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Spielt die Qualität von Spermien bei Fehlgeburten eine Rolle?

Bei Fehlgeburten beginnt die Suche nach Ursachen häufig erst einmal bei den Personen, die schwanger waren und werden wollen – das könnte sich nun aber ändern. Denn eine Studie legt nahe: Die Qualität der Spermien spielt dabei wohl eine wichtigere Rolle als bislang angenommen.

„Die Gesundheit der Spermien wird bei der Ursache von Fehlgeburten vernachlässigt“

Beim Umgang mit Fehlgeburten sind wir als Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten kaum weitergekommen. Einerseits ist der Verlust einer Schwangerschaft immer noch ein Tabu, das Betroffene häufig in eine schmerzhafte Sprachlosigkeit führt, andererseits wird das Thema meist enger mit Müttern und austragenden Personen in Verbindung gebracht als mit den Personen, die zur Befruchtung die Spermien beigetragen haben. Sowohl Ursachen als auch die psychische Verarbeitung sind Themen, die sowohl privat als auch in der Medizin vor allem im Kontext cis Frau gedacht werden.

Das zeigt sich auch daran, dass sich Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen etwa bei der Ursache von wiederholten Fehlgeburten, vor allem auf den Körper der Schwangeren konzentrieren und konzentriert haben. Zwar weiß man schon lange, dass bei unerfüllten Kinderwünschen beide Personen Anteile daran haben können, wenn sich keine Schwangerschaft einstellt, doch bei Fehlgeburten hat es gedauert, bis die Rolle von Spermien stärker in den Fokus gerückt ist. Diese Vorgehensweise hat nicht nur medizinische Lücken offen gelassen, sondern sie kann zudem auch zu einem überproportionalen emotionalen Druck führen, wenn Fehlgeburten einseitig betrachtet werden. Aber an diesem Schema könnte sich nun etwas ändern.

Schäden am Erbgut

Denn Wissenschaftler*innen des Imperial College London haben für eine Studie, die im Fachmagazin Clinical Chemistry erschienen ist, die Spermien von 50 cis Männern analysiert, deren Partnerinnen mindestens dreimal hintereinander ein Kind vor der 20. Schwangerschaftswoche verloren hatten. Diese wurden dann mit 60 cis Männern aus einer Kontrollgruppe verglichen, deren Partnerinnen (bislang) keine Fehlgeburten erlebt haben.

Dabei kam heraus, dass das Sperma der Probanden etwa doppelt so häufig Schäden am Erbgut aufwies wie das der 60 anderen. Diese Schäden, so vermuten die Forscher*innen, könnten durch Moleküle entstanden sein, die sich in Folge von (früheren) Bakterien oder Entzündungen durch Zellen im Sperma bilden. Denn die 50 Probanden hatten eine vier Mal höhere Anzahl dieser Moleküle als die Männer der Kontrollgruppe. Auch Gewicht und Alter könnten sich der Studie zufolge auf die Häufigkeit von Fehlgeburten auswirken. Die Männer, deren Partnerinnen die mehrere Fehlgeburten erlebt hatten, waren im Schnitt sieben Jahre älter und hatten im Schnitt mehr Gewicht als die Männer in der Vergleichsgruppe. Die Forscher*innen wollen nun untersuchen, ob auch hier Zusammenhänge mit der Spermienqualität bestehen.

Die Ursachen für Fehlgeburten sind vielfältig

Auch wenn die Studie nicht repräsentativ ist, schließen ihre Ergebnisse an jene von zuvor erschienen Studien an, die den Einfluss der Spermienqualität für eine Befruchtung der Eizelle und auch die einer Schwangerschaft bereits untersucht haben. Etwa in dem Aspekt, welche Rolle sie für die Bildung der Plazenta spielen, die eine wichtige Rolle für eine intakte Schwangerschaft hat. Auch wenn das also nicht die erste Studie zu Spermien und Ergebnissen einer Schwangerschaft ist, hat sich am Status quo, dass die Gesundheit von Spermien, so der Hauptautor der Studie, Channa Jayasena, sich bei wiederholten Fehlgeburten immer noch vernachlässigt würde. Es bleibt also zu hoffen, dass die Forschungsergebnisse dazu beitragen, dass die Ursachen für wiederholte Fehlgeburten besser erfasst und sogar auch behandelt werden können.

Die Ursachen für eine Fehlgeburt sind vielfältig und selten lässt sich mit absoluter Sicherheit sagen, was sie verursacht hat. Denn so traurig sie für Menschen sein können, die sie erleben, zunächst einmal sind sie sehr häufig. Man schätzt, dass 30 bis zu 40 Prozent aller Schwangerschaften in den ersten zwölf Wochen in einer Fehlgeburt enden und eine erste Fehlgeburt steht einer darauf folgenden, gesunden Schwangerschaft erst einmal nicht im Weg. Dass nun aber nicht mehr per se die Schwangere sich fragen muss, ob es a ihr lag, ist ein entscheidender Fortschritt. Die neuen Erkenntnisse zur Rolle der Spermienqualität bei Fehlgeburten könnte dabei helfen, die emotionale Last zu teilen. Und auf  ihnen kann weitere Forschung aufbauen, die Patient*innen Antworten gibt und Behandlungsmöglichkeiten hervorbringen könnte.

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