Foto: Fotolia

Hört her oder die Vermenschlichung von Lebewesen und Gegenständen

 

Gestern habe ich eine Spinne aus der Wohnung entfernt und ihr erklärt, dass ich sie aus dem Fenster schmeißen werde wenn sie sich fangen lässt, sie jedoch erschlagen werde, falls sie unkalkulierbar durch die Wohnung rennt. Sie erhörte mich und blieb am Leben. Danach ertappte ich mich dabei, wie ich mich bei der Waschmaschine für erbrachte Leistung bedankte und der Tür mit Entsorgung drohte, wenn ich mal wieder am Griff hängen bleibe. Und jetzt frage ich mich: Warum tue ich das eigentlich?

Gegenstände werden zum Dialog gefordert

Ich bin offensichtlich nicht allein. Denn immer wieder hört man Menschen mit Tieren oder Gegenständen reden. Sie loben, schimpfen oder teilen sich einfach mit. Zu den beliebtesten, stummen Gesprächspartnern gehören auch Pflanzen. Sie werden nach ihrem Wohlbefinden gefragt und bei den ersten vertrockneten Blättern sogar bemitleidet. Der Wecker wird für sein Klingeln beschimpft, dem Ladegerät wird der Vorgang des Ladens erklärt und das Bier wird freundlich begrüßt. Der Tisch an dem man sich stößt wird beleidigt, obwohl er es immer wieder gelassen nimmt. Es gibt praktisch keine Sachen aus der unmittelbaren Umgebung, denen der Mensch kein Leben einhaucht, indem er sie anspricht. 

Dieses Phänomen ist bei beiden Geschlechtern zu beobachten und auch in unterschiedlicher Weise ausgeprägt. Eine amerikanische Studie besagt, dass Menschen sich damit einen Kumpel erschaffen wollen, der ihnen sonst fehlt. Es ist die Einsamkeit, die nicht zwingend Mitmenschen benötigt, um das Gefühl des Alleinseins zu überwinden. Menschen fangen an mit Tieren, Pflanzen oder Gegenständen zu reden und schreiben diesen somit Gedanken oder ein Gefühl zu. Klar, nun erscheinen vor dem geistigen Auge jene schrulligen Alten, die im Zwiegespräch mit Hund oder Katz versunken sind, und bei deren Anblick der Beobachter oft nicht weiß, was da zuerst war: Die Beziehung zu dem Tier oder die Einsamkeit. 

Wir erschaffen uns ein mentales Rudel

Doch etwas von diesem Urbild steckt auch in uns allen, wie Psychologen herausgefunden haben. Aus ihren Versuchen lässt sich zeigen, dass Menschen umso mehr dazu tendieren, den Sachen Leben einzuhauchen, je mehr sie vom Gefühl der Isolation geplagt sind. Ein gutes Beispiel dafür ist der Film “Cast away – Verschollen” mit Tom Hanks, der mit seinen Volleyball “Wilson” redet. Tiere werden vermenschlicht und mit eigenen Absichten, Plänen und vielleicht einem Bewusstsein versehen. In seinem sozialen Charakter ist der Mensch also ein fantasievoller Hund – wenn kein reales Rudel zur Verfügung steht, erschafft er sich ein mentales. Denn Einsamkeit macht bekanntlich krank, schlimmer als Zigarettenrauch (und das will etwas heißen!). Somit ist die Erschaffung einer belebten Umgebung eine Art Seelenhygiene. 

Alles schön und gut. Doch was passiert, wenn wir uns immer isolierter fühlen? Oder werden wir gerade deswegen einsamer, weil wir uns lieber mit Gegenständen beschäftigen? Ich fühle mich in keiner Weise isoliert und deute meine Unterhaltungen mit Gegenständen als lautes Denken. Monologe geben auch die Möglichkeit, Emotionen frei zu lassen, ohne sich dabei auf Diskussionen einzulassen. Oft richte ich nur Gedanken in eine Richtung, dass Gegenstände kein Hörorgan haben ist mir ja nicht fremd. Solange die Gespräche zu Gegenständen nicht überhand gewinnen, man nicht zu einem verrückten Einsiedler mutiert und immer noch mit Menschen redet, schaden diese aber nicht. Man sollte aber immer gut zu seinem Besitz sein, das sieht man nicht nur an Toy Story! 

Anzeige