Foto: Franca Gimenez – Flickr – CC BY-ND 2.0

„Ich hätte zwar gern ein Kind, aber ich kann es mir nicht leisten!“

Viele Frauen zögern lange, bevor sie ein Kind bekommen. Aus Angst vor Benachteiligung und Verlust der Autonomie. Eine aktuelle Studie zeigt: Ihre Sorgen sind berechtigt.

So ticken junge Frauen in Deutschland

Was denken junge Frauen in Deutschland? Wie unterscheiden sich ihre Einstellungen? Wie viel wollen sie arbeiten und was erwarten sie von Unternehmen? Wollen sie Kinder oder gibt es Dinge, die sie daran hindern welche zu bekommen? Für unseren Partner Zeit Online hat sich Frida Thurm intensiv mit einer neuen Studie beschäftigt, die diesen Fragen auf den Grund gegangen ist.

Soll ich oder nicht?

Viele Frauen zögern lange, bevor sie sich dafür entscheiden, ein Kind zu bekommen. Welche konkreten Ängste und Sorgen Frauen in Deutschland im Bezug auf die Familiengründung haben – und welche realen Benachteiligungen sie hinterher erleben – zeigt eine aktuelle Studie des Delta-Instituts für Sozialforschung im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Forscher haben Frauen aus allen gesellschaftlichen Gruppen im Alter von 18 bis 40 befragt. Die große Altersspanne ist bewusst gewählt, fällt doch die Entscheidung, Mutter zu werden oder eben nicht, heute in sehr unterschiedlichen Lebensphasen. Die Studie Was junge Frauen wollen, die ZEIT ONLINE vor Veröffentlichung exklusiv vorlag, fragte nach Einstellungen zu Gleichberechtigung und Familienpolitik, nach Einkommensverteilung und Rollenbildern.

Im Ergebnis zeichnet die Studie ein Panorama weiblicher Verunsicherung, die sich durch die gesamte Gesellschaft zieht. Wer sich wundert, warum Debatten rund um die Frage des Kinderkriegens in den vergangenen Jahren immer aufgeheizter und emotionaler geführt wurden, Stichwort #regrettingmotherhood, findet hier gute Gründe. Für Frauen mit ausgeprägten beruflichen Ambitionen sind Kinder vor allem ein Risiko für Selbstverwirklichung und finanzielle Unabhängigkeit. Dem gegenüber stehen Frauen, die nichts lieber täten, als den Beruf zugunsten der Kinder an den Nagel zu hängen, das aber aus finanziellen Gründen nicht können.

Was alle Milieus eint, ist die Sorge um das Geld. Den einen fehlt es akut, andere zwingt es in einen unerwünschten Rollenwechsel: Frauen ohne Kinder beobachten im Freundeskreis, dass Paare in traditionelle Rollen verfallen, sobald Nachwuchs da ist. Denn er verdient einfach mehr. Außerdem wissen die befragten Frauen, wie teuer und rar Kitaplätze sind. Deshalb, so schreibt der Autor der Studie, Carsten Wippermann, sei ihnen klar: Wenn sie sich für Kinder entscheiden, bedeutet das ein geringeres Einkommen und höhere Kosten, und damit für sie ein höheres Risiko für Altersarmut. Zudem fehlen über alle Milieus hinweg Rollenvorbilder, die Muttersein und Beruf verbinden.

Die Studie hat Nicht-Mütter und Mütter aus acht verschiedenen Gruppen befragt, den sogenannten DELTA-Milieus. Zusammengenommen bilden die Performer,die Bürgerliche Mitte, die Expeditiven, die Benachteiligten, die Hedonisten, die Postmateriellen, die Etablierten und die Traditionellen und Konservativen unsere ganze Gesellschaft.

Der Blick in die einzelnen Milieus verdeutlicht, was Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig in den SPD-Leitantrag zur partnerschaftlichen Familie einbrachte: “Das Ein-Ernährer-Modell mit der hinzuverdienenden Partnerin ist nicht mehr der Maßstab für die Mehrheit.” Die Supermarktkassiererin, die Hausfrau, die Designerin und die Abteilungsleiterin haben ganz unterschiedliche Ansprüche und Ängste und erleben entsprechend ihrer jeweiligen Lebenssituation unterschiedliche Benachteiligung.

