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Warum es in Zeiten von #Metoo so wichtig ist, Monica Lewinsky zuzuhören

1998 wurde die Affäre zwischen dem damaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton und Monica Lewinsky bekannt. Gerade in Zeiten von #Metoo lohnt es sich, Lewinskys Seite der Geschichte zuzuhören.

 

#Metoo 1998 

20 Jahre ist es nun her, dass die damals 25-jährige Monica Lewinsky durch eine Affäre mit dem zu dieser Zeit amtierenden amerikanischen Präsidenten Bill Clinton unfreiwillig weltweite Berühmtheit erlang. Ich war damals acht Jahre alt, deutlich zu jung, um hier in Deutschland wirklich etwas von den Ereignissen in den USA mitzubekommen. Und doch war Monika Lewinsky mir immer ein Begriff: die Praktikantin im Weißen Haus, die dem amerikanischen Präsidenten einen Blowjob gab. Was ein Blowjob war, wusste ich wahrscheinlich noch nicht. Und was Feminismus ist, auch nicht.

Von Monica Lewinskys Geschichte kann man aber sehr viel darüber lernen, was Feminismus wirklich bedeutet. Das zeigt ein neuer Essay der heute 44-Jährigen, den sie für die amerikanische Vanity Fair geschrieben hat.

Eine Affäre, die ein Leben zerstörte 

In diesem Essay spricht sie offen über die Zeit nach dem Bekanntwerden der Affäre und die öffentliche Hölle, durch die sie gegangen ist

„Bei mir wurde vor mehreren Jahren eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, hauptsächlich davon, öffentlich geoutet und geächtet worden zu sein. Meine ,Trauma-Entdeckungsreise‘ war lang, hart, schmerzhaft und teuer. Und sie ist nicht vorbei.”

Das, was Lewinsky nach den Enthüllungen über ihre Affäre mit Clinton durchmachen musste, kann man sich kaum vorstellen. Bis heute, so schreibt sie, vergeht kein Tag, an dem nicht irgendjemand, irgendwo auf der Welt online über sie schreibt. Sie wird in zahllosen Filmen und Serien als Referenz benutzt. Und tatsächlich gibt es Menschen, die sich an Halloween als „White House Intern Monica Lewinsky” verkleiden. 

All das, wegen einer Beziehung, die sie als Anfang-20-Jährige eingegangen ist. Ich möchte heute nicht einmal mehr mit Facebook-Posts, die ich mit Anfang 20 gemacht habe (dank der „An diesem Tag”-Funktion werde ich allerdings immer wieder daran erinnert) in Verbindung gebracht werden. Monica Lewinsky muss sich bis heute für eine Entscheidung rechtfertigen, die sie als Anfang 20-Jährige getroffen hat. Ohne dass sie sich gegen die Vorwürfe, die ihr entgegenschlugen, wehren konnte:

„Wir haben uns die komplette Zerstörung einer jungen, unbekannten Frau – ich – angesehen, die sich auf Grund von gesetzlicher Isolation nicht verteidigen konnte.”

Das erste „Cyber-Bullying-Opfer”

All das passierte in einer Zeit, in der das Internet groß wurde. Lewinsky beschreibt sich selbst als das erste große „Cyber-Bullying-Opfer”. Zu einer Zeit, in der es noch keine sozialen Medien gab, dafür aber Foren und eine sich erst entwickelnde Online-Öffentlichkeit, ohne dass es schon ein breites feministisches Unterstützungsnetzwerk gab, das heute, dank der sozialen Medien, oft global füreinander da sein kann. Lewinsky hingegen war fast völlig allein mit ihren Erfahrungen:

„Isolation ist so ein starkes Mittel für den Unterdrücker. Und trotzdem glaube ich nicht, dass ich mich so alleine gefühlt hätte, wenn das alles heute passiert wäre.”

Denn, so Lewinksy in ihrem Essay, #Metoo und #Timesup, hätten ihr gezeigt, wie stark die Unterstützung unter Frauen mittlerweile ist: „Eine der inspirierendsten Aspekte dieser neuen Bewegung ist die unglaubliche Anzahl an Frauen, die sich zur Unterstützung anderer Frauen zu Wort gemeldet haben.” Und damit zu einer öffentlichen Stimme geworden seien. Auch wenn Lewinksy, die sich selbst seit Jahren für Opfer von Cyber-Bullying einsetzt, durchaus bewusst ist, dass soziale Netzwerke auch dunkle Seiten haben.

Was der Feminismus von Lewinksy lernen kann 

Lewinskys Text kommt genau zu richtigen Zeit, um daran zu erinnern, welche Kraft durch #Metoo losgetreten wurd – und wie wichtig es deshalb ist, den altbekannten Backlash dieses Mal nicht zuzulassen:

„,Es tut mir so leid, dass du so allein warst.’ Diese sieben Wörter öffneten mich. Sie wurden in einem privaten Nachrichtenverlauf an mich gerichtet, den ich kürzlich mit einer der mutigen Frauen hatte, die die #Metoo-Bewegung anführen. Irgendwie berührten mich diese Wörter (…) von ihr kommend auf eine Art, die mich quasi aufbrachen und zum Weinen brachten. Ja, ich habe 1998 viele Unterstützer-Briefe erhalten, und ja, Gott sei Dank, hatte ich die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde. Aber insgesamt war ich allein. So. Wahnsinnig. Allein. Öffentlich allein.”

Lewinsky spricht in ihrem Essay auch ausführlich über die Abstinenz von öffentlicher, feministischer Unterstützung zu ihrer Zeit. Sie reflektiert, das unglaublich starke Machtgefälle, zwischen ihr und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten. Und verdeutlicht damit einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir, wenn wir über Sexismus und sexualisierte Übergriffe und Gewalt sprechen, auch über Machtstrukturen sprechen. All das thematisiert sie, ohne dabei zu vergessen, anzuerkennen, dass ihre Erlebnisse nicht mit Erfahrungen sexualisierter Gewalt gleichgesetzt werden dürfen, denn ihre Beziehung beruhte auf einer konsensualen Entscheidung. Ihr Essay zeigt deshalb, wie weit umfassend die derzeitige Bewegung ist und wie wichtig genau das ist. Und sie erinnert uns daran, welche Aufgabe die feministische Bewegung heute hat.

#Timesup 

Stell dir vor, du bist eine junge Frau Anfang 20, mit einem Abschluss in Psychologie. Du machst ein Praktikum im Weißen Haus und hast höchstwahrscheinlich vor, Karriere zu machen. Und dann gehst du als „Amerikas Blow-Job-Queen” in die Geschichte ein. Du gehst nach London und machst deinen Master in Sozial-Psychologie in London. Du bist ambitioniert, intelligent und qualifiziert­ – und 20 Jahre später verkleiden sich Menschen an Halloween immer noch als „Monica, the white house intern with a big mouth”.  

Die feministische Bewegung ließ sie damals nahezu völlig allein – das darf uns heute nicht mehr passieren. Jedes Mal, wenn eine Frau wegen eines vermeintlich zu aufreizendem Outfit medial angegriffen wird, jedes Mal wenn über Frauen und nicht mit ihnen gesprochen wird, jedes Mal wenn ein „Sexskandal” der beteiligten Frau schadet und dem beteiligten Mann unberührt lässt, ist es unsere Pflicht uns zu Wort zu melden. 

Den sehr lohnenswerten Essay Monica Lewinskys findet ihr hier bei der Vanity Fair in voller Länge.

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