Die Leih-“Tante”: Rettung aller Working Mums

Wo keine Oma oder Babysitterin in der Nähe ist, hilft sie: Die Leih-“Tante”. Kinderlose Freundinnen schickt oft der Himmel!

 

Heute ist wieder Montag. Montag ist Lizzy-Tag. Also für mich. Für Lizzy ist Montag Nachmittag der “Tante Clodette”Tag, wo sie zu ihrer “Tante” geht. Ich bin die Patentante von Lizzy. Und das ohne Verwandschaftsverhältnis. Ein cleverer Schachzug von Lizzys Eltern mich als ihre Patin auszusuchen: wir sind gut befreundet, wohnen in der Nähe, sind selbständig (also quasi jederzeit verfügbar 😉 und wahnsinnig kinderlieb.

Mein Sohn ist schon groß – 21 wird er. Ich bin in 2. Ehe verheiratet und meinem Mann und mir ist es leider nicht vergönnt gewesen nochmal Eltern zu werden. Drei Fehlgeburten. Das braucht kein Mensch. Also konzentriere ich mich jetzt voll auf Lizzy und helfe wo ich kann, ihrer Mutter sich nach der Elternzeit wieder in ihren Job einzuleben. Der Vater ist ja eh den ganzen Tag weg. Der freut sich höchstens, dass seine Frau ausgeglichen und vor neu erlangtem Selbstbewusstsein strotzend wieder als Berufstätige vor ihm steht und nicht nur als reines Muttertier abends entnervt das Balg hinhält.

Lizzy ist ein sehr lustiges Kind. Zwar sehr dickköpfig und wankelmütig, aber wer die Eltern kennt, wundert sich darüber nicht. Zum Glück kann ich damit wunderbar umgehen, denn die maximale Verweildauer bei mir liegt  bei höchstens 3-4 Stunden. Zeit in der wir total verrückte Sachen machen. Zumindest denke ich das. Für Lizzy ist es wahrscheinlich völlig normal die Waschmaschine einzuräumen, das Pulver einzufüllen und vor dem Ding zu warten, bis sich die Trommel das 1. Mal dreht. Oder Höhlen zu bauen. Aus Stühlen, Sofadecken und Kissen. So ganz geheuer war es ihr beim Richtfest  nicht, aber mit der Zeit ist sie regelrecht zu einem Höhlenjunkie geworden. Sie geht wie alle Frauen wahnsinnig gern einkaufen. Auch deshalb weil sie immer was bekommt. Meistens ist es was Buntes. Ob Fruchtzwerge (leider hat sie die Packung heute mit vollem Anlauf aus dem Wagen geschmissen, was mich dann dazu veranlasst hat zu der netten Regalauffüllerin zu gehen und sie zu bitten die Sauerei wegzuwischen. Ich hab gesagt ich hätte die Packung fallen lassen – irgendwie hab ich  mich dafür verantwortlich gefühlt.), Sandkastenspielzeug, Bilderbuch oder wie heute Russisch Brot (geil, das es das immer noch gibt – die Verpackung hat sich ÜBERHAUPT nicht geändert).

Wenn wir dann zuhause ankommen, packen wir alles unter größter Anstrengung (dieses Kind hat IMMER wahnsinnig viel zu tun und schleppt alles hin und her) und angeregter Unterhaltung (sofern möglich mit einem 16 Monate altem Kind) aus und weg. Weg ist aber doof. Am Besten muss man alles sehen. Oder auf den Tisch stellen. Um das Notwendige mit dem Nützlichen zu verbinden, setze ich sie also in ihren supermodernen und sehr stylishen Mobilkinderstuhl und präsentiere ihr die soeben erworbenen Lebensmittel, um sie zum Essen zu bewegen. Nach einer halben Stunde hat sie 1,5 Fruchtzwerge und MEINEN Lachs gegessen. Ihr mitgebrachtes, von Muttern liebevoll geschmiertes Leberwurstbrot esse dann halt ich. Kein Wunder, dass Mütter kleiner Kinder häufig unter Gewichtsproblemen leiden. Die müssen ja immer die Reste essen. Danach spielen wir. Und lesen. Und füttern meinen Hund mit Hundekeksen. Und stecken Schlüssel in Schlüssellöcher. Langsam fange ich an mir zu überlegen, was ich noch alles machen kann. Ah – das Büro. Ich gehe mit ihr in unser Büro. Ein Paradies für sie. Telefon, Fax, Computertastatur, Kataloge, Papierkorb. Am Ende sieht es aus, als ob eingebrochen wurde. Egal, Hauptsache das Kind bei Laune halten, denn diese geht so langsam aber sicher den Bach runter. Was gäbe ICH jetzt für einen Mittagsschlaf. Aber noch eine halbe Stunde bis Mama kommt -das MÜSSEN wir durchstehen. Natürlich haut sie sich in der halbe Stunde den Kopf an, zwickt einen Finger ein und fliegt über die Teppichkante. Sie brüllt und heult und ihre Augen sind rot und voller kugelrunder Tränchen. Meine einzige Sorge besteht darin, dass ihre Mutter das IRGENDWIE erkennt und mir nienienienie wieder ihr Engelchen aushändigt. Also gebe ich nochmal alles. Singen, Grimassen, streicheln, küssen. Ich glaube am Ende hat Lizzy Mitleid mit mir und beschließt zum Heulen aufzuhören. Danke. An Hinlegen und Ausruhen ist derweilen nicht mehr zu denken. Wir warten jetzt am Fenster auf Mama. Bei jedem weißen Auto, das vorbeifährt klatscht sie in die Hände. Und endlich, endlich klingelt es an der Tür. Lizzy kann ihre Erleichterung nicht verbergen. Sie ist völlig begeistert, als tatsächlich ihre Mama vor der Tür steht und winkt mir, kaum dass ich sie übergeben habe. Sie hört gar nicht mehr zum Winken auf. Ist ja gut – ich habs verstanden. Ihre Mama lacht sich kaputt – ich denke “Na toll. Da reißt man sich 3,5 Stunden den Allerwertesten auf und dann sowas!” Nein – denke ich natürlich nicht. Ich weiß wie unersetzlich ich für die Patenkindfamilie bin. Und was für eine mega win-win Situation das ist. Ich darf Mama spielen und meine Freundin darf sich sicher sein, dass ich ihr Kind so behandle und lieb habe, wie sie es sich wünscht. Und Lizzy? Die bekommt mindestens einmal die Woche einen Eindruck davon wie es woanders ist und dass es noch andere Menschen ausser Eltern und Großeltern gibt, die einem das kleine Menschenleben versüßen können. Wir haben natürlich die Luxussituation, dass ich mir die Zeit einteilen kann, aber selbst wenn ich geregelte Arbeitszeiten hätte, würde ich mir die Zeit nehmen. So ein Patenamt sollte man ernst nehmen. Schließlich haben sich die Eltern ja was dabei gedacht. Am Samstag machen wir zu fünft einen Ausflug. ALso quasi die ganze Lizzy Familie und ich und mein Mann. Das sind die modernen Großfamilien von heute.

P.S.: WhatsApp von der Mutter am Abend: “Sie ist natürlich noch vor der Ampel eingeschlafen und hat bis 15.30 gepennt. Hatte also noch voll entspannte 2,5 Stunden…”

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