Foto: Loren Kern | Flickr

Das Topmanager-Prinzip: Wie es wirklich ist, um 4.30 Uhr aufzustehen

Alle Topmanager scheinen im Morgengrauen aufzustehen. Ist das also schon Teil ihres Erfolgsgeheimnisses? Das wollte Silvia herausfinden – und probierte es einfach mal aus.

Eine Woche ein Very Early Bird sein

Wenn man all den Artikeln über die Managerinnen und Manager dieser Welt glauben mag, dann muss das frühe Aufstehen gegen 4.30 Uhr Teil ihres Erfolgsgeheimnisses sein. Von Claus Hipp über die General Motors CEO Mary Barra bis zum Apple CEO Tim Cook: sie alle scheinen kaum Schlaf zu brauchen und stehen in aller Frühe gut gelaunt auf, um ein paar Seiten Weltliteratur zu genießen, etwas Sport zu treiben oder vor allen anderen bei der Arbeit zu sein. Wird mit dem frühen Aufstehen alles anders, strukturierter und schneller erledigt Das wollte ich doch auch mal ausprobieren und habe das einfach mal für euch gemacht.

Tag 1

Der Wecker klingelt. Meine Augenlider stehen auf Halbmast. Es ist Montagmorgen, 4.30 Uhr – und ich bin wach. Ich schaue raus, der Himmel ist noch dunkel, der Mond hell. Böse Erinnerungen an den Winter steigen in mir auf. Na dann raus. Um 5 Uhr schaffe ich den Schritt. Was hab ich mir nur dabei gedacht?

Und jetzt, wie starte ich den Tag? „Erst ganz gemütlich einen Kaffee“ sage ich mir und setze einen auf. Nachdem ich dann im Bad aus lauter Müdigkeitsverwirrung gleich zwei Mal zum Zähneputzen ansetze, geht es aber doch erst mal unter die kalte Dusche. Das muss sich noch einspielen. Jetzt erst einmal wie gewöhnlich das Netz durchstöbern. Das Radio wird auch aufgedreht. Ich brauche Unterhaltung.  

Ab etwa 6.20 Uhr höre ich immer wieder den Wecker durch das Haus schellen. Ich bin nun schon beim zweiten Kaffee und habe meinen Newsfeed so gut wie durchgeackert. Also schaue ich nun nach dem Mietauto für den Urlaub, der demnächst ansteht. Habe ich sowieso viel zu lange vor mir hergeschoben. Dann Frühstück. So ein richtiges Frühstück. In Ruhe. Mit Saft, Kaffee und einem Ei. Was ist denn hier los? Wochenende oder was? Nein, Zeit. So viel Zeit.

Ich weiß jetzt auch, warum diese Frühaufsteher alle Sport machen! Denn wie soll man in dieser Herrgottsfrühe denn sonst wach bleiben? Also drehe ich das Radio noch etwas lauter und taumele wie eine betrunkene Biene durch die Wohnung. Joggen geht nicht. Also, echt nicht. Aber eigentlich fühle ich mich wesentlich besser als gedacht. Wer meine Insomnia Kolumne gelesen hat weiß ja, dass ich mit recht wenig Schlaf auskomme. Nur der frühe Vogel und ich, wir stehen eigentlich auf Kriegsfuß.

Nun aber zur Arbeit. Und dort? So viel sei gesagt: Das erste schlimme Tief kam gegen 12.00 Uhr. Und ab etwa 16.00 Uhr zog sich der Teil meines Gehirns, der für die Logik zuständig ist, in eine dunkle, mir unbekannte Ecke zurück.

Tag 2

Heute ist es schwer aus dem Bett zu kommen, verdammt schwer. Ich hatte es nicht anders erwartet. Einmal geht alles, aber mach dir mal etwas zur Gewohnheit, an das zuvor nicht zu denken war. Und nachdem ich mich heute besonders gequält habe, beschließe ich, statt privater Angelegenheiten zu regeln oder ganz allmählich in den Tag zu starten, schon um 5.45 Uhr mit dem Arbeiten zu beginnen – die ersten E-Mails werden beantwortet, Texte redigiert, Themen recherchiert. Ich muss sagen, ich bin erstaunt, wie gut ich um diese Zeit schon funktioniere. Und ein früher Feierabend lockt mich an einem der letzten warmen Tage in diesem Jahr allemal.

Tag 3

OK, ich gebe es zu. Ich bin eingeknickt. Die Snooze-Funktion ist schuld! Und der schwache Körper. Leider komme ich erst um 5.30 Uhr aus dem Bett. Während ich die Zähne putze, sehe ich eine Riege an Top-Managern in grauen Anzügen vor meinem inneren Auge. Sie schütteln enttäuscht ihre Köpfe und raunen sich zu: „Das wird nichts mit der.“ Ach. Also erstmals raus und eine Runde laufen.

