Foto: Jürgen Naber

Katrin Bauerfeind: „Das Christentum hält von der Gleichberechtigung der Frauen ungefähr so viel wie die Hells Angels“

Sie ist Moderatorin, Schauspielerin – und Autorin: In Katrin Bauerfeinds neuem Buch „Hinten sind Rezepte drin“ geht es um vieles – nur nicht um, war ja klar: Rezepte.

Ein bissche Provokation kann nicht schaden

„Der Feminismus hat mehr Frauen enttäuscht als die Verfilmung von ,50 Shades of Grey’. Auf Partys ist das Wort ,Emanzipation’ ein ähnlicher Stimmungskiller wie ,Islam’ oder ,Darmkrebsvorsorge’“ – Katrin Bauerfeind hat nichts gegen ein bisschen Provokation, das merkt man auch ihrem neuen Buch an. Es heißt „Hinten sind Rezepte drin“ und darin soll es um die komischen Seiten des Frauseins gehen, wie Bauerfeind im Vorwort schreibt: „Es geht auch um Haare, Handtaschen, Zicken, Gewalt, Religion, Männer und Sex. Aber eben komisch. Denn Anfang des 21. Jahrhunderts ist es immer noch komisch, eine Frau zu sein. Komisch, im Sinne von seltsam, aber auch im Sinne von lustig.“ Und das mit den Rezepten ist natürlich  nur ein Marketing-Gag, damit möglichst viele Frauen das Buch kaufen.  Aber lest selbst:

„Mutter unser….“ – meine erste Frauenreligion

Gott ist gegen Frauen. Zumindest der katholische. Es gibt zum Beispiel ein „Vater unser …“, aber kein „Mutter unser …“, die Frauenquote in den Führungspositionen der katholischen Kirche liegt bei null Prozent, und im Neuen Testament gibt es im Wesentlichen genau zwei Frauenrollen: Mutter oder Nutte. Die prägende Religion des Abendlandes hält von der Gleichberechtigung der Frauen ungefähr so viel wie die Hells Angels. Wenn ich das richtig verstehe, besteht das Paradies im Islam auch darin, dass es da zugeht wie beim Bachelor von RTL. Etliche Jungfrauen scharen sich um einen Mann. Emanzipatorisch fragwürdig, aber immerhin kommen junge Frauen vor. Bei den Katholiken steht dagegen ein alter Mann an der Himmelspforte. Bei guter Führung sitzt man den Rest seiner Tage zur Rechten Gottes, und der ist, nach allem, was man so hört, auch eher männlich und betagt.

Aus Frauensicht klingt das so gar nicht nach ewiger Happy Hour, sondern nach dem Aufsichtsrat eines DAX Konzerns, wo jede Menge alte Kerle am liebsten unter sich bleiben. Die evangelische Kirche ist zwar etwas lockerer, wirkt als Alternative unterm Strich aber trotzdem eher so, als würde man beim Stierkampf jetzt auch Kühe zulassen. Also, dachte ich mir, Katrin, warum gründest du nicht einfach deine eigene Religion. Nur für Frauen. Warum sollte etwas, das für Fitnesscenter und Autohäuser prima funktioniert, nicht auch für Religionen klappen?

Ja, ich weiß, es klingt erst mal absurd. Andererseits: Vor 75 Millionen Jahren soll Xenu der Herrscher einer galaktischen Konföderation gewesen sein, die aus 26 Sternen und 76 Planeten bestand. Einer davon war unsere Erde, die sich damals noch Teegeeack nannte. Eng war es, denn es lebten knapp 180 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Deutlich zu viel, fand Xenu, der sich überlegte, etwas gegen die Überbevölkerung zu tun. Er entwickelte den Plan, Millionen von Menschen mit Alkohol und Glykol zu lähmen. So steht’s bei L. Ron Hubbard, dem Gründer von Scientology. Eine Religion aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Das ist kein Witz. In diesem Stil geht’s da noch seitenlang weiter. Und Scientology hat es damit immerhin geschafft, Tom Cruise zu überzeugen. Insofern, dachte ich mir, ist es bei Religion wieder mal so wie überall: Männer legen einfach los und haben mit dem absurdesten Zeug Erfolg. Frauen haben erst mal Zweifel. Also, Schluss damit und her mit der Frauenreligion. Auf geht’s!

