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Gute Familie, schlechte Familie? Warum die Politik hier einfach nur konzeptlos ist

Versteht eigenlich noch irgendjemand die Logik hinter den Gesetzen, die Familien eigentlich schützen und unterstützen sollen? Da blickt ja keiner mehr durch – und zeitgemäß ist diese Familienpoltik auch nicht mehr.

Nach der Trennung: Gerechte Verteilung des Sorgerechts?

Es ist ja schon viel geschrieben worden über die ungerechte Behandlung von Eltern verheirateter (bekommen viel Unterstützung) und unverheirateter (bekommen wenig bis keine Unterstützung) Natur beziehungsweise über jene, alleinerziehend oder in neuer Partnerschaft leben. Aber wie sieht es wirklich aus und was bringt uns das? Verena Schulemann kommentiert die aktuelle Gesetzeslage.

1. Die Familienrechtssprechung, die besagt, Väter und Müttern sollen nach einer Trennung, dieselben Anteile der Sorge zufallen. Die Aufgaben sollen gerecht – der eine sorgt finanziell, der andere kümmert sich aktiv –  verteilt werden oder, noch einen Schritt weiter, wie die Väterrechtsgruppen fordern, der Umgang mit dem Kind soll gleich 50/50 aufgeteilt werden – und das gilt, ob verheiratet oder unverheiratet.

Ist ja schön, dass sich beide Eltern ums Kind kümmern sollen – aber gilt das nicht für Verheiratete?

2. Die Regierung und der Bundestag: Der jährlich 19 Milliarden Euro an Steuergeldern für das Ehegattensplitting bereitstellt, das ein traditionelles Muster pampert, während in einer Ehe, in denen beide arbeiten und beide Steuergelder zahlen, das nicht der Fall ist. Mal davon abgesehen, dass Unverheiratete davon sowieso ausgenommen sind.

Aber die kümmern sich doch auch …?!

3. Das Familiensteuerrecht, dass das Ehegattensplitting als Anreiz dafür einsetzt, dass Mütter nicht arbeiten müssen, obwohl sie das hinsichtlich ihrer Altersversorgung unbedingt machen sollten.

Das ist gut für die Männer, aber ist es auch gut für die Frauen?

4. Die Besteuerung von Alleinerziehenden, berufstätigen Müttern: Meistens haben sie Steuerklasse II, außerdem steht ihnen einen Entlastungsbeitrag zu. Allerdings nur, wenn sie WIRKLICH alleine sind. Gibt es neben ihren Kindern WG-Mitbewohnerinnen, die Schwester oder neue Partner, dann verfällt die günstige Steuerklasse und der Beitrag – denn, so die Argumentation, da haben sie ja noch einen, der sich mitkümmert (was ja oft gar nicht der Fall ist).

Warum Ehepartner dagegen belohnt werden, wenn sie zu zweit sind und sich kümmern, anstatt wie alleinerziehende bestraft, verstehe ich jetzt nicht. Irgendjemand, der das hier liest?

5. Nach der Scheidung: Während das Ehegattensplitting Eheleute beziehunsgweise den Besserverdiener und damit meistens den Mann in einer Ehe belohnt, bestraft es bei einer Scheidung die schlechter Verdienende – meist die Frau – dafür umso mehr. Auch wenn Kinder da sind, um die sich gekümmert wurde: Ab dem Alter des jüngsten Kindes von drei Jahren, so der deutsche Rechtsstaat, kann eine Mutter Vollzeit arbeiten und für sich selbst sorgen. Einen Anspruch auf Unterhalt hat sie damit nicht mehr – egal wie viel ihr Mann durchs Ehegattensplitting eingespart hat. Unterhalt fließt nur noch an die Kinder – wenn es denn kein Wechselmodell gibt, dann muss auch das nicht mehr gezahlt werden (weswegen immer mehr Männer Wechselmodelle fordern).

Wurde ihr erst gesagt, es ist besser, wenn sie zu Hause bleibt, steht sie jetzt doof, also leer da, und darf sich als Mutter und Geschiedene einen Job suchen. Viel Spaß und viel Erfolg …! Wenn sie dann einen Job hat, darf sie aber nicht mit jemanden zusammenziehen, denn dann muss sie mehr Steuer zahlen und verliert den Anspruch auf Entlastung.

Was lernen wir daraus? Sinn macht das alles nicht. Gerecht ist es schon gar nicht. Manche sagen sogar, es sein Kalkül, um das Schreckgespenst vom Alleinerziehendsein möglichst real sein zu lassen.

Okay, das haben wir verstanden: Der Staat und seine immer noch vornehmlich männlichen Abgeordneten haben anscheinend ein Interesse daran, dass die Menschen heiraten und benachteiligt die, die es nicht sind. Doch warum dürfen dann nicht alle heiraten? Wenn Homosexuelle sich verlieben, dann ist es ihnen untersagt. Ein Kind zu adoptieren sowieso. Warum? Das ahnen wir alle. Zeitgemäß ist das nicht.

