Foto: Benita Grosser

Benita Grosser über das Projekt #bridgestohumanity, und warum Yogis vor G20 Haltung zeigen sollten!

Benita Grosser (48) ist Sivananda-Yogalehrerin und Künstlerin. Mit ihrem Mann Immanuel (57) hat sie im Jahr 2000 das Studio Y8 in Hamburg-Eimsbüttel gegründet. Die erfahrene Yogini macht seit dreißig Jahren Yoga, trägt den spirituellen Namen Sita und ist Mutter von Nitya (21) und Narada (14). Kurz vor dem G20-Gipfel in Hamburg lädt sie im Rahmen des Projekts #bridgestohumanity Donnerstag (6. Juli) um sieben Uhr Yogis aller Traditionen und Level zu einer 60-minütigen Yogastunde auf die Kennedybrücke ein. Im Interview spricht sie über die Kunst-Aktion, das Potential von Müttern für den Weltfrieden und ihren größten Wunsch für Hamburg vor und während der konfliktreichen Tage …

 

Liebe Benita, wie bist du auf die Idee zu #bridgesofhumanity gekommen?

Die entstand mit meinem Mann und ein paar engen Schülern von uns zusammen. Uns war klar, dass wenn Trump und Co. zu uns in die Stadt kommen, wir das nicht so unbeantwortet stehen lassen können. Wir fühlten eine Verantwortung, Haltung zu zeigen, nicht einfach tatenlos zuzusehen oder gar die Stadt zu verlassen…


Was möchtest du mit dem Projekt erreichen?

Dieses Projekt versteht sich nicht als Gegenprotest oder als Kritik gegenüber dem G20. Das Treffen als solches kritisieren wir nicht, da es zunächst ja gut ist,
wenn Menschen zusammentreffen, um sich über das Weltgeschehen
Gedanken zu machen, wenngleich man das auch etwas unaufwendiger machen
könnte, denke ich inzwischen. Hamburg ist bekannt für seine vielen Brücken und die Brücke ist ja ein wunderbares Symbol der Verständigung, des „aufeinander zugehens“ und diese Einstellung operiert wie ein „Wunsch“ dem wir dem G20 Treffen gegenüber haben. Er steht natürlich im Kontrast zu
Trumps Haltung. #bridgestohumanity ist ein kreatives Projekt, kein
politisches. Das ist wichtig auseinanderzuhalten.


Warum sollten die Teilnehmer eigentlich mit einem gelben Kleidungsstück oder ganz in Gelb kommen?

Ganz in gelb ist falsch verstanden. Wir wollten einfach für die Aktionen auf den Brücken eine Art „Erkennungsmerkmal“, und gelb steht einfach für Licht, für
Positivität. Es reicht ein kleines Accessoire.


Ist #bridgestohumanity eine politische Aktion?

Nein, eben nicht. Wir sind Künstler und wir wollten einen kreativen Beitrag leisten, da wir auf dem Gebiet sozusagen Profis sind und uns fehlte auch bei den Protest-Aktionen dieses kreative Element. 


Findest du, dass Yogis auch öfters abseits der Matte mehr Haltung zeigen sollten?

Auf jeden Fall. Das war für uns eine entscheidende Inspiration, uns der Sivananda Tradition anzuschließen, denn Swami Vishnudevananda hat großartige, sehr mutige Friedensflüge weltweit in seiner kleinen Propeller-Maschine unternommen. Er wollte zeigen, dass Yoga mehr ist als „Beinchen hoch, Beinchen runter“ – es geht darum, einen Beitrag für den Weltfrieden zu leisten. Das war auch seine ursprüngliche Motivation für die Lehrerausbildung. Er wollte „peace maker“ ausbilden.


G20 sorgt durch sein Konfliktpotential und die drohende Gewaltwelle für Angst bei Unbeteiligten. Wie gehst du damit als Hamburger Mutter und Yogini um?

Ich lasse diese Angst nicht zu. Man kann nie wirklich sicher sein. Darum geht es auch gar nicht im Leben. Es geht darum, dass man sich in ethischem Verhalten übt. Und nicht Augen und Ohren verschließt, insbesondere dann, wenn einige Rechtspopulisten in die Stadt kommen. Verantwortlich ethisch handeln, dass ist für mich auch die entscheidende Inspiration als Mutter, dieses meinen Kindern beizubringen.


Gibt es eine Asana oder Übung, die uns besonders dabei helfen kann, Angst zu überwinden?

Gerade Asanas mit Schwung und Balance sind dafür gut. Wo man ein gewisses Risiko eingehen muss und nicht ganz kalkulieren kann, wie geht es aus? Wo man auch mal fallen und scheitern kann. Da gibt es eine ganze Latte, von Kopfstand, Handstand, Skorpion, bis zu den Arm und Beinbalancen …


Du bist Yogalehrerin, Künstlerin und Mutter – wie sieht deine Brücke zwischen diesen Rollen aus?

Manchmal etwas wackelig und Einsturz gefährdet, aber sehr vielschichtig und erkenntnisreich.


Die Welt gerät gerade gefühlt aus den Fugen. Wie können wir eine positive Zukunft für unsere Kinder kreieren?

Indem wir uns um unsere eigene Positivität kümmern. Das überträgt sich unmittelbar auf die Kinder.


Wie sieht da bei dir konkret aus?

Wenn ich morgens nicht meditiere und mit meinem Sadhana, meiner spirituellen Praxis, anfange zu schlampen, gerät auch das Familienschiff mehr und mehr ins Schwanken, weil ich gereitzter werde und dann beginnen die Fehler. Man ist dann auch kein Vorbild mehr. Ich finde wir haben regelrecht die
Verantwortung als Mutter, es ist eine soziale Verantwortung, uns um unseren inneren Frieden zu kümmern und ihn regelmäßig zu pflegen. Wie Zähneputzen, macht man ja auch jeden Tag  – sollte man zumindest (lacht). Und so ist es auch mit der Meditation. Und wenn ich dadurch achtsamer werde mit mir und meinem Umfeld ist die logische karmische Konsequenz: eine positivere Zukunft. Die Karmalehre aus dem Yoga ist da sehr aufschlußreich. Es lohnt sich, sich damit zu befassen.


Welche Rolle spielen wir Mütter in Sachen Weltfrieden?

Ich denke, eine sehr große. Krieg spielen ist nun mal genetisch mehr in den Männern angelegt. Jede Mutter, die eine Tochter und einen Sohn hat, kann diese
archaischen Unterschiede sehen. Naja, und wir bringen diese Männer schließlich zur Welt und können in unserer Erziehung ihnen mehr Unterscheidungskraft – Viveka –und Verhaftungslosigkeit – Vairagya – beibringen. Zwei essentielle Begriffe in der yogischenen Philosophie, die es zu praktizieren gilt.

In der indischen Tradition

wird die Mutter ganz klar als der erste Guru gesehen. Nicht der Vater,

die Mutter ist die tiefste Bindung in unserem Leben.

Daraus geht ein großes Potential für den Weltfrieden hervor, wie ich

finde. Der Weltfrieden fängt in der Erziehung an, von Stunde null,

schon in der Schwangerschaft. Das Kind bekommt schon sehr

viel mit in diesen neun Monaten, die Inder sagen, es sind die

wichtigsten neun Monate in unserem Leben, soweit würde ich vielleicht

nicht gehen, aber dennoch haben wir auch schon in diesen ersten

neun Monaten eine Verantwortung, was für Schwingungen wir uns aussetzen. Da gilt es achtsam zu sein.


Das Interview erschien zum ersten Mal auf MOMazing – Das Mama Yoga Love Mag.

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