Das erste Buch Katrin

Die Welt ist weiblich. Guckt euch an, wie schön sie ist! Da hat auf jeden Fall eine Frau ihre Hände im Spiel gehabt. Oder ein Schwuler. Hetero-Männer jedenfalls richten ihre Wohnungen bis heute weiß, karg und ungemütlich ein. Warum sollte das vor einer Ewigkeit anders gewesen sein? Kein Mann käme darauf, einen Schmetterling zu erfinden oder einen Sonnenuntergang. Ein Mann würde einfach das Licht ausmachen. Gott also war eine Frau. Sie hieß Brigitte. Brigitte Gott. Abgefahrene Mädchennamen wie Babylonia Cheyenne gibt es erst seit kurzem. Gott lebte aber vor etlichen Millionen Jahren und hieß deswegen noch ganz normal.

Im Gegensatz zum bisherigen Bild vom männlichen Schöpfer war Brigitte nicht perfekt und fehlerfrei. Sie wollte zum Beispiel eine kuschelige Spinne schöpfen, was ihr aber wieder und wieder misslang. Deswegen haben wir heute Tausende unterschiedlicher Spinnenarten, die alle nicht kuschelig sind. Brigitte wollte schönes Wetter für alle und schuf anfangs England, sie wollte herrliche Landschaften und übte zunächst vergeblich an Brandenburg. Aber sie stand zu ihren Fehlern, deswegen überlebte auch der Mann bis heute. Gut, das ist ein billiger Gag, aber die Sache mit dem Übers-Wasser-Laufen ist ja auch nicht gerade raffiniert. Irgendwann jedenfalls machte Brigitte den Menschen. Fortan war sie alleinerziehend, und wir wissen bis heute, was für eine schwierige Aufgabe das ist. Man kann seine Augen nicht überall haben, macht vieles falsch und ist ständig überfordert, und Brigitte musste sich ja auch gleichzeitig noch um die ganze Welt kümmern. Es war praktisch der Job von Angela Merkel plus ein paar tausend Kinder. Das bringt dich auch als Gott an den Rand deiner Kapazitäten. Wie so viele Frauen erwartete auch Brigitte keine Dankbarkeit oder Anerkennung für das, was sie geleistet hatte. Erst im hohen Alter hatte sie das Gefühl, etwas zu sagen zu haben, was hinausgeht über „Die Mutti geht jetzt nach Hause!“, „Räumt bitte eure Erde auf, sonst gibt’s keinen Nachtisch!“ und „Könnt ihr euch nicht einfach vertragen?!“.

Sie war schon ein paar Millionen Jahre alt und somit also quasi der typische ZDF-Zuschauer, als sie in der Mediathek zufällig meine Sendung sah. „Diese Bauerfeind gefällt mir“, sagte Brigitte. Ich weiß, das klingt ein bisschen eitel, aber der Gründer der Mormonen war zum Beispiel ein vorbestrafter Trickbetrüger und behauptete, dass Gott zu ihm gesprochen hat, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Das ist auch kein Witz. Die Evangelisten hatten teilweise nicht mal Abitur, warum sollte Brigitte also nicht ausgerechnet mit mir reden? Eben. Brigitte 13 also sprach: „Katrin, du sollst es später einmal besser haben, deswegen sage ich dir jetzt, wie ich mir alles vorgestellt habe. Schreib das schön auf und verkünde es, denn reden kannst du! Sonst, muss ich feststellen, hab ich schlicht vergessen, dir Talente mitzugeben. Das tut mir leid. Ah, dieses ewige Entschuldigen ist auch sehr weiblich, das wollte ich eigentlich längst gelassen haben …“ So saßen wir zusammen, und sie diktierte mir ihre Gebote.

