Foto: Kathrin Weßling

Kathrin Weßling: „Ich hatte den beschissen schlimmsten Liebeskummer meines Lebens“

Kathrin Weßling ist Journalistin und Autorin, Poetry-Slammerin, Social-Media-Managerin und Autorin. Nun hat sie ihr neues Buch „Morgen ist es vorbei“ herausgebracht – und darin geht es um richtig fiese Herzschmerzen.

„Lustige Texte sind viel schwerer als die ernsten“

Liebeskummer. Es gibt eigentlich kaum etwas, das uns mehr aus der Bahn wirft. Irgendwie geht nichts mehr – und man wüsste auch gar nicht, wo man überhaupt ansetzen soll. Genau das ist das Thema des neuen Buches „Morgen ist es vorbei“ von der Autorin und digitalem Tausendsassa Kathrin Weßling. In 13 Geschichten beleuchtet sie die Sache mit der Liebe – und was das mit einem machen kann. Uns hat sie vom Buch und ihrem ersten Liebeskummer erzählt – und warum es so viel schwerer ist, einen Text zu schreiben, der viele zum Lachen bringt, als ein ernstes Thema zu Papier zu bringen.

Kathrin, in deinem neuen Buch geht es um Liebeskummer. Also, um so richtige Herzschmerzen. Warum hat dich gerade das Thema gereizt?

„Ich glaube, vor allem der Ausnahmezustand. Nicht alle Menschen erleben schwere Schicksalsschläge, viele Menschen kommen ganz okay durchs Leben. Aber Liebeskummer ist etwas, das uns allen zustoßen kann. Und auch den meisten früher oder später passiert. Und es löst die absolute Ausnahmesituation aus. Man ist unfähig, auch nur einen Moment länger zu funktionieren. Und genau das wollte ich sehen, mir anschauen, es erzählen. Und weniger klug dahergeredet: Ich hatte selber auch den beschissen schlimmsten Liebeskummer meines Lebens.“

Was ist denn eigentlich das schlimmste am Liebeskummer? Vielleicht die Hilflosigkeit, weil man sich ja nicht einfach dazu entscheiden kann, dass es wieder anders und besser wird? Oder kann man das vielleicht doch?

„Alles gleichzeitig: Dir wird was weggenommen, was du glaubst, unbedingt zu brauchen. Das ist schon mal sehr unfair. Du kannst aber auch nichts dagegen machen. Du kannst ein noch so toller Mensch sein: Nützt alles nichts. Das zeigt dir im schlimmsten Fall zum ersten Mal, dass das Leben eben gar nicht so fair ist und erst recht nicht eine Eins-zu-eins-Rechnung. Karma is a bitch. Diese Hilflosigkeit kann einen irre machen. Irre wütend, irre traurig, irre verzweifelt.“

Auch mich hat mein erster Liebeskummer komplett umgehauen – wie schlimm das ist, weiß man ja erst, wenn es passiert. Kannst du dich noch an deinen ersten Liebeskummer erinnern?

„Ich fand die Liebe schon immer irgendwie bekümmernswert. Die ist ja nie nur toll. Und mein erster Liebeskummer war auch nicht mein schlimmster. Der kam erst danach. Und der war wirklich existentiell. Ich hab Jahre gebraucht, um wieder okay zu sein. Und das habe ich der Liebe auch ganz schön übel genommen.“

Du schreibst, dass gegen Liebeskummer nichts hilft, und das vor allem eins wahr ist: Dass das Leben einfach weitergeht. Ist das nun eher tröstlich oder ist der Gedanke vielleicht auch etwas deprimierend?

