeskreis könnte das missbilligen. Viele Mädchen, schreibt Weissbourd, hätten Angst davor, „bossy“ zu wirken. Genau hier setzt übrigens die schöne Aktion „Ban Bossy“ an, die auch ein sehr passendes Zitat von Sinead O’Connor wiederbelebt hat: „I’m not bossy, I’m the boss.“

Wir haben jetzt unsere eigene Facebook-Gruppe rund um das Thema Familie. Wir wollen uns mit allen austauschen und vernetzen, die sich für das Leben mit Kindern interessieren – egal ob ihr selbst Eltern seid oder (noch) nicht. Schaut doch mal vorbei!

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