Erstes Gebot

Lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr auszusehen habt! Ich, Brigitte, hab euch überall Haare drangemacht. War vielleicht ein Fehler. Wie gesagt, ich bin nicht perfekt. Wem’s nicht gefällt, der kann sie gerne abrasieren. Die anderen lassen sie dran. Es ist doch scheißegal. Kümmert euch gefälligst um das, was wichtig ist.

Zweites Gebot

Lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr auszusehen habt! Wer Bock auf Kopftuch hat, soll eins aufsetzen, wer Röcke tragen will, die kurz überm Arsch aufhören, soll das machen, wer bauchfrei gehen will, soll bauchfrei gehen, dann aber im Mittelteil nicht schwobbelig sein. Das ist unästhetisch. Ich hab mir bei der Gestaltung von zum Beispiel Orchideen, Alpen und Geparden optisch nicht so viel Mühe gemacht, damit ihr die Fußgängerzonen verschandelt, nur weil Taylor Swift oder die Brigitte euch erzählen, dass man jetzt so rumrennt. Ich bin die wahre Brigitte, und ich aber sage euch: Klamotten sind nett, aber am Ende scheißegal. Kümmert euch gefälligst um das, was wichtig ist!

Drittes Gebot

Lasst euch nicht vorschreiben, wie ihr auszusehen habt. Ob smoky eyes oder Amy Winehouse-Lidstrich, ich gab jedem von euch zwei Augen zum Rausgucken. Das ist eine feine Sache. Darauf muss man erst mal kommen. Ich finde es ehrlich gesagt schon ein bisschen frech, dass ihr diese prima Erfindung, die ich euch für lau mitgebe, noch verschönern wollt. Falls jemand euch einen Porsche schenkt, macht ihr doch auch nicht zuerst Kunstfell auf die Sitze, weil’s besser aussieht, oder? Na also! Guckt euch also mit den von mir gemachten Augen um und kümmert euch gefälligst um das, was wichtig ist!

Viertes Gebot

Macht Liebe! Reichlich! Sucht euch einen Mann, eine Frau oder beides, macht, was ihr wollt. Liebe ist wie Schokolade, immer eine feine Sache, egal in welcher Geschmacksrichtung. Ich weiß, von Liebe reden die anderen Religionen auch, aber im Gegensatz zu denen meint Brigitte es auch so. Auch im Sinne von vögeln. Und sie spricht von Schokolade, und das tun die anderen nicht. Nicht mal Buddha, und der ist dick. Brigitte nicht. Sie hat nur schwere Knochen. Ein klarer Pluspunkt also für Brigitte. Außerdem ist ihre Liste übersichtlich. Vier Gebote. Das war’s! Sie sagt, sie hat nichts dagegen, Vater und Mutter zu ehren, nicht zu stehlen, zu morden und zu lügen, aber dafür brauche man ja keinen Gott, darauf komme man auch mit gesundem Menschenverstand.

Ich bastle gerade an den Ritualen für unseren Brigittesdienst. Bei den Katholiken laufen Männer und Jungs in Kleidern durch die Kirche, tragen lustige Hüte. Einer läuft mit einem Kreuz voraus, ein anderer macht was mit Rauch, ein Dritter was mit Glöckchen! Dazu gibt’s Musik. Ist vom Entertainment-Level nicht ausgefuchster als die Carmen-Nebel-Show, und da ist wenigstens schon eine Frau dabei. Da ist also noch Luft nach oben. Vielleicht könnte Vivian Westwood sich um passende Kostüme kümmern, statt Weihrauch gibt es Chanel No. 5, und 15 Glöckchen und Orgel ersetze ich durch das Feel-Good-Album von Spotify. Alle Gläubigen tragen einen Kranz aus Gänseblümchen oder Sonnenblumen, einfach so, zur Hebung der Laune, und das mit der Oblate hat mir auch zu viele Anklänge an Entbehrung, Diät und Minimalismus. Bei mir bekommt jede Schokolade. Und statt Wein gibt’s Prosecco. Es ist ja schließlich eine Frauenreligion. Okay, ich gebe zu, da muss ich noch mal ran, das sitzt noch nicht, das ist noch nicht okkult genug, es klingt schon noch sehr weltlich. Aber Rom beziehungsweise der Vatikan wurde auch nicht an einem Tag erbaut.