 

Die DELTA-Milieus: Die Größe der Flächen entspricht dem Anteil an der Bevölkerungsgruppe der Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren. (Quelle: Delta-Institut © 2016 ZEIT ONLINE)

Die Performer

Frauen aus dem Performer-Milieu gehören zu einer selbstbewussten Leistungselite: Was sie machen, wollen sie unbedingt richtig und sehr gut machen. Performerinnen aus der Studie arbeiten zum Beispiel als Wirtschaftsinformatikerin, Senior Project Managerin einer großen Werbeagentur, Anwältin oder als Leiterin des Einkaufs in einem Modeunternehmen. Die Studie ordnet 20 Prozent der Frauen in Deutschland im Alter zwischen 18 und 40 diesem Milieu zu. Sie sind die größte Gruppe.

Laut Wippermann widerspricht das Selbstbild der Performerinnen dem traditionellen Frauenbild. Sie sind selbstbewusst, finanziell unabhängig, emanzipiert, stark, kompetent, unerschrocken. Sie arbeiten meist mehr, als sie laut Vertrag müssten, sind immer erreichbar und flexibel einsetzbar.

Was berufliche Kompetenz und Leistungsfähigkeit angeht, sehen sie sich ihrem Partner ebenbürtig. Als Mütter wollen sie für ihre Kinder da sein und trotzdem beruflich weiterkommen – und dieses Engagement erwarten sie auch von ihrem Partner. Doch einige Frauen in der Studie berichten von Streit, weil ihr Partner überraschend traditionelle Rollenvorstellungen hat.

“Ich kämpfe fast jeden Tag mit meinem Partner. Der ist Partner in einer großen Kanzlei. (…) Und es war vor einigen Monaten. Da hat er mich gefragt: ‘Willst du überhaupt weiterarbeiten als selbstständige Anwältin. Ich verdiene doch genug, du musst nicht unbedingt arbeiten. Wir könnten ein Kind bekommen.’ Oh nein habe ich gesagt. (…) Er würde niemals auch nur weniger arbeiten, aber mich fragt er danach!”

Kinder dürfen aus Sicht der Performerinnen kein Risiko für ihr berufliches Fortkommen sein oder gar zum Abbruch ihrer Erwerbstätigkeit und damit ihrer finanziellen Unabhängigkeit führen. Deshalb brauchen sie flexiblere Arbeitszeiten und flexible Betreuungszeiten. Und vor allem fordern sie, dass Elternzeit für Väter verbindlicher wird. „Das ist bemerkenswert, weil dieses Milieu meistens eine Deregulierung befürwortet“, schreibt Wippermann.

Bürgerliche Mitte: „Wenn das Geld reichen würde, würde ich daheimbleiben“

Frauen aus der bürgerlichen Mitte sind der leistungs- und anpassungsbereite Mainstream. Sie streben nach beruflicher und sozialer Etablierung, nach gesicherten und harmonischen Verhältnissen. Sie arbeiten unter anderem als Tierärztin, Hotelfachfrau, angestellte Juristin, Bankkauffrau oder Erzieherin. Von der zunehmend geforderten Flexibilität im Job fühlen sie sich bedroht. Die Gruppe ist mit 19 Prozent relativ groß.

Bürgerliche Frauen wünschen sich, nach einer guten Ausbildung Vollzeit zu arbeiten, um dann eine Familie zu gründen und für einige Jahre Teilzeit zu arbeiten. Später wollen sie dann wieder mehr arbeiten.

Für diese Frauen gilt sowohl das Rollenvorbild der guten Mutter als auch das der beruflich gut qualifizierten und in der Regel teilzeiterwerbstätigen Frau. Die Anreize des Ehegattensplittings haben in dieser Gruppe die größte Wirkung entfaltet. Frauen in der bürgerlichen Mitte distanzieren sich sowohl von der konsequent traditionellen Rollenteilung als auch von Emanzipation und Feminismus. Sie sehen sich für die Balance und den Zusammenhalt der Familie zuständig, Familie ist für sie ein Schutzraum vor den Zumutungen und Risiken „draußen“. Wenn sie vollzeiterwerbstätig wären, könnten sie dieser Hauptaufgabe nicht mehr gerecht werden.

