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Ja, Neuanfänge klappen nicht immer wie geplant – aber wir müssen uns trotzdem trauen!

Die Entscheidung, seinen vorgeplanten Karriereweg zu verlassen, ist nicht leicht zu treffen. So viel kann schiefgehen. Aber lohnt es nicht trotzdem? Ein Resümee nach einem Jahr, in dem nicht lief, wie es geplant war.

 

Bis hierhin lief alles perfekt …

Wenn man mein bisheriges Leben zusammenfassen würde, dann würde das ungefähr so klingen: Tolle Jugend, erfolgreiches Abitur, Bachelor im Ausland, während eines Gap-Jahrs meinen größten Traum, ein Jahr in New York zu leben, erfüllt, um dann den Master an einer Elite-Uni in Schottland zu machen. Man könnte den Eindruck bekommen, dass es bei mir echt gut läuft. Und so war es auch – bis vor ungefähr einem Jahr. Ab dort ging es den Bach runter. Am Ende stand die Erkenntnis, dass ich mein Leben so nicht mehr leben will.

Gefühlt kamen diese Zweifel aus dem Nichts. Und doch glaube ich, dass die Zweifel sich seit langer Zeit angekündigt hatten und sich langsam aber sicher die Gewissheit breit machte, dass ich ein Leben lebte, das ich gar nicht leben wollte. Die Fragen, warum ich auf einmal so unglücklich war?

Eine kleine, aber feine Identitätskrise 

Vor genau drei Jahren fing ich einen Job in einer Unternehmensberatung an. Relativ schnell merkte ich, dass sich der Job komisch anfühlte, irgendetwas machte sich in meinem Bauch bemerkbar. Ich schob das Gefühl jedoch mit den Gedanken „Kommt Zeit, kommt Rat“, und „Alles ist Gewöhnungssache“, erst einmal zur Seite. Je beschäftigter ich wurde und je mehr Verantwortung ich übertragen bekam, desto mehr rückten die Selbstzweifel nach hinten, unter Bergen von Arbeit begraben.

Bis zu diesem einen Dezemberabend vor genau einem Jahr, an dem gefühlt alles über mir zusammenbrach und ich erkannte, dass ich ein Leben lebte, das absolut nicht dem entsprach, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber wie konnte es soweit gekommen sein? Bis zum Start in meinen Job lief doch alles so erfolgreich und genau nach Plan. Ich schaffte alles, was ich mir gewünscht und wofür ich gekämpft habe. Es kann doch nicht sein, dass ich eine falsche Abbiegung genommen hatte und nun unglücklich war?

Was macht man mit so einer Erkenntnis? 

Ziemlich schnell fing ich daraufhin an, mein Arbeitsleben auseinander zu pflücken und einzelne Themen zu reflektieren. Lag es am Team? Nein, nichts zwangsläufig. Lag es an der Firma? Nein, nicht ausschlaggebend. Lag es am Thema? Nein, so kann man das nicht sagen. Es war für mich zuerst nicht ganz greifbar, woran es lag, da es anscheinend nicht die Schuld eines einzelnen Faktors war.

Ausschlaggebend war dann ein Feedback-Gespräch mit meinem damaligen Chef. Ich wurde gelobt, befördert und habe auch noch einen Bonus bekommen. Anstatt mich über die frohen Botschaften zu freuen, saß ich ihm gegenüber und konnte nur einen Gedanken fassen: Ich gebe hier höchstens 70 Prozent meiner Kraft und möglichen Leistung und doch erreiche ich alles, was man erreichen kann. Was könnte ich erreichen, wenn ich 110 Prozent geben würde? Und wollte ich das überhaupt in dieser Konstellation? Mir wurde klar, dass 110 Prozent für mich nur möglich wären, wenn ich an etwas eigenem arbeiten würde. 

Wenn nicht jetzt, wann dann: Selbstständigkeit 

Und so schloss ich einen Pakt mit mir selbst und formulierte einen Plan. Dieser lautete ungefähr so: „Ich werde gegen Herbst nächsten Jahres kündigen. Bis dahin habe ich einen soliden Start in mein eigenes Business hingelegt und fühle mich sicher, mit dem Weg, den ich gehe. Ich starte ein Jahr, Selbstständigkeit auf Probe’ und evaluiere danach, ob ich weitermachen möchte oder nicht.“ 

Ein sehr klarer Plan – bis das Leben dazwischen kam. Zu dem alltäglichen Stress bei der Arbeit kamen einige schwere persönliche Schicksalsschläge. Gegen Ende des Frühjahrs schwankte ich dann, war geplagt von Zweifeln und fragte mich, ob es wirklich der richtige Zeitpunkt war. Aber immer wieder kam ich zurück zu dem Gedanken: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“. Ich bin jung, ungebunden, ohne Kinder und ohne Haus. Den perfekten Zeitpunkt wird es nicht geben, dieser hier erschien aber doch recht optimal.

Das Leben schreibt andere Geschichten 

Nun ist Winter und ich bin natürlich überhaupt nicht dort, wo ich laut Plan sein wollte. Mein eigenes Business steckt nicht in den Kinderschuhen, es ist noch gar nicht geboren! Schlimmer noch, ich hatte viele Ideen und habe mich für bisher keine entschieden. Die Zweifel blieben, mein Optimismus aber auch. Die ersten „freien“ Tage habe ich also damit verbracht, mir zu überlegen, mit welcher der Ideen ich mich denn beschäftigen möchte und was ich in einem Jahr erreichen möchte. Es ist ein gruseliger Schritt, das Gewohnte und Sichere für etwas komplett Fremdes und Unsicheres aufzugeben. Aber neben den Zweifeln treten ganz andere Gefühle in den Vordergrund: Aufregung, Freude, Neugierde und natürlich die Hoffnung in einem Jahr an einem Punkt zu stehen, an dem ich das Leben, was ich für mich geschaffen habe, wieder liebe und zufrieden bin, mit dem, was ich erreicht habe. 

Trotz aller Sorgen und Ängste, die mit so einem neuen Abschnitt verbunden sind, kann ich sagen, dass es sich, nach knapp vier Wochen, in denen ich nun auf meiner eigenen Reise bin, total genial anfühlt! Auch wenn ich ganz am Anfang bin (oder gerade deswegen?), empfinde ich eine unbändige Vorfreude, auf das, was mich in diesem Ein-Jahres-Experiment noch alles erwartet. 

An all diejenigen, die noch zweifeln und sich unsicher sind: Jeder der so einen Schritt geht zweifelt – jeder! Traut euch, eure Träume und Ziele zu realisieren, versucht es und gebt alles. Selbst wenn ihr scheitern solltet, ihr werdet euch nie wieder vorwerfen müssen, es nicht ausprobiert zu haben. Und all die tollen Sachen, die passieren können, wiegen viel schwerer als die Bedenken, die wir immer wieder zur Seite schieben können!

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