Foto: US Department of State

Angelina Jolie: „Flüchtlingspolitik muss auf Fakten beruhen, nicht auf Angst”

Die realen Konsequenzen des Muslim Bans, der vorerst gekippt wurde, für Flüchtlinge wären schrecklich. Daran erinnert nun Angelina Jolie in einem aufrüttelndem Essay.

 

Angelina Jolie: Eine wichtige Stimme für Geflüchtete 

Seit 2012 ist die Schauspielerin Angelina Jolie Sondergesandte des Hochkommissariats für Flüchtlinge der UN.  Wie ernst sie ihre Rolle nimmt, zeigt ein Essay zur Flüchtlingspolitik der USA, welches die Schauspielerin und Aktivistin vergangene Woche in der New York Times veröffentlicht hat. In dem Essay erinnert Angelina Jolie an die Grundwerte der amerikanischen Flüchtlingspolitik. Ihr Aufruf, der auch uns hier in Europa nachdenklich stimmen sollte: Flüchtlingspolitik muss von Fakten, nicht von irrationalen Ängsten bestimmt sein.

„But our response must be measured and should be based on facts, not fear.”

Als Begründung für den, von Präsident Donald Trump verhängten „Muslim Ban” musste die Angst vor Terror herhalten. Eine Argumentation, die immer wieder auch die europäische Abschottungspolitik emotional rechtfertigt. Wer aber sind die Flüchtlinge, die wir deshalb abweisen? Angelina Jolie erinnert gleich zu Beginn ihres Essays daran: Flüchtlinge sind Männer, Frauen und Kinder, die in den Grausamkeiten eines Krieges, oder dem Fadenkreuz religiöser Verfolgung gefangen sind. Fast immer nicht Terroristen, sondern im Gegenteil, selber Opfer des Terrorismus.

„Refugees are men, women and children caught in the fury of war, or the cross hairs of persecution. Far from being terrorists, they are often the victims of terrorism themselves.”

Und eben diese Menschen abzuweisen, steht laut Jolie, im Gegensatz zur US-amerikanischen Geschichte, in der Amerika immer gefährdeten Flüchtlingen Schutz und eine neue Heimat geboten hat. Dieser Tradition bewusst sollte die Flüchtlingspolitik der USA auf Grund von Fakten und eben nicht von der Angst vor Terror bestimmt sein. Dabei räumt sie ein, dass die Debatte um sichere Grenzen auch aus ihre Sicht berechtigt ist. Als Mutter von sechs Kindern, von denen drei adoptiert sind, will sie für die Sicherheit einstehen, dass geflüchtete Kinder immer die Chance haben werden, in den USA Schutz zu finden. Eine Sicherheit, die im Angesicht des Muslim Bans, der auch Kinder der sieben muslimisch geprägten Länder, die auf der Einreiseverbotsliste stehen, an der Einreise hindert, nicht mehr gegeben wäre.

Fakten gegen Angst

Um zu zeigen, wie unnötig die Angst davor ist, dass mit Flüchtlingen automatisch auch Terroristen in den USA einreisen können, beschreibt Jolie im Essay deshalb auch wie genau Flüchtlinge durchleuchtet werden, bevor man sie nach Amerika einreisen lässt.

„Refugees are in fact subject to the highest level of screening of any category of traveler to the United States. This includes months of interviews, and security checks carried out by the F.B.I., the National Counterterrorism Center, the Department of Homeland Security and the State Department.”

Wie absurd die Behauptung ist, Terroristen könnten einfach so in die USA einreisen, zeigte auch die Komikerin Samantha Bee vor gut einem Jahr in einem Video.

Im folgenden Abschnitt ihres Essays macht Jolie genau das, was am besten gegen die Angst vor Terrorismus hilft – sie nennt die Fakten: Nur sehr gefährderte Flüchtlinge werden überhaupt zur Einreise zugelassen. Nur ein Prozent der Flüchtlinge weltweit wird überhaupt in den USA oder sonst einem anderen Land aufgenommen. Von den 65 Millionen Flüchtlingen weltweit leben neun von zehn in armen oder mittleren Ländern, nicht in reichen Industrienationen wie den USA oder auch Deutschland. Allein in der Türkei leben 2,8 Millionen syrische Flüchtlinge, in den USA haben seit 2011 nur 18.000 Syrer überhaupt angekommen. Fakten, die eigentlich nicht neu sind, die aber auch in Diskussionen mit deutschen Flüchtlings-Gegnern immer wieder Erwähnung finden sollten.

„It is simply not true that our borders are overrun or that refugees are admitted to the United States without close scrutiny.”

Was für ein Land wollen wir sein?

Was für ein Zeichen sendet die USA also, wenn sie sich entscheidet Flüchtlinge auf Grund ihrer muslimischen Religion unter Generalverdacht zu stellen? Ein verheerendes, ist sich Jolie sicher. Denn, wenn die USA Muslime generell nicht aufnimmt, kreieren und unterstützen sie eine zwei Klassengesellschaft für Flüchtlinge, in der Muslime weniger wert sind. Genau das kann dann wiederum Extremisten in den USA und in den jeweiligen Heimatländern stärken, die die Degradierung als Grund für ihren Terror anführen können. Außerdem spalte man, so Jolie, damit auch die amerikanische Gesellschaft selbst, in der Muslime eine wichtige Gruppe sind. Jolie erinnert daran, dass der Kampf gegen den Terror immer dann schlimmere Ereignisse produziert hat, wenn die USA ihre Werte für vermeintliche Sicherheit aufgegeben haben.

Was also muss getan werden? Angelina Jolie ist sich sicher: Nicht die Flüchtlinge, die Opfer müssen bekämpft werden, sondern die Quellen des Terrors. Gegen den müssen wir uns alle gemeinsam vereinigen – unabhängig von unserem Hintergrund und unserem Glauben. Und diese Vereinigung sollte jeder Präsident der USA anführen.

Jolies Plädoyer für faktenbasierte Entscheidungen verdient gerade im Anbetracht des Bundestagswahlkampfes dieses Jahr auch in Deutschland Beachtung. Populisten mit Fakten widerlegen – klingt ziemlich logisch, oder?!

Das gesamte Essay könnt ihr in der New York Times nachlesen.

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