„Ich bin total glücklich mit drei bis vier Tagen Arbeit. Das ist mit Kind ein schönes Arbeiten.“

Bürgerliche Frauen sehen Familie als Managementaufgabe und wünschen sich statt des bürokratischen Staats eine Serviceverwaltung, die der einzelnen Mutter, Alleinerziehenden oder der Familie Leistungen aktiv anbietet, maßgeschneidert auf die jeweilige Lebenssituation. Davon erhoffen sie sich mehr Zeit im Alltag und weniger Druck.


Vollzeiterwerbstätigkeit im Alter von 80-40 Jahren. Quelle: DELTA-Basisuntersuchung “Gleichstellung 2015”, Basis: Frauen und Männer ab 18 Jahren, nicht mehr in Ausbildung. © 2016 ZEIT ONLINE

Expeditive

Expeditive Frauen gehören zur unkonventionellen kreativen Avantgarde. Sie sind stets auf der Suche nach neuen Grenzen und ihrer Überwindung. Für eigene Projekte opfern sie sich auf, haben eine hohe Anpassungsfähigkeit. Sie sind Gebärdendolmetscherin, freischaffende Künstlerin, Angestellte im Buchhandel oder Übersetzerin. Sie sind sehr unterschiedlich beschäftigt: Von Freiberuflichen mit hoher Belastung und 40-Stunden-Wochen bis hin zu Minijobs oder Teilzeit mit 15 bis 20 Stunden gibt es in diesem Milieu alles. Rund 15 Prozent der Frauen in Deutschland gehören dazu.

Expeditive Frauen suchen nach Balance von Arbeit, Zeit für ihr Kind, für ihre Projekte, für Muße und den Partner. Sie wollen sich in der Arbeit verwirklichen und persönlich weiterentwickeln, aber nicht, dass ihnen der Job sämtliche Energien für die Zeit nach der Arbeit raubt.

„Ich hätte gerne einen Teilzeitjob mit 25 Stunden in der Woche. Zeit ist kostbar. Ich hätte gerne weniger Geld und mehr Zeit.“

Obwohl expeditive Frauen sich selbstbewusst von bürgerlichen Konventionen distanzieren, ist die gesellschaftliche Norm der „guten Mutter“ bei ihnen sehr präsent. Sie haben den Eindruck, „dass man es als Mutter aus Sicht der Gesellschaft sowieso falsch macht“.

„Geht man nicht arbeiten, gilt man als faul und spießbürgerliche Hausfrau; geht man arbeiten, ist man eine Rabenmutter.“

Sie fordern deshalb, dass ganz verschiedene Lebensformen vorbehaltlos akzeptiert werden, etwa lange Elternzeit bei Vätern, WGs mit Kindern oder homosexuelle Paare, die ein Kind haben. Die größten Probleme aber sind für sie die unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen und die Kosten und Öffnungszeiten der Kitas. Eine 31-jährige Frau sagt: „Ich hätte zwar gern ein Kind, aber ich kann es mir nicht leisten!“ Nicht das aktuelle Einkommen ist das Problem, sondern das Einkommen bei fehlender Kinderbetreuung oder zu hohen Betreuungskosten. Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in der Gesellschaft halten die Expeditiven für nicht erreicht.

Benachteiligte

Benachteiligte Frauen sehnen sich nach Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft und suchen Anschluss an die Konsumstandards des Mainstreams. Sie sind etwa Verkäuferin für Textil, Lebensmittel oder Schuhe, Erzieherin, Servicekraft, Hausfrau oder arbeitslose Alleinerziehende. Sie haben wenig Geld und oft eine geringe Bildung, häufig werden sie durch die Bürgerliche Mitte ausgegrenzt. Weil sie geringe Aufstiegsperspektiven haben, resignieren viele dieser Frauen und ziehen sich zurück. 13 Prozent der Frauen ordnet die Studie diesem Milieu zu.

