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Höchste Zeit: Wie Männer bessere Mentoren für Frauen werden

Ein*e gute*r Mentor*in kann oft für einen richtigen Karriere-Boost sorgen. Männer tun sich aber immer noch schwer damit, diese Rolle für Frauen zu übernehmen. Das ist fatal – für beide Seiten.

Gib dein Wissen weiter

Wissensvermittlung ist ein essentieller Aspekt, wenn es darum geht, beruflich weiterzukommen. Deshalb ist das Konzept des Mentoring wahnsinnig wichtig: Erfahrung an Jüngere weitergeben und diese damit in ihrer Entwicklung unterstützen. Mentor*innen geben Wissen weiter, unterstützen in beruflichen und persönlichen Fragen und sind wichtige Kontakte und Referenzen, wenn es darum geht, auf der Karriereleiter weiterzukommen. Gerade für junge Menschen und ja, auch insbesondere Frauen, ist es daher wichtig, dass sie auf ihrem Weg unterstützt werden.

Deshalb gibt es mittlerweile viele Frauen-Mentoring-Programme, in denen weibliche Führungskräfte junge Frauen an die Hand nehmen und unterstützen – und im Gegenzug immer auch viel von ihren Mentees lernen. Da die Chef*innenetagen aber noch gar nicht lange (und an vielen Stellen leider auch immer noch nicht) offen für Frauen sind, gibt es gar nicht so viele „Senior-Frauen”, die all die vielen schlauen, talentierten, ambitionierten jungen Frauen betreuen könnten. Auch deshalb ist es wichtig, dass auch Männer Mentoren für junge Frauen werden. Mal ganz abgesehen davon, dass in einer gleichberechtigten Welt, die wir anstreben, Männer Frauen und Frauen Männer fördern sollten, völlig unabhängig vom Geschlecht. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, deshalb müssen männliche Führungskräfte, Wissenschaftler und Experten endlich ihre Hemmungen überwinden und junge Frauen fördern.

Männer haben Angst vor Frauen

Das sehen auch der Soziologie-Professor David G. Smith und der Psychologie-Professor W. Brad Johnson so. Die beiden Mitarbeiter der Marine-Universität in den USA haben deswegen in einem Artikel für Harvard Business Review dargelegt, warum es an der Zeit ist, dass männliche Mentoren ihre Verantwortung wahrnehmen und so, wie alle Beteiligten, davon profitieren können.

Dafür gehen die beiden erst einmal der Frage auf den Grund, warum einige männliche Mentoren so ein Problem damit haben, insbesondere junge Frauen als Mentees anzunehmen. Die größte Angst scheint zu sein, dass Außenstehende denken könnte, dass zwischen Mentor und Mentee ein sexuelles Verhältnis bestünde, obwohl das nicht der Fall ist. Um diese These zu unterstützen, zitieren die Forscher eine Studie aus dem Jahr 2010, in der herauskam, dass fast zwei Drittel der Senior-Männer (und rund ein Drittel der weiblichen Nachwuchskräfte) vor einem zwischengeschlechtlichen Mentoring genau aus diesem Grund zurückschreckten.

Frauen sind zu emotional?

Darüber hinaus haben viele männliche Mentoren auch noch Angst davor, dass weibliche Mentees zu emotional sein könnten – das alte Klischee, dass Frauen Gefühle offener zeigen und zum Beispiel schneller losweinen würden. Ja, so Johnson und Smith, es gibt tatsächlich neurologische Studien, die diese Tendenz zumindest zum Teil bestätigen. Allerdings nicht, weil Frauen schneller emotional werden, sondern nur weil sie biologisch und sozial dazu neigen, schlechte Erfahrungen nach außen zu tragen. Männer empfinden laut den beiden Wissenschaftlern das gleiche, unterdrücken die Gefühle allerdings eher. Das ist übrigens je nach Sozialisierungshintergrund variabel. Sind kommunizierende Frauen also wirklich schlimmer als schweigende Männer?

Nein, sind sich auch die beiden Forscher einig und haben ein paar Tipps, wie männliche Mentoren weibliche Mentees besser unterstützen und fördern können: Zuallererst sollten sie einfach darüber hinwegkommen, dass Frauen vielleicht mehr Emotionen zeigen, verstehen, warum das so ist, kapieren, dass das nichts mit Schwäche zu tun hat und die Vorteile darin sehen: Frauen nehmen ihre Umgebung oft besser wahr – das kann ein großer Vorteil sein.

