Foto: Rob Hayman/Unsplash

Ein Sensor für volle Windeln: Für wie unfähig hält man Eltern eigentlich?

In ihrer Kolumne „Familie und Gedöns“ schreibt Lisa über alles, womit sich Eltern so beschäftigen (müssen), diesmal: Alberne Erfindungen für kauffreudige Eltern.

Windel-Alert!

Manche Bewegungen, Gesten, ja, komische Dinge, die Menschen tun, entlarven in der Öffentlichkeit automatisch ihre Zugehörigkeit zur Randgruppe Eltern. Und manche Dinge, die Eltern tun, fallen Leuten, die nicht zur Eltern-Gang gehören, als sonderbar oder sogar manchmal ein bisschen eklig auf.

Untrüglichstes Zeichen dafür, dass das Baby, das eine Person gerade auf dem Arm oder auf dem Schoß hält, das eigene ist: Die Person hält das Baby oder Kleinkind plötzlich mit ausgestreckten Armen in die Höhe und führt das Baby-Hinterteil in Richtung Nase, um zu erschnüffeln, ob Handlungsbedarf besteht.

Eine Freundin von mir, keine Kinder, macht sich gern etwas böse über diese Geste lustig, besonders wenn sie in der Öffentlichkeit passiert. Ich fühle mich dann immer ein bisschen angegriffen – ich würde ja eher sagen, bei den meisten Eltern ist das keine bewusste Handlung, sondern ein Reflex, den sie genauso wenig kontrollieren können wie Angela Merkel ihr Augenrollen.

Neue Lösungen gegen veraltete Kulturtechniken?

Vielleicht gehört die beschriebene Methode zur Ermittlung des Wickelbedarfs aber bald in die Riege der veralteten Kulturtechniken? Denn Abhilfe naht dank eines südkoreanischen Startups: Das Produkt dieses Unternehmens kommt auf den ersten Blick so bescheuert rüber, dass ich anfangs zögerte, darüber zu schreiben, weil es ja immer peinlich ist, Scherzen auf den Leim zu gehen, so von wegen ,es gibt immer hysterische Idioti*innen, die so was glauben und gleich empört zu tippen anfangen‘; aber anscheinend handelt es sich tatsächlich nicht um den Versuch einer Persiflage unserer krank-kontrollierten Helikoptereltern-Welt: Ein „smarter Sensor“, der an der Windel des Kindes angebracht wird, verrät, ob „ein kleines oder großes Geschäft in der Windel ist“. Eine dazugehörige App „benachrichtigt bis zu fünf Personen in Echtzeit über eine volle Windel und ermöglicht auch ein entsprechendes Tracking.“  Mütter und Väter seien also „zum Überprüfen des Zustandes (der Windel) nicht mehr länger auf „ungustiöse Geruchstests“ angewiesen.

Accessoires wie dieser Sensor fügen sich ärgerlicherweise gut ein in eine Reihe befremdlicher Produkte ein, mit denen Eltern heute suggeriert wird, sie könnten das Leben ihrer Babys und Kleinkinder von Anfang an mittels absoluter Kontrolle ein wenig sicherer und risikoärmer gestalten: Schlafmatten und Strampler, die die Herztöne und Atmung überwachen, Babyphones mit Videoüberwachung, digitale Schadstoffmessung im Kinderzimmer, digitale Fußfesseln für Babys, um Vitalfunktionen direkt aufs Smartphone zu übertragen.

Die Drecksarbeit ist aber noch nicht gemacht!

Und im Fall des Windelsensors muss man ja auch sehen: Sensor schön und gut, aber die wirklich unangenehme Arbeit beginnt doch erst danach! Der ehemalige Partner einer Freundin von mir zum Beispiel konnte von Geburt des Babys an keine Windeln wechseln, weil ihm beim Geruch der Babykacke immer sofort schlecht wurde, manchmal musste er sich sogar übergeben. Endlich mal ein veritables Argument! Nicht immer die gleiche Väter-Leier: „Ach, in den ersten Monaten kann ich mich doch eh nicht einbringen, durch das Stillen und so ist das Baby doch viel mehr auf die Mutter fixiert“, nein, das ist doch handfest: „Ich konnte leider keine Elternzeit nehmen, weil ich den Geruch von vollgekackten Windeln nicht ertrage“.

Jedenfalls wirbt das Startup obendrein mit einem höchst ärgerlichen und befremdlichen Spot für den Sensor, in dem ständig betont wird, wie sehr die liebevolle Bindung zwischen Baby und Mutter (und nur Mutter!) durch den Sensor gestärkt würde: „Mother‘s love to her baby gets deeper than before“ – die elterliche Love fürs Startup wiederum würde noch viel deeper werden, wenn sie anstatt ihres albernen Sensors eine Vorrichtung, einen Roboter oder sonst was entwickeln könnten, der*die*das die eigentliche Drecksarbeit erledigen könnte.

In eigener Sache

Wir haben jetzt unsere eigene Facebook-Gruppe rund um das Thema Familie. Wir wollen uns mit allen austauschen und vernetzen, die sich für das Leben mit Kindern interessieren – egal ob ihr selbst Eltern seid oder nicht. Schaut doch mal vorbei!

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