Frauen in diesem Milieu sind auf das Hier und Jetzt fokussiert: Sie möchten ein „Stück vom Kuchen“ abbekommen. Etwas für eine künftige Anschaffung sparen oder für das Alter zurücklegen können sie nicht. Die meisten von ihnen haben weniger als 1.500 Euro im Monat zur Verfügung.

Deshalb wünschen sie sich in erster Linie mehr Geld. In keinem anderen Milieu ist der Anteil der Familienernährerinnen und der Alleinerziehenden so hoch wie bei den Benachteiligten. Nur wenige sind als Hausfrau nicht erwerbstätig. Auch Frauen in einer Partnerschaft sagen, dass sie die Verantwortung für Einkommen und Haushalt, für die Erziehung der Kinder, den Kontakt mit Schulen, Ärzten und Behörden tragen. Sie fühlen sich häufig alleingelassen: von ihrem Partner, von der Gesellschaft und dem Staat.

„Ich arbeite auf Mindestlohn und renne wie eine Bekloppte. Als ich noch Hartz IV bekommen habe, da ging es mir besser.“

Obwohl die Frau oft das Haupteinkommen hat, wird dies nach außen und innen tabuisiert: Der Mann gilt als das Oberhaupt der Familie. Benachteiligte Frauen erleben keinen Fortschritt in Sachen Gleichstellung. Im Gegenteil hätte sich die Situation von Frauen in den letzten Jahren und Jahrzehnten sogar verschlechtert, sagen die Befragten. Waren Frauen früher sicher versorgt und mussten sich „nur“ um den Haushalt und die Kinder kümmern, müssen sie heute auch noch die Familie finanzieren.

Benachteiligte Frauen würden gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und weniger arbeiten. Das aber können sie sich nicht leisten. Weil sie in Schichten und am Wochenende arbeiten müssen, wünschen sie sich eine flexiblere und vor allem kostenlose Kitabetreuung.

Hedonisten

Hedonistische Frauen sind Teil der spaß- und erlebnisorientierten modernen Unterschicht und unteren Mittelschicht: Sie leben im Hier und Jetzt, verweigern sich der Leistungsgesellschaft. Sie sehen sich als unangepasste und freie Menschen, die tun wollen, wozu sie Lust haben. Sie arbeiten als Bloggerin, kaufmännische Angestellte, Kellnerin, Kfz-Mechatronikerin, Kurierfahrerin, Erzieherin oder Friseurin. Sie machen zwölf Prozent der Frauen aus.

„Der Job ist dazu da, um Geld für die Freizeitaktivitäten zu verdienen.“

Kinderlose Hedonistinnen spüren weder einen Mangel an Freizeit noch an Geld, weil sie mit wenig auskommen. Typisch sind Jobs mit einer Wochenarbeitszeit von 25 bis 39 Stunden.

Doch die Geburt eines Kindes ändert für Hedonistinnen alles. Die Frauen leiden unter dem Verlust von Freiheiten und dem höheren finanziellen Druck. Der Anteil der Alleinerziehenden in diesem Milieu ist hoch, einige wurden vom Vater ihres Kindes verlassen, andere trennten sich selbst von ihrem Partner, weil dieser in eine traditionell-chauvinistische Rolle fiel, berichtet die Studie. Einige würden gern ein Jahr oder zwei zu Hause bleiben, doch das ist finanziell meistens nicht machbar. Ein Teil der Frauen will unbedingt finanziell unabhängig bleiben, auch für den Fall einer Trennung. Andere wollen, dass beide Partner zu gleichen Teilen arbeiten und sich auch die Mutter- und Vaterrolle teilen. Ein weiterer Teil hätte hingegen kein Problem damit, ganz zu Hause zu bleiben – vorausgesetzt, der Partner verdient genug.

„Ich habe viele Freundinnen, die schon seit drei Jahren nicht arbeiten. Die haben genug Geld und können sich komplett um die Kinder kümmern. Wenn es sich ergeben würde, dass mein Partner sich um das Finanzielle kümmert, fände ich es super, Hausfrau zu sein. Das ist zwar altmodisch, aber das ist ja jedem freigestellt.“

Den Aufruf aus der Politik an Frauen, arbeiten zu gehen, deuten sie als Eigeninteresse der Wirtschaft und sehen kaum den Nutzen für sich selbst. Wenn sie erwerbstätig sind, erwarten sie dafür staatliche Dankbarkeit und Gegenleistungen wie kostenfreie Kinderbetreuung.

