Foto: Lucie Marshall

„Mama, wer kriegt dein Iphone, wenn du tot bist?“

Unterhaltungen mit Kindern sind wie Schleudergänge in der Waschmaschine

 

Kinder haben ja diesen pragmatischen, komplett undiplomatischen Blick aufs Leben, der den meisten von uns völlig abhanden gekommen ist. Mir auf jeden Fall.

„Mama“, fragt mich Sam auf dem Weg zur Schule, „wer kriegt eigentlich dein Iphone, wenn du tot bist?“

Ich bin leicht irritiert und prüfe anhand seines Gesichtsausdrucks, wohin die Reise mit dieser Frage gehen soll. Er ist aber tiefen entspannt und ich versuche mich in Pragmatismus, ohne es persönlich zu nehmen: „Da du mein einziges Kind bist, erbst du das.“ 

„Cool“, ist die Antwort und er rollert sehr
glücklich weiter. „Und Papas?“, hakt er kurz darauf nach. „Auch du“, antworte
ich.

„Dann habe ich zwei Iphones!!“, jubelt er. Und keine Eltern, ergänze ich still, verkneife mir aber einen blöden Spruch.

„Mama, und deinen Schmuck?“, legt er nach. Alter Schwede, denke ich, nicht persönlich nehmen, nicht persönlich nehmen, nicht persönlich nehmen und antworte: „Bekommst du auch.“

Er lächelt sehr zufrieden: „Mama, deine Klamotten finde ich jetzt aber nicht sooo toll. Ich mag halt keine Frauen-Klamotten.“

„Die kannst du dann ja in den Container vom Roten Kreuz tun“, antworte ich und er nickt zugewandt. „Stimmt“, ohne auf meine Ironie einzugehen.

3 Tage später liegen wir abends beim Lesen im Bett und er sagt: „Mama, ich will niemals alleine wohnen. Auch nicht, wenn ich 18 oder 19 bin.“

„Okay, musst du ja auch nicht“, sage ich und denke bei mir: „Das werden wir ja noch sehen…“

Und dann rollen die Tränen: „Mama, was mache ich denn nur, wenn du stirbst. Wenn ich alleine hier im Bett liege und niemand außer dir da ist und dann bist du tot. Was soll ich denn da machen?“

„Sam“, sage ich, „die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich gering, aber wenn dann gehst du zu den Nachbarn!“

„Und wenn die auch tot sind??“

„Dann“, sage ich und heule jetzt fast mit, „rufst du die Polizei an.“

„Aber was ist, wenn ich den Code von deinem Iphone vergessen habe?“

„Aber den weißt du doch!“

„Aber was ist, wenn ich so aufgeregt bin, dass ich ihn vergesse??“, fragt er panisch.

„Mmmh, sollen wir einen neuen Code eingeben, den du dir besser merken kannst – im Falle eines Falles?“

„Ja!“, kommt die erleichterte Antwort.

Und dann wählen wir gemeinsam einen neuen Code aus und geben ihn auf seinem zukünftigen Iphone ein.

So ist das mit Kindern. Es ist ein Wechselbad der Gefühle.

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