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Schwangerschaft, Geburt und Stillen: Warum ich gute Ratschläge so satthabe!

Unsere Community-Autorin Maggie kann es kaum fassen, auf welch absurde Weise Schwangere und Neu-Mütter mit schlauen Ratschlägen und vorgefertigten Meinungen bevormundet werden. Schluss damit, sagt sie und plädiert für mehr Selbstbestimmung.

 

Wozu einen Schwangerschaftsratgeber?

Jetzt aber mal schön der Reihe nach: Ich habe mir einen 
Schwangerschafts-Ratgeber gekauft. Direkt am gleichen Tag, an dem ich 
von unserem kleinen, großen Glück erfuhr. Mein Mann und ich haben mehrere durchgeblättert und uns dann für den Klassiker von GU entschieden. Und anfangs fanden wir das Buch echt toll. Jede Woche kann man darin nachlesen, wie sich das Baby gerade im Mutterleib entwickelt. Unglaublich spannend, was es alles in den ersten zwölf Wochen durchlebt. Danach wird es etwas ruhiger im Bauch. Das Baby hat alle lebenswichtigen Organe angelegt und muss ab dem vierten Monat eigentlich nur noch eines tun: wachsen, wachsen, wachsen. 


Und weil es nicht unbedingt spektakulär ist, jede Woche darüber zu berichten, wie es wächst, mussten sich die Autoren wohl etwas anderes einfallen lassen: Krankheiten. In ellenlangen und ausführlichen Absätzen beschreiben sie, welche möglichen Fehlbildungen auftreten können, welche Infektionen sich die Mutter gerade einfangen könnte oder was passieren würde, wenn das Kind nun auf die Welt käme (bis hin zu aktuellen, prozentualen Überlebenschancen-Angaben).

Überhaupt, so scheint es, müsse man sich dem Ratgeber zufolge als Schwangere am Besten zu Hause einigeln, bloß nicht auf die Idee kommen, in die Therme zu gehen (Bakterien! Keime!) und nur Unbedenkliches zu essen (am besten nur trockenes Brot!). An Absurdität kaum zu übertreffen finde ich den Vorschlag, schon mal zu Hause mit einer Puppe oder einem Teddy das Mama sein zu üben oder den Handschuh-Test an sich selbst durchzuführen, um zu schauen, ob der PH-Wert in der Scheide auch ja stimmt. Und gänzlich in die Ecke gepfeffert habe ich den Ratgeber, als er vorschlug, die Küchentücher, mit denen man Fläschchen abtrocknet, nicht nur kochend heiß zu waschen, sondern auch zu bügeln (!!!), weil so die Bakterienbildung minimiert wird.

Wer will so einen Quatsch lesen, wer will so etwas befolgen?

Wahrscheinlich die Frauen aus meinem Ex-Schwangerschafts-Gymnastikkurs. Eine Zeit lang ging ich jede Woche dort hin, schließlich will man ja fit bleiben. Und anfangs fand ich es schön, sich so rege mit anderen auszutauschen – ganz anderes als in meinem Schwangerschaftsyoga-Kurs. Dort sitzen nämlich alle mucksmäuschenstill auf ihren Matten und reden kein Wort miteinander.

Nicht so bei der Gymnastik. „In welcher Woche bist du? Wo wirst du entbinden? Welche Hebamme hast du? Kannst Du einen guten Kinderarzt empfehlen?“ Alles netter Schwangeren-Smalltalk. Doch die Stimmung kippte irgendwann. Plötzlich wurde jede Woche nur über Negatives geredet. Immer war etwas anderes, Böses auf dem Radar der Schwangeren: In der einen Woche waren es Maxi Cosis (total ungesund für das Neugeborene!), in der anderen Puck-Schlafsäcke (tödlich!), dann wiederum ging es darum, ob Forellen aus Bächen für Schwangere unbedenklich zu essen seien (natürlich nicht!) und wie viel Bewegung des Kindes im Bauch „normal“ sei (nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig!). Es wurde regelrechte Panik verbreitet. Und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und schmiss den Kurs.

Ich möchte meine Schwangerschaft genießen!

Seitdem geht es mir viel besser. Ich möchte nämlich nicht von solchen Panik-Schwangeren umgeben sein, sie tun mir einfach nicht gut.

Ich möchte meine Schwangerschaft genießen und vor allem als einen völlig natürlichen Vorgang meines Körpers betrachten, der von ganz alleine rund läuft, ohne dass ich mir Sorgen um irgendwelche Eventualitäten machen muss, bevor sie überhaupt eintreten. Ich möchte locker und relaxed bleiben, und sehe überhaupt keinen Anlass, das nicht zu sein.

Gleiches gilt übrigens für die Geburt. Auch hier ist man als Schwangere nicht vor Panikmache gefeit. Ganz im Gegenteil: Überall lese und höre ich nur Horror-Storys. Vor allem, wenn ich Leuten erzähle, dass ich in einem Geburtshaus entbinden möchte, hat jeder DIE eine Geburtsgeschichte für mich, bei der es im Geburtshaus garantiert schief gegangen wäre. Dass viele Komplikationen in einem Geburtshaus gar nicht auftreten, weil hier ganz anders verfahren wird als in einem Krankenhaus, bedenken nur die wenigsten. Überhaupt: Fast niemand, den ich kenne, hat sich ein Geburtshaus je von innen angesehen. Und hat trotzdem eine vorgefertigte (natürlich negative) Meinung darüber.