Postmaterielle: Was ist eigentlich mit den Männern?

Postmaterielle Frauen haben die Vision von einem guten, gerechten, ganzheitlichen und ökologisch nachhaltigen Leben, arbeiten als Pädagogin, Versicherungskauffrau oder Lehrerin. Sie wollen traditionelle Geschlechterrollen überwinden, auch in der eigenen Partnerschaft. Außerdem wehren sie sich gegen aus ihrer Sicht politische und ökonomische Fehlanreizstrukturen. Elf Prozent der Frauen gehören zu diesem Milieu.

Sie sind gut ausgebildet, arbeiten bedeutet für sie gesellschaftliche Teilhabe und Sinn, aber auch finanzielle Eigenständigkeit. Einige arbeiten mehr als 40 Stunden, andere geringe Teilzeit oder vollzeitnahe Teilzeit. Sie wollen möglichst viel Zeit mit ihren Kindern verbringen (und wünschen sich das auch für ihren Partner) und fordern, dass Eltern nicht für ihre Familienarbeit durch eine geringe Rente bestraft werden.

„Immer mehr Männer wollen heute nicht nur der Ernährer sein. Da braucht es neue Organisationsmodelle. Es muss gehen, wenn ein Mann sagt: ‘Okay, in dieser Zeit arbeite ich nur 50 Prozent.’“

Sechs Stunden Arbeit am Tag wäre perfekt, aber dann geht die Rente flöten. Meine Kinder sind beide im Kindergarten. Mir ist es so wichtig, meine Zeit nachmittags mit den Kindern zu verbringen.“

Männer wollten nicht mehr der Haupternährer der Familie sein, sondern diese Verantwortung mit ihrer Partnerin teilen, sagen die Postmateriellen. Sie fordern, die Arbeitszeit an die jeweiligen Lebensphasen anzupassen.

Etablierte

Etablierte Frauen sind hoch qualifiziert und ambitioniert, arbeiten als Chefeinkäuferin, Abteilungsleitung im IT-Unternehmen, selbstständige Innenarchitektin oder Geschäftsführerin. Sie sind selbstbewusst und verstehen sich dank erworbener Qualifikationen, hoher Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft als Teil der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Führungselite des Landes. Sie machen fünf Prozent der Frauen aus.

Ein Familienleben neben dem Beruf ist für sie Erholungs-, Sinn- und Energiequelle. Kinder bekommen sie aber erst nach dem 30. Lebensjahr oder den ersten Karriereschritten, weil sie fürchten, sonst ihre beruflichen Ziele aufgeben zu müssen.

In den ersten Jahren im Job steigen sie in gleicher Weise und in gleichem Tempo wie Männer beruflich auf. Allerdings hat der Partner trotzdem in der Regel das höhere Einkommen, deshalb ist klar, dass sich die Frau nach der Geburt hauptsächlich um das Kind kümmert. Die Etablierten verschieben ihre eigenen früheren Karriereambitionen auf später, geben höhere Karriereziele auf oder suchen in der Selbstständigkeit eine neue berufliche Chance.

Laut Wippermann dient das Motiv: „Ich möchte Zeit für meine Kinder haben!“ gerade diesen Frauen dazu, den Widerspruch zu bewältigen, dass sie ihre beruflichen Ambitionen zurückstellen müssen, obwohl sie es nicht möchten. Trotzdem gibt es Konflikte in der Partnerschaft:

„Muss ich mal einen Tag weg, dann muss das organisiert sein. Meine Schwiegereltern sind in der Nähe, das ist schon ein Glück. Es ist gut vereinbar. Mein Mann würde nicht daheimbleiben, falls ein Kind krank ist. Da wurde nichts ausgehandelt. Das Büro meines Mannes muss einfach laufen, das ist das Hauptthema. Ich sehe bei meinem Mann nicht, dass er weniger arbeiten will. Ich würde gerne mehr machen, weil ich meinen Job auch gerne mache.“

„Da gibt es oft Krach, denn es stellt sich die Frage, wessen Arbeit wichtiger und wertvoller ist. Es geht oft auch darum, wer mehr Geld verdient.“

Wenn sie eine Familie gründen, wünschen sich diese Frauen mehr Freizeit und weniger Arbeit, auch für ihren Partner. Vor allem die starren Öffnungszeiten der Kitas sind ein Problem für die flexibel arbeitenden Etablierten.