Was will diese Familienpolitik?

Blicken wir mal zurück: Die schöne Ehe, die Hochzeit, all das ist mal eingeführt worden, um die Frauen zu schützen. Ehen wurden in der Regel arrangiert, es galt, sich einzufügen. Das passierte zu einer Zeit, in der Frauen nicht ARBEITEN KONNTEN – es war ihnen per Gesetz untersagt und Muttersein, beziehungsweise die Geburt das höchste Sterberisiko für Frauen darstellte. Wenn nicht schon beim ersten oder zweiten Kind , dann starben sie oft bei einer späteren Geburt oder den Folgen – es gab keine Narkosen, keine sterilen Operationen oder gar Gynäkologen. Auch keine Verhütungsmittel.

Die lebenslange Ehe war daher oft eine sehr überschaubare Angelegenheit – vor allem für den Mann, der heiratete danach erneut. Denn eine Frau brauchte er für den Haushalt, sie sorgte sich um sein Erscheinungsbild, richtetet das Haus ein, kochte, gebar ihm Kinder und ließ ihn als potenten, verantwortliches Mitglied der Gesellschaft dastehen. Außerdem wollte die Kirche das natürlich so. Das führte auch zu einer gewissen genetischen Präferenz: Sanfte, unterwürfige, gebährfreudige Frauen setzten sich mehr durch. Aber die Zeit blieb ja nicht stehen.

Aber heute? Brauchen wir diese starren Konstrukte wirklich noch? Sind wir wirklich noch so unselbständig, dass wir behördliches Brief und Siegel brauchen, damit wir wissen: Ah, das ist jetzt der Mann, der zu mir gehört, und das ist meine Frau?

Und dann wäre da noch: das Thema Scheidung

Die ist ja inzwischen fast so einfach wie ein Waren-Umtausch. Es braucht keinen Grund und es braucht keine Einstimmigkeit mehr. Wenn einer die Scheidung will, dann wird auch geschieden. Da kann der andere oder die andere noch so protestieren wie er oder sie will.

Wenn wir in Zeiten leben würden, in der Ehe eine wirklich bindende Entscheidung wäre und eine Scheidung das totale Ende – ja, okay, dann könnte man vielleicht auch noch sagen: Das ist ein Bund fürs Leben, den die eingehen, da haben wir als Staat eine gewisse Sicherheit und dann würden die Gesetze vielleicht auch noch Sinn machen. Aber das ist ja alles überhaupt nicht mehr so. Die deutsche Durchschnittsehe dauert 13 Jahre – ungefähr so lange wie die Mindestdauer einer Lebensversicherung, damit die sich rentiert. Mit anderen Worten: Das ist keine Sicherheit.

Und dazu leben wir ja inzwischen sehr lange – so etwa 78 Jahre – und wir entwickeln uns auch gern mal. Nur niemand von uns kann vorab sagen, in welche Richtung. Manchmal entwickelt man sich mit dem Partner gemeinsam und manchmal in komplett andere Richtungen.

Manchmal schließt man gewaltige Kompromisse und machmal macht es einfach keinen Sinn mehr. Und in noch anderen Situationen kann sich eine anfängliche Liebelei nicht nur zu öder Routine entwickeln, sondern in einen Albtraum.

Dass das eben so ist und zum Leben gehört, findet auch der deutsche Rechtsstaat, der das Schuldprinzip in Scheidungsfragen bereits 1976 abgeschafft hatte. Und im übrigen auch inzwischen der Papst und seine Kirche. Mit anderen Worten: Die Liebe kommt, die Liebe geht. Wir können das den Menschen nicht zu Vorwurf machen.

Das Steuerrecht sieht das aber anders!

Tja, an was sollen wir uns denn jetzt halten? Weiß die eine Hand im deutschen Staate nicht was die andere macht? Gibt es kein Interesse an einem schlüssigen Gesamtkonzept? Die Antwort ist kurz: Nein.

Man scheint sich entschieden zu haben, dass die eine Familie mehr

„wert” ist, als die andere. Denn – so sagt das deutsche Recht wider alle Empfindungen und Lebensrealitäten – Familie ist einzig

„Mutter-Vater-Kind-Verheiratet.” Allen anderen wird entgegengeschleudert: „Sorry, Klassenziel nicht erreicht. Ihr seid draußen.”

Was wohl das Verfassungsgericht dazu sagen würde? Können wir uns das anmaßen eine so große Gruppe an „anderen” Familien zu degradieren? Die Ehe auf Biegen und Brechen hoch zu halten, obwohl wir schon längst eines besseren belehrt wurden? Noch ist die Antwort: Ja, allerdings nicht aus Überzeugung.

Wir könnten aber auch die oben genannten Gesetze abschaffen und stattdessen belohnen, wenn sich Menschen um Kindern kümmern – egal in welcher Form. Und die Ehe vielleicht einfach den Liebenden überlassen und dann funktioniert ihr Modell ja auch einwandfrei. Die anderen fahren eh mit Verträgen besser.

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