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Warum man Friseurinnen mit Dax-Chefs vergleichen sollte

Frauen verdienen immer noch 22 Prozent weniger als Männer. Grund genug, mit der Organisatorin des Equal Pay Day über Geld zu reden.

Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern – und Branchen

Für Henrike von Platen, die  Organisatorin des Equal Pay Day, ist klar: Die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung besteht nicht nur zwischen den Geschlechtern – sondern den Branchen. Helene Endres von unserem Partner Manager Magazin Online hat mit ihr gesprochen.

Frau von Platen, warum spricht man nicht über Geld?

„Die einen möchten verhindern, dass sie jemand beneidet, weil sie so viel Geld haben. Andere schämen sich oft dafür, so wenig zu verdienen. Sie wollen nicht sagen, wie wenig ihre Arbeit anscheinend wert ist.“

Das große pekuniäre Schweigen ist ein typisch deutsches Phänomen. In anderen Ländern gehen die Leute wesentlich offener mit ihrem Einkommen um.

„In einigen Ländern wird ganz entspannt damit umgegangen: Da erblasst auch nicht der eine vor Neid, weil der andere einen dicken Bonus bekommen hat, sondern strengt sich an, den selbst auch zu bekommen. Deshalb bin ich auch überzeugt davon: Wir müssen dieses Sprach-Tabu endlich brechen. Es ist viel ungewöhnlicher, nicht über Geld zu reden, als darüber.“

Sie organisieren jedes Jahr den Equal Pay Day, um an die Ungleichheit bei den Einkommen von Männern und Frauen zu erinnern. Derzeit verdienen Männer nach Ihren Angaben 22 Prozent mehr als Frauen, eine seit Jahren relativ stabile Zahl. Gleichzeitig haben wir ein Quotengesetz, mehr erwerbstätige Frauen, Männer, die Elternzeit nehmen. Warum gleichen sich die Gehälter nicht an?

„Diese Maßnahmen sind relativ jung und bei vielen zeigt sich die Wirkung erst nach Jahren. Gleichzeitig gibt es viele Ursachen für das Gender Pay Gap und es muss noch viel mehr passieren.“

Zum Beispiel?

„Teilzeitarbeit, Karrierepausen – oft wegen Kindern. Hier verlieren Frauen gehalts- und karrieretechnisch den Anschluss, den sie nie wieder aufholen. Die Berufswahl: Typische Frauenberufe werden meistens schlecht bezahlt. Oder Minijobs: Würde man diese abschaffen, würde die Lohnlücke um etwa drei Prozentpunkte sinken.“

Sie vergleichen den Bruttostundenlohn aller berufstätigen Männer mit dem aller berufstätigen Frauen, branchen- und positionsübergreifend. Wie seriös ist diese Darstellung?

„Die 22 Prozent berechnet für uns das Statistische Bundesamt. Es geht dabei nicht darum, nur einzelne Branchen oder Positionen zu vergleichen, sondern die Einkommen insgesamt zu vergleichen.“

Sie vergleichen Friseurinnen mit Dax-Chefs.

„Genau das müssen wir auch. Wir müssen diskutieren, wieso so viele Frauen in Teilzeit oder schlechter vergüteten Jobs arbeiten, wieso sie sich für Branchen interessieren, die schlechter bezahlen. Es kann nicht sein, dass Menschen mit demselben Schulabschluss genauso gut ausgebildet sind und ähnlich anstrengende Jobs haben, aber der eine bekommt wesentlich mehr als die andere. Warum verdient ein Müllwerker so viel mehr als eine Krankenschwester? Warum bekommt er eine Zulage für das Heben schwerer Lasten und die Altenpflegerin nicht? Es geht darum, zu diskutieren und nachvollziehbar zu machen wie Arbeit bewertet wird.“

„Gleiche und gleichwertige Arbeit müssen gleich vergütet werden“

Es geht hier also nicht nur um eine Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen Berufen – der Ingenieur verdient mehr als die Bibliothekarin?

„Absolut. Faire Bezahlung heißt: Gleiche und gleichwertige Arbeit müssen gleich vergütet werden. Und weil die kreativen oder sozialen Branchen mehr Frauen anziehen, trifft auch vor allem sie die schlechtere Bezahlung.“

Es gibt eine Studie des Institut der Wirtschaft in Köln, die ein bereinigtes Gender Pay Gap von zwei Prozent ermittelt.

„Erstens haben diese Studien eine wesentlich kleinere Datenbasis als das Statistische Bundesamt. Und zweitens kann man die kritischen Faktoren wie Branche, Arbeitszeit, Minijobs, Karrierepausen usw. natürlich alle rausrechnen. Damit zeigt man, dass man die Ursachen erkannt hat, die Lohnungerechtigkeit ausmachen – aber behoben hat man sie damit nicht! Wir rechnen das bewusst rein – alles andere hilft uns nicht weiter. Es geht um die gesellschaftliche Situation, dass Frauen so viel schlechter bezahlt werden, als Männer. Klar kann man jetzt sagen: Dann sollen sich die Frauen doch für MINT-Berufe interessieren. Aber: Wer pflegt dann? Ist es nicht toll, dass Frauen diese Berufe machen? Sollten Sie dafür nicht fair entlohnt werden? Warum wertschätzen wir bestimmte Arbeiten nicht?“

Um nochmal zur Friseurin und dem Dax-Chef zurückzukommen…

„Ein sehr gutes Beispiel übrigens: Bei Führungskräften beträgt der Gehaltsunterschied 30 Prozent. Bei Berufseinsteigern ist er wesentlich geringer.“

Dann Müllwerker und Krankenschwester: Hier gibt es Tarifverträge. Kann es sein, dass Frauen nicht nur individuell, sondern auch kollektiv schlechter verhandeln?

„Ich möchte weg davon, dass es immer heißt: Frauen verhandeln so schlecht. Das gibt ihnen die Schuld. Das stimmt so nicht – sie verhandeln ja komplett im Dunkeln, es ist die Basis nicht bekannt. Und da sind wir wieder bei der Transparenz: Wie soll man gut verhandeln, wenn man nicht weiß, was ein adäquates Gehalt wäre für den Job? Frauen sind dann oft weniger selbstbewusst und steigen zu niedrig ein.“

Und die Tarife?

„Diese sind über Jahrzehnte gewachsen, so schnell bekommen sie hier eine Angleichung nicht hin. Deshalb mein Wunsch, dass die Leute tatsächlich über ihr Gehalt reden. Dass man mal zum Kollegen hingeht und sagt: Ich verdiene soundsoviel brutto – und Du? Und dann sieht man, ob man ins Gespräch kommt. Nur auf die Statistik zu gucken, bringt wenig. Reden Sie drüber – hier kann jeder anfangen, etwas zu bewegen.“

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Manager Magazin Online. Manager Magazin Online liefert täglich Wirtschaft aus erster Hand: durch Orientierung über die wichtigsten Nachrichten des Tages, Inspiration durch die Vorstellung relevanter Trends und mutiger Managerinnen und Manager – und durch den Blick auch auf die unterhaltsame Seite der Wirtschaft. Die tägliche Online-Ausgabe ergänzt das monatliche Magazin mit seinen investigativen und exklusiven Geschichten aus der Welt der Wirtschaft.

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