Foto: Simone Schlindwein

Gekaufte Frauen – Ugandas Politikerinnen kämpfen für ein neues Ehegesetz

Wenn der Ehemann stirbt, gehen nicht nur sein Hab und Gut, sondern auch Frau und Kinder in den Besitz der männlichen Verwandten über. Gegen ein neues Gesetz sträuben sich die Männer. Doch die Frauen im Parlament kämpfen nun gemeinsam für ihre Rechte.

Spotlight auf das „Heiratsgesetz“

„Das Gesetz ist wesentlich für den Schutz der Frauen in unseren Bezirken“, donnerte Ugandas mächtigste Frau in der Politik. Es herrschte bedrückendes Schweigen im Parlament. „Ich verlange, dass wir dem Gesetz mehr Aufmerksamkeit schenken“, erklärte Rebecca Kadaga, Sprecherin des Parlaments in Uganda, laut der Tageszeitung „Daily Monitor“ nachdrücklich.

Es gibt keinen Gesetzesentwurf, der in Ugandas Parlament schon so lange in den Regalen verstaubt, wie das sogenannte Heiratsgesetz, das Ugandas Ehefrauen endlich ihre von der Verfassung gegebenen Rechte auch in der Ehe – und vor allem im Scheidungsfall – garantiert. Verfasst im Jahr 2006 schaffte es der Entwurf, damals noch Heirats- und Scheidungsgesetz genannt, nicht einmal in die zweite Lesung.

Die Zeit ist reif für Veränderung

Erst 2009 und dann wieder 2010 kam es erneut auf den Tisch. Damals schickte Parlamentssprecherin Kadaga die Abgeordneten nach Hause in ihre Wahlbezirke, um mit den Wählern darüber zu sprechen. Die meisten, wenn nicht gar alle der konsultierten Dorfvorsitzenden und traditionellen Clanvorsteher sind allerdings Männer. Die schmetterten den Entwurf ab. Das Resultat: Es geschah nichts. Warum das Gesetz so umstritten ist – vor allem unter den Patriarchen der ugandischen Politik – ist einfach zu erklären: Es gibt der Frau die verfassungsgemäß gleichen Rechte, auch innerhalb der Ehe, ja sogar im Schlafzimmer. Und es nimmt den Männern das Recht, mit mehreren Frauen gleichzeitig „verheiratet“ zu sein. Das derzeitige Eherecht stammt noch aus der Zeit der Unabhängigkeit von den britischen Kolonialherren in den 1960er Jahren, als die Vielehe in dem Land­ mit einer auch heute noch einflussreichen muslimischen Minderheit (15 Prozent der Bevölkerung) praktiziert wurde.

Dass es der neue Gesetzesentwurf überhaupt so weit ins Parlament geschafft hat, liegt vor allem daran, dass es 2006 aufgeteilt wurde und für Muslime ein separates Gesetz gelten soll, das auch Eheschließungen abdeckt und die Vielehe erlaubt. In dem davon getrennten Heiratsgesetz muss jeder nicht-muslimische Mann jetzt zumindest die Gattin um Erlaubnis bitten, wenn er ein zweites Mal heiraten möchte.

Wie lange hält das Glück?                                                                                  Bild: Simone Schlindwein

Frauen besetzen ein Drittel des Parlaments

Nun versucht Rebecca Kadaga erneut, das Gesetz in dieser Legislaturperiode endlich zu verabschieden. Um Zuspruch zu finden, trommelt sie derzeit alle Frauen in der Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Laut Ugandas Verfassung wird seit 1989 in jedem der über hundert Wahlbezirke auch eine Frauen-Abgeordnete gewählt. Frauen besetzen demnach 112 Sitze im Parlament, also rund 35 Prozent. Als Parlamentssprecherin ist Kadaga direkt von Präsident Yoweri Museveni eingesetzt. Jedes ihrer Vorhaben ist von dem 71-jährigen Machthaber, dessen Frau Janet nicht nur Abgeordnete, sondern Bildungsministerin ist, abgesegnet – also eigentlich eine gute Konstellation, das Gesetz endlich voranzubringen.

