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Stetes Dating höhlt den Stein

Wenn man wie verrückt nach einem Partner sucht, dann wird man meistens nicht fündig, sondern höchstens noch ein bisschen sonderbarer, als man ohnehin schon ist

 

Dates können einen wirklich mürbe machen! Vor allem, wenn man das Gefühl hat, sich in einer stetigen Abwärtsspirale auf ein grausames Finale hin zu bewegen. 

Eigentlich dürfte das doch alles gar nicht so schwer sein, vor allem in Berlin, der Stadt der Singles. Aber Berlin ist vielleicht mehr die Stadt von Tinder und dass korreliert nun mal nicht immer mit dem Single-Status. Und dann gibt es in dieser Stadt auch noch diese Flut von Transit-Singles, die einfach ein paar Monate bleiben und dann in die nächste Stadt weiterziehen. Die kann man, wenn man ersthaft nach einem Partner sucht, auch nicht mitzählen. Na ja und dann sind da eben noch die ganzen Schrägen, die das Leben hier so bunt und unterhaltsam machen, aber bei einem Date extreme Fluchtreflexe auslösen.

Mein Kollege ist gerade dabei, die Tücken des Datings in Berlin mit all seinen Furchen und Tiefen zu durchleiden und dabei erfolglos nach Höhepunkten Ausschau hält. Ein Jahr lang ist er nun bereits auf der Suche und hat mehr als fünfzig Dates abgerissen. Mangelndes Durchhaltevermögen kann man ihm wahrlich nicht vorwerfen. Eigentlich ist er ein ganz netter Typ und auch nicht unattraktiv, aber es will einfach nicht klappen. Je mehr Dates er hat, umso schräger werden seine Erlebnisse und umso merkwürdiger fängt er selbst an zu werden. Offenbar färbt das ab und irgendwann wird das Bilder wegwischen und chatten zur Sucht. Wie ein Zocker glaubt er,  dass der Hauptgewinn ist nur noch ein Date entfernt ist. 

Doch wann hört man auf zu suchen? 

Das ist nicht einfach zu beantworten, wenn einen die Sehnsucht treibt. Es ist besonders schwer für all jene, die nie gelernt haben, auch alleine glücklich zu sein, denn wie soll man zur Ruhe kommen, wenn man das Gefühl hat, dass einen die Einsamkeit erstickt? Doch gerade in solchen Momenten, in denen es einem das Leben mal wieder schwer macht, hat man die Möglichkeit, etwas zu lernen. Nicht nur, wie man sich möglichst schnell aus der unangenehmen Situation befreit, sondern vielmehr diese auszuhalten und das Beste daraus zu machen. In einer Welt, die eine ständige und sofortige Befriedigung aller Wünsche und Gelüste postuliert, ist das kein leichtes Unterfangen.

Zur Ungeduld kommt dann auch noch der Anspruch nach dem idealen Partner dazu. Ich erinnere mich noch an sein zweites oder drittes Date, bei dem er eine Frau kennenlernte, die er eigentlich ziemlich gut fand. Aber, sagte er bedauernd, sie habe zu viele Falten. Ich habe seine Antwort belächelt, den Kopf geschüttelt und mir in der Mittagspause eine Anti-Faltencreme gekauft. Die nächsten Frauen waren zu dick, zu alt, zu jung, hatten Kinder oder eine komische Stimme. Es gab nichts, was von ihm nicht als k.o. Kriterium postuliert wurde. Aber nach fast einem Jahr wird er langsam mürbe. Stetes Dating höhlt den Stein. Nun trifft er bereits zum dritten Mal eine Frau, die kokst, lispelt und eine verpfuschte Brust-OP hinter sich hat. 

Diese Welt ist verrückt geworden und wir werden es mit ihr. Wir suchen einen Partner fürs Leben, indem wir Fotos von Gesichtern nach links oder rechts wischen. Wir bekommen ständig suggeriert, dass die Welt überquillt vor unendlich vielen Möglichkeiten, dass wir alles haben können und zwar sofort. Wir lassen uns von Schönheitsidealen drangsalieren und schauen nicht mehr hinter all die Fassaden, die uns jeden Tag umgeben.  Wenn wir einem anderen Menschen wirklich begegnen wollen, dann müssen wir zunächst den Mut haben, uns selbst zu begegnen.  Wir müssen lernen uns zu akzeptieren, mit all unseren Unzulänglichkeiten, dann lernen wir das auch bei anderen zu tun. Also weg mit der Anti-Falten Creme, die bringt sowieso nichts. Natürlich muss man nicht jeden attraktiv finden, oder sich irgendetwas schön reden, das nicht zu einem passt, aber auf der Flucht schlägt man eben keine Wurzeln. 

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