Falls Ihnen meine Religion sympathisch ist, können Sie gerne mitmachen. Ich nehme jede auf, und Brigitte sieht es auch nicht so eng, hat sie mir gesagt. Wenn Sie jetzt beitreten, erhalten Sie zwanzig Prozent Frühbucher-Rabatt und einen Premiumplatz im Himmel. Da gibt’s den ganzen Tag Wellness. Versprochen. Alles was Sie machen müssen, ist, das Anmeldeformular am Ende des Buches auszufüllen und mir 200 Euro zu überweisen.

Ja, sorry, das ist natürlich bei uns auch nicht anders als bei anderen Religionen. Es geht um Kohle. Glaube ist nie kostenlos.

Aus: Katrin Bauerfeind: „Hinten sind Rezepte drin. Geschichte, die Männern nie passieren würden“. Fischer Taschenbuch, 224 Seiten, 14,99 Euro.

Mehr bei EDITION F

Nora Tschirner: „Freundschaft ist ein Balsam, den man nicht ersetzen kann“. Weiterlesen

Feministin und verdammt lustig? Klar geht das! Weiterlesen

Die, die den Spiegel vorhält: Alle lieben Amy Schumer. Weiterlesen

  1. „Im Neuen Testament gibt es im Wesentlichen genau zwei Frauenrollen: Mutter oder Nutte“… Selten so einen Quark gelesen.

    Also. Maria von Magdala ist laut Neuem Testament die „Apostelin der Apostel“, zu einer „Nutte“ macht sie erst ein Papst im 6. Jahrhundert (dessen Propaganda hier hier nachplappert, danke auch).

    Ansonsten gibt auch eine Ehebrecherin – die Jesus gegen ihre Verfolgern in Schutz nimmt – aber meines Wissens ist Ehebruch und Prostitution nicht ganz dasselbe, ausser für patriarchale Fundamentalisten – und euch?

    Darüber hinaus gibt es im Neuen Testament neben Maria, der Mutter von Jesus, noch Lydia, Thekla, Junia und weitere Apostelinnen und Gemeindeleiterinnen. Es gibt Maria und Martha, es gibt die Samariterin, die Jesus herausfordert, es gibt noch eine andere Maria, und das das sind nur die Frauen, die mir jetzt so ohne groß drüber nachzudenken einfallen. Keine einzige davon ist eine Nutte, und nur zwei davon (Maria und Elisabeth) werden als Mütter vorgestellt.

    Aber mit Fakten scheint ihr es offensichtlich nicht so zu haben. Lieber ein paar Vorurteile pflegen und dabei patriarchale Mythen in der Welt verbreiten. Danke für nichts.

  2. Liebe Antje, danke für deinen Kommentar. Es handelt sich bei dem Text um einen Buchauszug, der vor vier Jahren bei uns veröffentlicht wurde und nun mal wieder über Facebook gespielt wurde. Nach nochmaligem Lesen anlässlich deines Kommentars würde ich sagen: Mit diesem Auszug werden wir Katrin Bauerfeind und ihrem Humor, den ich persönlich eigentlich sehr schätze, nicht gerecht. Wir nehmen uns vor, bei der Auswahl von künftigen Buchauszügen sorgfältiger zu sein. Viele Grüße! Lisa

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Anzeige