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Ist „nachhaltiger Konsum“ wirklich möglich?

Konsum und Nachhaltigkeit, wie gut geht das wirklich zusammen? Darüber hat sich Lisa Jaspers Gedanken gemacht, Gründerin des Fair Fashion Labels Folkdays.

 

Kann der Wunsch nach Nachhaltigkeit wahr werden?

Wir kaufen Bio, achten auf Fair Trade und nehmen lieber den Zug als den Flieger. Einige machen noch mehr, viele weniger. Doch die Frage, die sich ganz viele stellen ist doch: Ist „nachhaltiger Konsum“ wirklich möglich? Ein Erklärungsversuch. 

Zwischen Nachhaltigkeit und Konsum besteht ein unmittelbares
Spannungsverhältnis, denn die Menge die wir konsumieren, hat meist direkte
Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit in der Produktion.

Am Beispiel von
Bio-Lebensmitteln lässt sich das gut darstellen. So lange Bio-Lebensmittel
eine Nische waren, wurden meist hohe Umwelt- und Qualitätsstandards (beispielsweise von
Demeter) angelegt. Mit einer wachsenden Nachfrage wanderte
Bio jedoch über die letzten 30 Jahre von der Nische in den Mainstream. Heute findet
man in jedem Supermarkt eine breite Produktpalette von unterschiedlichen
Bio-Produkten. Auch preislich ist der Unterschied zwischen herkömmlichen
Produkten und Bio-Produkten nicht mehr sehr groß: ein Liter Bio-Milch kostet bei
Aldi, Lidl und Co. nicht mal einen Euro. Eigentlich positiv – doch was verändert sich für die Produkte, wenn auf einmal so viel Nachfrage nach Bio herrscht?

Bioprodukte und der Effekt der Nachfrage

Dass diese Mengen und Preise unweigerlich einen
Effekt auf Nachhaltigkeit und Qualität haben, liegt in der Natur der Sache. Zwar
tragen die meisten Bio-Produkte in Supermärkten das Bio-Siegel und verpflichten
sich damit zu ökologischen Mindeststandards, der Unterschied in Geschmack und
Qualität zum Gemüse des kleinen Demeter-Bauern auf dem Bio-Wochenmarkt ist
nichtsdestotrotz groß. Gleichzeitig ist es auf diese Weise natürlich nicht
möglich, den Massenmarkt zu bedienen.

Was kann man also wirklich tun? Wenn „echte“ ökologische Nachhaltigkeit ein
gesellschaftliches Ziel ist, muss diese mit bewussterem Konsum einhergehen. So
wird beispielsweise der tägliche Fleischkonsum bei Abschaffung aller nicht-nachhaltigen
Formen der industriellen Landwirtschaft sowie der Massentierhaltung schlichtweg
unrealistisch.

Wie viel Bio und Fair ist realistisch?

Als Gründerin des Fair Fashion Labels Folkdays werde
ich häufig gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass faire Mode irgendwann
einmal zum gesellschaftlichen Mainstream wird. Auf diese Frage kann ich nur mit
„Jein“ antworten. Denn einerseits sage ich: Ja, denn ich bin mir sicher, dass es möglich ist, die
aktuellen Arbeitsbedingungen, unter denen ein Großteil unserer Kleidung produziert
wird, zu verbessern und menschenwürdiger zu gestalten. Und andererseits muss ich mit einem Nein dagegenhalten. Denn ich
überzeugt bin, dass der aktuelle Fast Fashion Markt auf diese Weise nicht bedient
werden kann.

Wenn das Ziel nachhaltigere und faire Produktionsbedingungen
sind – egal ob im Lebensmittel- oder Bekleidungsbereich – werden sich die
Preise unweigerlich erhöhen. Hier wird oft das Argument von sozialer
Gerechtigkeit angeführt, da natürlich höhere Preise dazu führen, dass ärmere
Schichten weniger konsumieren können. 

Wie sehr sind wir bereit, uns einzuschränken?

Auf diese Diskussion muss man sich
einlassen, aber auch die richtige Frage stellen. Und diese lautet
nicht:
Wollen wir, dass jeder von uns so viel
wie möglich konsumieren kann? Denn so zu konsumieren, wie wir es aktuell tun,
ist nur dann möglich, wenn wir uns weiterhin weigern, gesellschaftliche Kosten
einzupreisen, wie etwa: Umweltverschmutzung durch CO2-Austoß, Wasserverschwendung oder Verschmutzung bei der Viehzucht sowie der Herstellung und dem Transport
von Bekleidung.

Aber das ist noch nicht alles, denn bei gleichbleibendem Konsum geht es weiter: Denn wir müssen außerdem unser soziales Gewissen weiterhin
ignorieren und in Kauf nehmen, dass Menschen und Tiere unter unwürdigen und
verachtenden Bedingungen leben beziehungsweise arbeiten müssen. Denn nur dann lassen sich
die aktuellen Preise realisieren.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet
daher:
Was ist es uns wert, dass
jeder so viel wie möglich konsumieren kann? Und diese Frage muss jeder für sich
selbst beantworten.

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