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Single sein ist scheiße – das muss man sich nicht schönreden

In ihrer Thirtysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche darüber, dass man nicht alles schönreden muss.

Erleuchtung durch das Singledasein? Na, bravo!

Single zu sein nervt. Singledasein bedeutet nämlich, dass man abends nach Hause kommt und da ist dann keiner – und das dummerweise genau an den Abenden, an denen man dort gerne jemand getroffen hätte. Jemanden, mit dem man gemeinsam einschlafen und ganz private Gedanken, vielleicht sogar das Leben teilen kann. Es nervt, weil man wieder angeschaut werden möchte als sei man der einzige Mensch auf der Welt, und der schönste, wobei das ja dann Hand in Hand gehen würde. Und Single zu sein nervt, wenn man Bock auf Sex hat, zumindest wenn es sich um solchen Sex dreht, den man nur mit jemandem haben kann, dem man sich sehr nahe fühlt. Ja, das alles ist einfach ätzend, weil sich einsam fühlen ätzend ist und einsam kann man eben auch sein, wenn man Freunde und Familie hat. Denn auch wenn hier viel Liebe herrscht, diese eine Lücke, die in Herzform, die können sie eben nicht füllen.

Und weil sich das scheiße anfühlt, ist es Quatsch, den Singelstatus zu heroisieren und das Alleinsein als die per se bessere Lebensform auszurufen, weil man sich da endlich selber finden kann – so las sich sinngemäß ein Facebook-Post, der in dieser Woche in meinem Feed auftauchte. Da kann ich nur heftig nicken. Single zu sein ist scheiße, wenn man nicht Single sein will. Und eine „bessere Lebensform als“ ist sowieso Quatsch, weil das mit dem Leben und wann es sich gut anfühlt, jeder für sich entscheiden muss. Besonders die Idee vom „finde dich erstmal selbst, sonst findet dich keiner“ stieß der Verfasserin auf, denn schließlich würde es genug verkorkste Menschen geben, die in einer Beziehung sind. Kennt man ja auch von sich selbst. Stimmt, wenn es danach ginge, hätte es in meinen Teenager-Jahren keine Liebe für mich geben können. Und hinterher vielleicht auch nicht. Die gab es aber und sie gibt es. Alles richtig – und doch muss ich sagen, hat das eine eben nicht so wahnsinnig viel mit dem anderen zu tun bzw. wird meiner Meinung nach etwas viel in einen Topf geworfen.

Ist eine Beziehung immer Glückssache?

Die Liebe findet man vielleicht auch mit einer ramponierten Seele, eine gesunde Beziehung aber sicherlich nicht – sollte man das losgelöst voneinander betrachten? Und ja, „liebe dich selbst, sonst liebt dich keiner“ ist platt, auch schwingt Schuldzuweisung mit, die da nicht hingehört. Aber dennoch ist es wichtig, sich selbst zu mögen und lieben zu lernen und häufig kommt das in Single-Phasen. Weil man sich in diesen fast zwangsläufig noch einmal anders kennenlernt, weil man sich nach gescheiterten Beziehungen noch einmal anders ansieht, vielleicht hinterfragt und sich Zeit nimmt, die sonst mit anderem, jemand anderem, seinen, ihren, euren Belangen gefüllt wäre. Genau deshalb ist der Singlestatus so prädestiniert für die Auseinandersetzung mit sich selbst, für eine Entwicklung, die Richtung Selbstliebe führt. Und das nicht, um sich heiratsfähig zu machen, sich zu optimieren, damit die Liebe endlich wiederkommen kann, sondern weil es ein ganz natürlicher Impuls ist.

Die bessere Beziehung mit anderen ist dabei doch eher ein Nebeneffekt. Vor allem führt es eben dazu, dass man besser mit sich alleine sein kann – was wiederum frei macht und einen sich wohlfühlen lässt. Weil man niemanden an seiner Seite braucht, auch wenn man sich vielleicht jemanden wünscht – ein gravierender Unterschied. Bei dem prüfenden Blick auf sich selbst und ja, auch bei dem Ausruf der positiven Seite des Singledaseins, geht es doch nicht um eine eklig-klebrige Ratgeber-Kultur, die uns dazu getrimmt hat „besser“ zu werden, sondern darum, sich selbst zu checken, vielleicht überhaupt erst kennenzulernen und ja, auch sich (endlich) zu lieben. Ich finde einfach keinen Fehler an einem Konzept, dass mit der Liebe zu sich selbst zu tun hat. Und selbst wenn man in diesen Zustand kommt, dann hat das Finden von gegenseitiger Paarliebe natürlich immer noch mit einer Sache zu tun: richtig fett Glück zu haben. Weil das eben nicht selbstverständlich ist.

Aufpolieren für den Heiratsmarkt

Selbstliebe und Selbstverständnis sind nicht die Idee von einem Aufpolieren für den Heiratsmarkt, sondern ein Aufpolieren dessen, was ich mein eigenes Leben nenne. Sich selbst kennenlernen heißt ja auch (leider) nicht zwingend, dass man verändert, was man erkannt hat. Es heißt vielleicht auch nur, dass man schmunzeln muss, wenn man mal wieder so reagiert, wie man reagiert, weil man das nun bewusst miterlebt – oder sich besser anderen erklären kann, wenn man vielleicht auch mal wieder richtig Bockmist gebaut hat. Oder man verändert wirklich was. Ist das schlecht? Nein, denn die Liebe mag ohne Worte auskommen und kann Schlaglöcher ignorieren, eine Beziehung braucht aber meist mehr Kommunikation als wir ihr geben und muss etwas über diese Schlaglöcher wissen. Das hilft ja nicht nur der Paarbeziehung, sondern auch Freundes- und Familienbeziehungen, deren Liebe uns im Leben genauso begleitet – zumindest, wenn man Glück hat.

In dem Sinne: Ja, Single zu sein fühlt sich manchmal scheiße an, nein, Singles sind nicht am Singledasein schuld und doch, eine Singlephase kann auch ziemlich schön sein – nämlich dann, wenn man eine gute Beziehung zu sich selbst hat.

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