„Der Gedanke ist höchstens für Kontrollmenschen wie mich deprimierend. Für alle anderen ist er einfach eine Tatsache. Zeit hilft, aber das ist ja auch keine Hilfe im tatsächlichen Sinn. Man kann die Zeit aber ganz gut nutzen, um ein bisschen was über sich zu lernen. Oder um alle Lieferdienste und die besten Netflixserien auszuprobieren und herauszufinden, wie viel Schnaps man verträgt, dass Tinder uncool ist und dass Sport einem hilft, sich dann und wann besser zu fühlen. Und wie wichtig Freunde sind.“

Hand aufs Herz: Wie viele Geschichten deiner Freunde hast du in deinem Buch verwurstet? Oder ziehst du die Geschichten doch mehr aus dir selbst?

„Schwierige Frage. Das ist alles alles und nichts nichts davon. Ich weiß immer nicht, wie man sowas genau beantworten soll.“

In deinem ersten Buch drehte sich alles um das Thema Depressionen. Mit den leichten Themen hast du es nicht so, oder? Wieso ist das so? Lässt sich mit den schweren Themen mehr oder besser erzählen?

„Für mich sind ‚schwere Themen’ ja das, was für andere ‚leichte Themen’ sind. Ich kenne mich mit diesen Themen eben aus. Und ich schreibe über das, was aus mir herausdrängt. Ich habe auch viele Jahre lang lustige Texte für die Bühne geschrieben. Das ist übrigens oft noch viel schwerer als die vermeintlich schwierigen Texte.“

Apropos erzählen, ich habe mir zwei deiner neuen Geschichten auf einer Lesung live von dir erzählen lassen. Ich finde, man hört dir durchaus an, dass du auch Poetry Slammerin bist.

„Ich weiß gar nicht, wann das angefangen hat, dass man Slam quasi als negativ gesehen hat. Slammer erbringen eine krasse Leistung auf der Bühne, von denen sich die ach so superernsten Typen, die auf Bachmann-Lyrik onanieren und in ihre Magazine ihren Hass auf Slammer kotzen, ruhig mal was abschneiden können. Denn: Es ist tausend Mal einfacher, einen ernsten, nachdenklichen Text zu schreiben, als einen, der viele zum Lachen bringt. Erstens. Und zweitens ist Poetry-Slam nicht bloß Bumslyrik und Lacher, sondern ganz oft hoch-kluge, hoch-komplexe Wortkunst und eine Rhythmik, die man lange lernt und für die man viel arbeiten muss und besonders: den Arsch haben muss, sich vor tausend von Leuten im schlimmsten Fall zum Idioten zu machen. Das sollen die Typen, die ,Poetry Slam’ abfällig meinen, gerne selber mal machen, dann können wir noch mal sprechen, ey.“

Meine Frage war auch keinesfalls als Kritik gemeint, sondern war eher darauf gemünzt, dass du einfach gut bist im Vortragen von Texten. Was kannst du denn vom Slam für deine Autorentätigkeit ziehen?

„Ich habe aus meiner kurzen Zeit auf Bühnen viel gelernt. Zum Beispiel, wie gut eine gewisse Rhythmik dem Text und dem Lesefluss tut. Außerdem kann ich besser vorlesen als die meisten Autoren und Autorinnen, die ihre Texte nur zwei oder drei Mal im Jahr laut lesen.“

Man könnte nach deinen ersten zwei Büchern meinen, dass du nicht zu den unbeschwertesten Menschen der Welt zählst. Ein Klischee, weil man den Autor immer mit der wahren Person verwechselt?

„Das halte ich nun wirklich für ein Gerücht, 1995 habe ich sogar schon mal laut gelacht!“

Du hast dir das Amüsement als Redaktionsleiterin für „Mit Vergnügen Hamburg“ ja sozusagen zum Beruf gemacht. Und, natürlich muss ich das jetzt fragen, welches Vergnügen darf man denn in Hamburg gerade auf keinen Fall verpassen?

„Schnaps in der Mutter. Es gibt nichts Besseres.“

Kathrin Weßling: Morgen ist es vorbei, erschienen am 10. August 2015, Luchterhand Verlag, 208 Seiten, 14,99 Euro.

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