Zuhören lohnt sich

Deshalb sollten männliche Mentoren unbedingt die Fähigkeit entwickeln, ihren weiblichen Nachwuchskräften zuzuhören, anstatt Dinge in bester „Mansplaining-Manier” direkt für ihre Mentees zu „regeln”. Wenn sie dazu bereit sind, machen sie höchstwahrscheinlich die Erfahrung, dass die Beobachtungen der Frauen ihnen neue Perspektiven eröffnen können, die sie wiederum zu besseren Chefs machen kann.  Außerdem können Tränen auch ein Ausdruck von Leidenschaft für die Sache sein. Deshalb raten Smith und Johnson den männlichen Mentoren auch, nicht bei der ersten Träne davonzurennen, sondern zur Not die Taschentücher griffbereit zu haben, darüber hinwegzukommen, dass Frauen öfter weinen und einfach damit weitermachen, die talentierte Frau zu fördern.

In der Höhle des Löwen

Ein weiterer Vorwurf, der jungen ambitionierten Frauen oft gemacht wird: Sie seien nicht wettbewerbsorientiert genug. Männer würden sich immer messen wollen, Frauen würden den Konkurrenzkampf sogar scheuen, wenn sie ziemlich gute Chancen hätten als Siegerin vom Platz zu gehen. Das liegt, laut den Professoren, vor allem an unser Sozialisation. Aber, auch das sei wissenschaftlich belegt: Konkurrenzkampf in Mentoring-Beziehungen ist fast immer kontraproduktiv. Die sollten nämlich auf Machtteilung, gegenseitigem Austausch, Gleichberechtigung und der Einbeziehung von persönlichem und beruflichem Leben beider Beteiligten basieren.

Trotzdem ist es manchmal auch wichtig, dass man seine Leistung herausstellt. Frauen neigen aber dazu, ihre eigene Leistung kleiner zu machen. Gute männliche Mentoren unterstützen sie deshalb darin, zu lernen, sich auch mal gebührendes Lob abzuholen.

Selbstüberschätzung ist für alle Beteiligten schlecht

Bleibt noch die Angst davor, dass die weiblichen Mentees sich in ihren Mentor verlieben. Aber auch da müssen die Forscher das männliche Ego enttäuschen. Sie führen Studien an, die belegen, dass es eher Männer sind, die sich zu ihren weiblichen Kolleginnen herangezogen fühlen als andersherum. Und das selbst wenn keine Anziehung besteht, Männer eher davon ausgehen, dass ihre weibliche Kollegin sich in sie verliebt als Frauen das über ihre männlichen Kollegen denken. Ein guter Mentor ist sich dieser Tatsachen bewusst und zwingt sich zur Selbstreflexion – ohne diesen Gefühlen aber nachzugeben.

Ein guter Mentor kann nur gewinnen

Um ein inklusives, diverseres und gleichberechtigtes Arbeitsumfeld endlich Realität werden zu lassen, müssen sich männliche Mentoren für Mentees öffnen, die nicht ihrem eigenen Spiegelbild entsprechen – dabei können sie nur gewinnen. Und dann müssen sie ein guter Mentor für diese Person werden. Wie das geht? Zusammengefasst macht sich ein guter Mentor diese Besonderheiten einer Mentoring-Beziehung zwischen Mann und Frau bewusst und berücksichtigt sie in seiner Art des Mentoring. Ein reflektierter und emphatischer Mentor, der seine Rolle bewusst und gewissenhaft ausfüllt – und das unabhängig vom Geschlecht des Schützlings, wird die Erfahrung machen, dass seine Mentees öfter befördert werden und mehr Gehalt bekommen, dass sie darüber hinaus glücklicher in ihrem Job und loyaler gegenüber ihrer Arbeitsstelle oder dem Netzwerk, aus dem der Mentor kommt, sind.

Außerdem werden sie bemerken, dass, wenn der Mentee in der eigenen Firma arbeitet, diese erfolgreicher, innovativer und kreativer wird. Und das gilt auch für den Mentor selbst: Er entwickelt sich zu einer besseren Führungskraft ­­­– und ziemlich sicher auch zu einem besseren Freund, Partner und Gesellschaftsmitglied. Denn, auch das haben die beiden Forscher in Gesprächen mit männlichen Mentoren herausgefunden: Frauen-Mentoring lohnt sich für Männer sogar mehr als für die jeweiligen Frauen. Viele von ihnen gaben nämlich an, dass sie von ihren weiblichen Mentees mehr gelernt hätten als diese von ihnen. Noch Fragen?

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