Foto: Christopher Campbell | Unsplash

Wenn das Leben zu schwer wird

Was passiert, wenn ein*e gute*e Freund*in sich gegen das Leben entscheidet?

 

Die Nachricht erreichte mich morgens. Ich schaltete das Handy an und unter Müdigkeit las ich die Nachricht: “X ist tot…” Bis ich die Nachricht verstand, dauerte es ein paar Minuten. Dann, als ich es kapierte, wurde mir schlagartig kotzübel.

Neue Erfahrung, Alte Gefühle

Ich hab das alles schon eimal erlebt. Ein guter Bekannter hat das Leben nicht mehr ertragen und sich dagegen entschieden. Es erschlug mich. Was für Schmerzen nötig sein müssen, sich für eine solche Entscheidung zu entschließen, kann ich mir nur ansatzweise vorstellen. In meinem Leben gab es eine Zeit, da wusste ich nicht, wo unten und oben ist. In dieser Zeit habe ich ganz rational darüber nachgedacht, warum ich weitermachen sollte, wenn nach jedem kurzzeitigen guten Tag/Gefühl etc. das Leben mir dafür mit doppelter Ladung erneut eins überzieht. Nach langem ernsthaften darüber nachdenken habe ich mich dafür entschieden. Aus vielerlei Gründen.

Nun hat die Person, deren Namen ich nicht nennen werde, entschieden, dass es für sie keinen Sinn mehr gibt. Sie hat die härteste Entscheidung getroffen, die es im Leben vielleicht zu treffen gibt. Und hat es beendet. Was bleibt übrig?

Alte Fragen und die Wut

Die Freundin, die mir die Nachricht geschickt hatte, telefonierte anschließend lange mit mir. Am Ende sprach sie von dem Blog der Person, auf dem ein Abschiedsbrief stand. Ich öffnete den Blog und las.

Für die Person ergab das Leben keinen Sinn mehr. Sie wollte die Schmerzen beenden, für sich und jene, die sie den anderen Personen ständig erneut zufügte. Für sie sei “kein Platz auf dieser Welt”.

Ich habe lange überlegt, ob es richtig ist, einen solchen Text hier zu schreiben und zu veröffentlichen. Denn es geht nicht um mich aber ich bin ja diejenige, die genau diesen Text schreibt. Ich kannte schon ein paar Personen, die jetzt in einer anderen Sphäre sind. Und doch weckte der Trauerfall, der bewusst entschieden war, noch mehr als Trauer, Verlustgefühle und Verzweiflung. Ich spürte und spüre auch jetzt eine imense Wut.

In welcher Welt leben wir?

In welcher Welt leben wir, in der manche Menschen denken, sie wäre ohne sie besser dran? Warum besteht diese Gesellschaft aus Strukturen, die Menschen, die nicht konform laufen, kleinzuhalten  versuchen? Und warum wird Andersartigkeit nicht als Chance und Möglichkeit gesehen, eine wundervolle bunte Welt zu ermöglichen? All solche und noch viel mehr Fragen spuken mir seit der Nachricht im Kopf herum und ich frage mich, was ich tun kann?

Ich bin ernüchtert und erschrocken. Und sehr traurig. Ich wollte mit der Person jetzt im Februar mal wieder sprechen, da hätte sie Geburtstag gehabt. Und ich bereue es, mir ewig Zeit gelassen zu haben. Aber all diese egoistischen Gefühle meinerseits sind nicht das Tragische. Das Tragische ist, dass ein Mensch, der anders gelebt hat, als es “normkonform” war und der psychisch angeschlagen war, dachte, dass es ohne sie besser sei, als mit.

Für mehr Menschlichkeit und Offenheit

Im Alltag gehen viele Dinge unter. Und wir wissen nie, welches Gepäck unser Gegenüber mit sich herum trägt. Genau darum sollten wir bedacht mit Worten und achtsam miteinander umgehen. 

Ich wünsche ich könnte sie noch einmal in den Arm nehmen. Ich wünsche ihr sehr, dass sie dort, wo sie nun ist, angenommen wird und dass es ihr besser geht. Für mich ist es ein Verlust und es rüttelt wach. Und ich bin sehr dankbar, dass ich sie kennenlernen durfte. Du wirst mir sehr fehlen. R.i.P

Anzeige