Traditionelle & Konservative

Traditionelle und konservative Frauen haben eine klare Vorstellung vom guten Familienleben. Sie arbeiten etwa als Betriebsassistentin, Angestellte beim Immobilienmakler oder OP-Krankenschwester. Sie verteidigen die in ihrer Familie gepflegten Werte und Tugenden: Pflichterfüllung und Leistungsbereitschaft, lokale Verbundenheit und nationale Identität („Heimat“). Einerseits engagieren sie sich für Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, anderseits sorgen sie sich vor „Überfremdung“, Verlust der kulturellen und inneren Sicherheit und vor der Erosion der eigenen Identität. Fünf Prozent der Frauen gehören zu diesen Milieus.

Hier ist der Mann der Hauptverdiener, aber auch die Frauen arbeiten: nach der Ausbildung meist zunächst Vollzeit. Sie wünschen sich jedoch spätestens nach der Familiengründung eine Teilzeitstelle. Am liebsten würden sie ganz zu Hause bleiben, doch sie sehen sich durch ökonomischen Druck gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen. Für ihre Kinder da zu sein, ist für sie ein wesentlicher Sinn des Lebens.

„Ich habe bei Weitem mehr verdient als mein Mann, aber ich wollte die Mutter-Kind-Beziehung ausprägen. Ich will auch wieder arbeiten. Sicher, ich muss auch wieder arbeiten. Wenn das Geld ausreichen würde, würde ich gerne daheimbleiben.“

Frauen aus diesem Milieu wünschen sich deshalb ausreichend Kitaplätze, aber sie wollen auch das Betreuungsgeld zurück, das Mütter bekommen, die bei ihren Kindern zu Hause bleiben.

Nur wenige Frauen sehen volle Gleichstellung

Wie viel Prozent der Frauen von 18 bis 40 Jahren in unterschiedlichen Milieus stimmen voll und ganz zu, dass die Gleichstellung realisiert ist?

 

Quelle: Delta-Institut 2015

Und nun?

Die unterschiedlichen Probleme der Frauen zeigen: Die eine Lösung für eine gelungene Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen in Deutschland gibt es nicht. Was fast allen über alle Milieus hinweg helfen würde, sind kostenlose Kitaplätze mit flexiblen Betreuungszeiten. Außerdem wird die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen als großes Problem erlebt, ergibt sich doch daraus eine Rollenverteilung, die die Frauen eigentlich nicht möchten.

Auch an die Arbeitgeber richten die Frauen ganz konkrete Wünsche: Frauen aus dem Milieu der Etablierten würden sich ihre Arbeitszeit über die Woche oder gar das Jahr gern individuell einteilen. Auch räumliche Flexibilität, also Arbeit von unterwegs oder im Home Office, würde vielen Frauen helfen, Kinder und Job zu vereinbaren. Das fordern zum Beispiel die Performer. Frauen aus den Milieus der Etablierten und Performer wünschen sich, dass Väter zu mehr Elternzeit verpflichtet werden. Gemeinsam mit expeditiven Frauen fordern sie, dass diese Elternzeit den Männern auch ermöglicht werden muss, nicht zuletzt durch eine andere Firmenkultur.

Diese Wünsche machen zugleich auch die Leerstelle deutlich, die in der Studie klafft: die Männer, die ebenso zum Kinderkriegen gehören. Zahlen des Familienministeriums legen nahe, dass neben all den Hindernissen, die die Frauen nennen, eines vergessen wird: Was, wenn der Partner kein Kind möchte? 52 Prozent der kinderlosen Frauen möchten demnach bestimmt Kinder, aber nur 34 Prozent der Männer. Wird Zeit, sie zu fragen: Warum?

Dieser Text ist zuerst auf Zeit Online erschienen. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können.

Titelbild: Franca Gimenez – Flickr – CC BY-ND 2.0

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