Vergangene Woche traf sich der „Verband der Frauen“ in Ugandas Parlament zu einer Konferenz in der Hauptstadt Kampala. Zwei Tage lang steckten Ugandas Frauen-Abgeordnete die Köpfe zusammen, wie sie für das Gesetz bei ihren männlichen Kollegen werben können. „Es ist wichtig, dass wir die richtigen Informationen verbreiten, sodass verschiedene Leute – auch die Männer – es verstehen“, erklärte die Abgeordnete Syda Bbumba. „Einige Bestimmungen, die zuvor umstritten waren, wurden überarbeitet, vor allem die Punkte rund um die weiblichen Besitzverhältnisse. Wir erwarten jetzt keine Sabotage mehr“, erklärte auch Monica Amoding, die Sprecherin des Verbandes.

Eine traditionelle Eheschließung.                                                                      Bild: Simone Schlindwein

Ehe ist nicht gleich Ehe

Ugandas Ehebeziehungen sind traditionell vielschichtig – es gibt unterschiedliche Arten von Ehen, die alle gleichzeitig gesetzeskonform sind. Nicht-Muslime dürfen nach derzeit geltendem Recht nur einmal staatlich heiraten, also durch eine Unterschrift des Ortsvorstehers auf einer Heiratsurkunde. Doch neben der offiziellen Hochzeit gibt es in Uganda auch traditionelle Eheschließungen, die ohne den Staat geschlossen werden: entweder nur kirchlich oder auch nur traditionell innerhalb der Gemeinde, ausgehandelt zwischen den Eltern des Ehepaars, besiegelt durch die Übergabe eines Brautpreises durch den Ehemann an den Vater der Braut. Vor allem auf dem Land, wo staatliche Institutionen nur eine marginale Rolle spielen, gelten diese traditionellen Ehebündnisse oft mehr als die Bestätigung durch den Staat.

Kritisch wird es für die Frau allerdings im Fall der Trennung oder Scheidung – und genau hier setzt das neue Gesetz an. Die Scheidungsrate ist in Uganda nicht besonders hoch, meist trennen sich die Partner einfach und heiraten wieder, ohne die Ehe offiziell aufzulösen. Das hat viel damit zu tun, dass die Scheidung per Gesetz der Frau fast jegliche Rechte nimmt: Der Mann darf alle Güter beanspruchen.

Ein Mensch ist kein Besitz

Beim Tod des Ehegatten ist es traditionell so, dass die Frau in den Besitz des Bruders des Mannes übergeht. Die Frau wird als Gut definiert, das – ist der Brautpreis einmal bezahlt – der Familie des Mannes gehört, die Kinder inklusive. Wenn die Witwe nicht die Zweit- oder Drittfrau des Bruders werden will, muss sie buchstäblich alleine davonlaufen, ohne Kinder, ohne finanzielle Mittel.

Genau dies will das neue Gesetz ändern: Darin soll nicht vom Brautpreis die Rede sein, sondern einem „Heiratsgeschenk“, das keine Besitzverhältnisse schafft. Eine Frauenrechtsorganisation war 2007 vor das Hohe Gericht gezogen und hatte diese Rechte beansprucht, auch die Möglichkeit, dass der Brautpreis bei Scheidung zurückbezahlt werden kann, um die Ehe einvernehmlich aufzulösen. Das Gericht erklärte damals den Brautpreis als verfassungswidrig und empfahl eine Gesetzesreform in Sachen Heiratsgesetz.

„Das Fehlen eines Heiratsgesetzes in Uganda verhindert die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.“

Das neue Gesetz sieht im Fall der Scheidung auch die Gütertrennung vor: Besitz, der während der Ehejahre angehäuft wurde, wird im Fall der Scheidung geteilt. Das würde der Frau enorm viele Rechte geben, die sie etwa bei einem Seitensprung des Mannes oder anderen Unstimmigkeiten sogar gerichtlich einfordern kann, nicht zuletzt auch das Sorgerecht für die Kinder.

Ugandas Anwaltsvereinigung hat vergangenes Jahr einen Bericht verfasst, in welchem sie den Gesetzesentwurf unter die Lupe nimmt. Darin schreibt Anwältin Patricia Atim P’Odong, nebenberuflich Dozentin für Familienrecht an Ugandas staatlicher Universität Makerere: „Das Fehlen eines Heiratsgesetzes in Uganda verhindert nicht nur die praktische Umsetzung von verfassungsmäßigen Rechten und der gegebenen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, sondern beweist auch den Unwillen der Regierung, das Gesetz umzusetzen.“ Als wichtigsten Grund, das längst überfällige Gesetz endlich zu verabschieden, nennt sie die Vereinbarkeit des Eherechts mit der Verfassung, damit die Besitzansprüche auf eine Frau oder auch Witwe durch den Mann oder die Familie des Mannes endlich strafbar werden.

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