Also, Spazierengehen, falls ihr jetzt etwas anderes dachtet. Draußen ist die Luft herrlich, sauber, kalt. Das macht wach. Und glücklich. Leicht blau ist das Licht und es kommt mir vor, als würden andere Vögel zwitschern. Die Early Birds eben. Jetzt aber los, sonst wird das heute nichts mehr. In der Redaktion steht ein Team-Fotoshooting an und ich bete, dass ich die Augenringe wegschminken kann. Wenn nicht, sehe ich eben schwer beschäftigt aus. Managermäßig, ganz klar. Wie mich die Fotografin später aufklärte, übernimmt das aber Photoshop, daran hatte ich im Müde-Modus ja gar nicht gedacht. Herrliche neue Welt.

Tag 4

Ich bin wieder im Spiel. 4.30 Uhr! Und ich stehe. Doch es erwartet mich heute kein romantischer Mond, der mich golden anglitzert, sondern eine Wolkendecke. Deprimierend. Ich stehe unter der Dusche und langsam geht mir die Sache auf den Keks. Denn: Mein Körper mag sich daran nicht gewöhnen. Ich scheine viel mehr Schlaf zu brauchen, als wenn ich meinem üblichen Rhythmus folge. Und ich frage mich, wie das Manager, die ihren Arbeitstag in der Regel nicht nach neun bis zehn Stunden beenden, wohl machen. Wahrscheinlich legen sie auch nicht so viel Wert auf ein Privatleben, denn was einst ein frühes Beenden des Abends war, nämlich wenn man gegen 22.00 Uhr „Tschüß, ich muss auf die Couch“ sagte, das fühlt sich in dieser Woche an wie eine durchgemachte Nacht.  

Die Mütter werden wohl gerade lachend vor dem Bildschirm zusammenbrechen und denken: Was für eine Sissi. Schon ok. Aber ihr habt einen wesentlich besseren Grund früh aufzustehen! Ihr füttert kleine Menschen, ihr rettet damit Leben! Ich dagegen simuliere hier nur den Ernstfall.

Tag 5

Letzter Tag. Und ich habe es geschafft. Ich war joggen! Manager der Welt, schaut auf mich! Ich bin endlich Teil dieser Leistungsgesellschaft, deren Fahne ihr mit euren starken, trainierten Armen hochhaltet. Früh aufstehen, effizienter und mehr arbeiten  – und auch noch: Sport. Das Gefühl, endlich hier angekommen zu sein ist … einfach Mist.

Beim Sport ging mir die Puste aus. Mein Kreislauf sagte leise aber wirkungsvoll adieu und ich … bin noch müder. Aber heute heißt es trotzdem noch einmal zusammenreißen und durchziehen. Die Aufgaben warten und wir haben Krankheitsaufälle, da brauche ich mit Müdigkeit nicht auf Mitleid zu hoffen. Nur noch ein paar Stunden und wenn ich dann meinen Flieger in die Heimat nicht wegen eines Nickerchens am Terminal verpasse, dann feier ich bald müde und glücklich den Junggesellinenabschied meiner Schwester. Das ist dann nicht nur das Ende einer Woche, es ist das Ende meiner hochoffiziellen Manager Woche – und ich muss sagen: Ich bin froh.

Das Fazit

Früher aufstehen ist gut. Es ist tatsächlich gut. Und hier spricht eine Eule, aus der nie eine Lerche wird. Eine, die es liebt sich noch drei Mal umzudrehen und dann mit einem schnell zusammengebundenen Zopf los sprintet, statt alles in Form zu föhnen. Aber: Auf keinen Fall um 4.30 Uhr. Vielleicht um 6.00 Uhr. Das könnte hinhauen, das ist menschlich. Ob es meine Effizienz steigert? Nun, das weiß ich nicht.

Aber ich habe Gefallen daran gefunden, Aufgaben dann zu erledigen, wenn noch niemand etwas von mir will und ich meine Gedanken voll und ganz einer Sache zukommen lassen kann. Und ich könnte noch öfter Straßen genießen, die nur mir gehören – und diesen Vögeln, die so anders klingen.

Aber die Welt für mich alleine und meine Ruhe haben, Gedanken sortieren und lange Texte schreiben, genau das kann ich ja auch nachts. Genau das liebe ich ja, wenn ich nachts am Fenster sitze, heraus schaue und nur noch die Straßenlampe leise surrt – abgesehen von den Geräuschen der Betrunkenen, die mit an die Grenze zur Sicherheit reichenden Wahrscheinlichkeit auf meiner Straße nach Hause torkeln.

An dieser Stelle sei das Edition-F-Team gegrüßt! Danke, dass ihr meine launische (Manager-) Art ertragen und über mein müdes Hirn milde hinweggesehen habt. Wir haben es überstanden! Und ich, ich habe meine Nächte zurück.

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