Schwangerschaft und Geburt als völlig natürlicher Vorgang

Ich sehe die Geburt hingegen als einen völlig natürlichen Vorgang meines Körpers, genau wie meine Schwangerschaft.

Ich vertraue meinem Körper zu 100 Prozent, was sicherlich daran liegt, dass ich bereits so 
lange natürlich verhütet und mir in dieser Zeit so viel Selbst- und Körperbewusstsein erarbeitet habe.

Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass mein Körper ganz genau weiß, was er wann zu tun hat und meine kleine Tochter heil und sicher auf die Welt bringen wird. Ich freue mich sogar auf die Geburt! Auch das scheint unüblich zu sein, habe ich doch neulich auf einem Blog folgenden Satz in einem sehr schönen Geburtsbericht gelesen: „Ich freute mich fast auf die Geburt“. Als wenn es etwas total Schlimmes sei, was man nur verschämt hinter vorgehaltener Hand sagen dürfte.

Aufreger-Thema: Stillen

Da kommen wir auch direkt zu meinem nächsten Aufreger-Thema: Stillen. Und um es gleich vorab zu nehmen: Nein, ich werde nicht stillen.

Auch wenn das viele Menschen vielleicht schockiert, gerade weil ich ja sonst so ein Natürlichkeits-Fan bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich ALLES machen muss, was natürlich ist oder als natürlich empfunden wird. Nachdem ich alle Vor- und Nachteile des Stillens für mich persönlich abgewogen habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, nicht stillen zu wollen, basta. Vielleicht finden das einige egoistisch (mein armes, armes Flaschen-Kind, ich weiß), aber das ist mir ehrlich gesagt schnurzpiepegal:

Es ist mein Körper, mein Kind und meine Entscheidung.

Doch schon jetzt muss ich mich ständig dafür rechtfertigen. Neulich beim Ambulanzgespräch im Krankenhaus zum Beispiel (dort bin ich für den Notfall angemeldet). Ich musste explizit die Gründe angeben, warum ich nicht stillen möchte, angeblich aus statistischen Gründen. Ich tat brav, was man mir befahl, ärgerte mich aber im Nachhinein sehr darüber. Müssen Frauen, die stillen wollen, auch angeben, warum? Ganz sicher nicht.

In einem weiteren Ratgeber-Buch, das sich mit Babys erstem Jahr beschäftigt, habe ich zudem gleich auf den ersten Seiten folgendes gelesen:

„Sie wollen nicht stillen? Vielleicht findet sich doch eine Möglichkeit, wenigstens zwei bis drei Wochen zu stillen.“

Ähm danke, aber nein danke. Ich habe es mir bereits gut überlegt und ändere meine Meinung ganz sicher nicht, bloß weil so ein oller Ratgeber mir das suggeriert.

Auch wenn ich Mama-Foren durchstöbere, fällt mir auf, dass sich Frauen sofort im nächsten Satz dafür rechtfertigen (müssen), wenn sie nicht stillen. Sie schreiben dann „Stillen hat leider nicht geklappt“ oder „Ich hatte nicht genug Milch, bitte nicht weiter nachfragen.“ OMG. Ich bin wirklich sprachlos, wenn ich das lese. Und mindestens genauso genervt davon, dass es überall heißt „Stillen ist das Beste für Ihr Baby“ und man zum Beispiel auf der Website eines Säuglingsnahrungsherstellers ständig bestätigen muss, diesen Hinweis gelesen zu haben. Ist ja gut, ich habe es verstanden. Und mich trotzdem dagegen entschieden.

Das Erschreckende ist: Viele scheinen bereits so davon eingenommen zu sein, was andere ihnen raten, dass sie es schlicht und einfach verlernt haben, intuitiv und nach eigenem Ermessen zu handeln – aus purer Angst etwas falsch zu machen:

„Man hat mir gesagt, ich solle mein Neugeborenes alle drei Stunden füttern. Es hat aber nur alle vier Stunden Hunger. Was soll ich tun?
“

Das habe ich mir ganz ehrlich nicht ausgedacht, sondern genau so in einem Forum gelesen.

Das Ratgeber-Baby-Buch landete übrigens auch gleich wieder in der Ecke, nachdem ich den Info-Kasten „Speziell für Väter“ zum Thema Wochenbett entdeckte:

„Es mag sein, dass Sie Ihre Frau in den Wochen nach der Entbindung nicht wiedererkennen. Vielleicht kommt es Ihnen zeitweilig vor, als hätten Sie zwei Babys im Haus.“

Say what?! Ich verbitte mir wirklich, mich – egal wie es mir im Wochenbett geht – als BABY bezeichnen zu lassen. Eine absolute Frechheit. Für mich hat sich damit das Thema Ratgeber endgültig erledigt. Auch Erziehungsratgeber kommen mir später nicht ins Haus.

Ich werde weiterhin alles so selbstbestimmt und intuitiv entscheiden wie bisher, ich brauche wirklich niemanden, der mir da reinredet (na ok, vielleicht noch meinen Mann). Und in der Zwischenzeit genieße ich die selige Verschwiegenheit meiner Yoga-Gruppe. Om.


Dieser Artikel ist zuerst auf Maggies Blog auf meinem Blog We are the Ladies erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch bei uns veröffentlicht.

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