Foto: Daria Shevtsova | Pexels

Minimalismus? Ihr geht das Thema Konsum komplett falsch an!

Entweder du hast tausende Dinge oder nur 15. Entweder du lebst den Minimalismus oder für den Überfluss. Was aber, wenn ich keines davon, sondern schlichtweg die gemütliche Mitte will?

Mehr, mehr und nochmal mehr!

Nur 15 Dinge zählt James Altucher zu seinem Besitz. Geschirr, Bücher, Bettlaken, gar sein College-Diplom und Fotoalben aus der Kindheit hat der ehemalige Millionär laut New York Times gespendet. Seitdem lebt er aus seinem Rucksack und pendelt zwischen den Apartments von Freunden und Airbnb-Wohnungen.

Der Mann, für den die Zahl 15 Freiheit, Spontanität und Unabhängigkeit bedeutet, ist das eine Extrem. Das andere: ein Leben im absoluten Überfluss. Sobald ich Instagram, Youtube oder Snapchat öffne, sehe ich Bloggerinnen, die irgendwelche Produkte in die Linse halten und vor laufender Kamera ihre Pakete, Goodie-Bags und sonst welche Samples „unboxen“. Das sind Blogger, die nicht nur für sich in ihrem Überfluss schwelgen, sondern vor allem auch den kleinen Kiddos, die ihre Videos und Fotos anschauen, eine (in meinen Augen!) falsche Idee vom Leben vermitteln. Nämlich: Mehr, mehr, und noch mal mehr. Konsum, Konsum, Konsum.

Doch so wie diese Art des Überflusses letztlich nur der Vermarktung von bestimmten Marken und Produkten dient, ist die Idee des minimalistischen Lebens leider nicht viel besser. Auf dem Markt, auf Blogs und in Magazinen sind in den vergangenen Jahren tausende Self-Help-Gurus, esoterische Ratgeber und Apps für besseres Ressourcen-Management aufgetaucht. Wodurch, man kann es nicht anders sagen, der Minimalismus selbst wieder zum Konsum wird. Wir sollten uns also erst mal 100 Bücher und bestimmte Ratgeber kaufen, um dem „Magic Cleaning“ in unserem Leben überhaupt eine Chance zu geben? Kann mir jemand den Sinn erklären?

Zwei Lebensarten in Extremen

Minimalismus auf der einen, Überkonsum auf der anderen Seite – und was ist, wenn ich mich weder bei den Selfhelp-Gurus, noch bei den Modebloggern sehe? Denn bei mir findet man weder eine „Capsule Wardrobe“, noch kaufe ich meine Kleidung komplett fair ein oder habe bereits meinen tieferen Lebenssinn erforscht. Jede größere Anschaffung (für den studentischen Geldbeutel also über 10 Euro, haha) wird meist drei Mal überschlafen, Impulskäufe gibt es kaum, vielmehr shoppe ich mich von einem virtuell gefüllten Warenkorb zum anderen und lösche sie dann wieder einen Tag später. Möbel-technisch muss meine Wohnung auch bitte so spärlich wie möglich eingerichtet sein, aber ich bin ehrlich: nicht aus Gedanken an ein minimalistisches Leben, sondern weil mehr Möbel schlichtweg mehr Putzen bedeuten.

Wo bleibt das Mittelmaß?

Und nein, ich möchte kein Moral-Prediger, belehrend oder sonst was sein. Ich bewundere Menschen, die sich von ihrem ganzen Hab und Gut und auch positiven sowie negativen Erinnerungen an ihre Vergangenheit lösen können. Doch bleibt für mich die Frage: Müssen wir uns dafür auf Teufel komm raus an eine magische Zahl festklammern, uns dadurch Druck aufbürden anstatt das Bewusstsein für einen nachhaltigeren Konsum mit der Zeit wachsen zu lassen? Und, wenn die Gründe erst mal rein praktisch sind, beispielsweise weniger putzen oder waschen zu müssen – Können wir nicht ganz einfach ein Mittelmaß finden und selbst entscheiden: Was habe ich und was brauche ich tatsächlich? Denn, sorry, nachhaltiges und ballastfreies Leben hin oder her: Meine Fotoalben aus der Kindheit würde ich für keine Zahl der Welt wieder hergeben.

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