Foto: Wikipedia - Zeno Bresson - CC BY-SA 3.0

Warum wir zu Gina-Lisa Lohfink halten sollten

Der aktuelle Fall von Gina Lisa Lohfink zeigt einmal mehr, wie dringend eine erneute Reform des Sexualstrafrechts nötig ist.

Das Sexualstrafrecht und seine eklatanteste Lücke

Unser Sexualstrafrecht weist immer noch eklatante Lücken auf. Immer noch reicht ein verbal ausgesprochenes: „Nein!“ nicht aus, um eine Vergewaltigung auch juristisch als eben diese behandeln zu können. Frauen müssen sich ersichtlich körperlich wehren, damit von einer Vergewaltigung gesprochen werden kann. Diese Auslegung ist wahnsinnig rückständig und verwandelt viele Opfer in vermeintliche Lügnerinnen.

„Hör auf“ meint „nein“!

Ein aktueller Fall führt uns gerade wieder einmal vor Augen, wie dringend das Sexualstrafrecht reformiert werden muss: Gina Lisa Lohfink, bekannt durch die Teilnahme bei Germany’s Next Topmodel vor einigen Jahren und viele kleinere Medienskandale danach, steht wegen angeblicher Falschaussage vor Gericht. Der Hintergrund: Im Jahr 2012 tauchte ein Video auf, bei dem Gina Lisa beim Geschlechtsverkehr mit zwei Männern zu sehen war. In diesem wehrt sich Gina Lisa zweimal deutlich verbal dagegen, was die Männer mit ihr machen. Sie sagte mehrfach: „Hör auf.“ Wenn eine Frau den Sex nicht will und das zum Ausdruck bringt, ist das Vergewaltigung – denn man zwingt sie und setzt sich über ihren Willen hinweg. Unser Rechtssystem sieht genau das jedoch anders.

Gina Lisa zeigte die beiden Männer wegen Vergewaltigung an. Sie vermutet, dass diese ihr K.O. -Tropfen verabreicht haben. Diese sind aber, zu Zeiten der Anzeige und der Anklage, längst nicht mehr im Blut nachweisbar. Man kann die Droge nur wenige Stunden nachweisen. Der Prozess nahm eine absurde Wende: Die Männer wurden trotz des Videos, das den Vorgang zeigt, nicht verurteilt. Stattdessen wurde Gina Lisa Lohfink zu einer hohen Geldstrafe wegen Falschaussage verurteilt: 24.000 Euro. Dagegen gingen sie und ihr Anwalt in Berufung. Momentan läuft die erneute Verhandlung.

„Nein“ heißt „Nein“ steht wieder zur Diskussion

Lohfinks Fall zeigt einmal mehr, welch große Lücke das bestehende Sexualstrafrecht immer noch aufweist. „Nein“ muss endlich „Nein“ heißen! Warum müssen Frauen sich erst ersichtlich körperlich wehren, bevor eine Vergewaltigung als das benannt werden kann, was sie ist? Und wie oft können Frauen sich vielleicht gar nicht körperlich wehren? In Lohfinks Fall liegt sogar ein Video vor, in dem deutlich zu hören ist, wie sie: „Hör auf!“ sagt. Warum reicht das als Beweis nicht aus? Das Problem bei dem Versuch eine Vergewaltigung nachzuweisen ist oft, dass es keine eindeutigen Beweise gibt. Wenn nun, in einem Fall, in dem sogar ein Video vorliegt, die Frau vom Opfer zur Täterin gemacht wird, ist das ein beängstigendes Zeichen für alle Frauen, die keine ersichtlichen Beweise für die ihnen widerfahrende Gewalt erbringen können. Auch deshalb sollte dieses Urteil nicht akzeptiert werden, denn, wie viele Frauen verlieren ansonsten gerade durch solche medialen Beispiele den Mut, sexualisierte Gewaltverbrechen anzuzeigen?

Momentan wird zum Glück auch in der Politik wieder über die Aufnahme eines „Nein heißt Nein“-Paragrafen in das Sexualstrafrecht diskutiert. Viele Aktivistinnen und Politikerinnen setzen sich vehement für die längst überfällige Reform des Gesetzes ein. Aber, noch hat sich nichts geändert. Und das bedeutet in der Realität für viele Frauen, dass sie weiterhin durch das Gesetz nicht geschützt, sondern sogar ausgeliefert werden.

Alle Frauen müssen vor Gewalt geschützt sein

Die Berichterstattung legt noch einen anderen Missstand offen – einen in unserer Gesellschaft. Es gab viele Schlagzeilen, die infrage gestellt haben, ob Gina Lisa, die immer zeigte, dass sie gern Sex hat, überhaupt vergewaltigt worden sein könne. Der Tenor hierbei: Wer schon mal Sexvideos gedreht hat und sich offenherzig präsentiert, ist selbst Schuld. Was für ein menschenverachtendes Denkmuster. Egal, welche Geschichte eine Frau hat, egal ob sie Pornostar, Sexarbeiterin, leicht bekleidet oder betrunken ist, eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung. Und jede Frau hat das Recht „Nein“ zu sagen! Egal, wie oft sie vorher vielleicht „Ja“ gesagt hat. Eine Gesellschaft, die das nicht akzeptiert und unterstützt, ist eine Gefahr für all die Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung werden.

Neben dem Sexualstrafrecht, muss deshalb auch unser gesellschaftliches Verständnis sich ändern. Frauen, die vergewaltigt wurden, sollten neben all dem Leid, das sie schon durch den Gewaltakt erleben, nicht auch noch Angst vor einer Verurteilung in der Öffentlichkeit haben. Unsere Gesellschaft sollte Opfer von Vergewaltigungen viel mehr die Sicherheit geben, die sie brauchen, um einen Täter anzuzeigen. Und genau deshalb brauch jetzt auch Gina Lisa unsere Solidarität.

Mehr bei EDITION F

Neues Sexualstrafrecht: Ein Nein heißt immer noch nicht nein. Weiterlesen

#TheEmptyChair – Glaubt endlich den Frauen, die vergewaltigt wurden. Weiterlesen

Vergewaltigung im Livestream – wie sollten Facebook und Twitter damit umgehen? Weiterlesen

Anzeige