Foto: deichdeern.com

Stille im Stillcafé

28-jährige Bauernbraut berichtet über ihr erstes Mal – im Stillcafé.

 

Mein Name ist Julia. Ich bin verheiratet und habe einen 8 Wochen
alten Sohn. Da ich neu in dieser „Mutti-Szene“ bin, verschaffe ich mir
erstmal einen Überblick. Nachdem ich  mehrere Wochen zuhause die Tapete
angestarrt habe, muss ich dringend unter Menschen. Mein erstes
Auflugsziel fiel als „new mom“ auf das Stillcafé im Nachbarort.
Selbstverständlich (!) habe ich das vorher gegoogelt, was mich da
erwarten könnte. Ich will ja vorbereitet sein und nicht auffallen:
„Stillcafé ist die übergeordnete Bezeichnung für einen offenen Treff für
 Mütter gerade zur Welt gekommener Babys. Der Fokus liegt dabei auf dem
Wort „Treff“, […]“ – Aha. Ok. Kommunikativ bin ich. Sogar so sehr, dass
meine Lehrer es früher in meine Zeugnisse geschrieben haben.

Nun gut. Ich finde mich wieder auf einer Gummimatte mit sechs Mamas,
sechs Kindern und einer Hebamme. Wir sitzen im Kreis und die Hebamme
eröffnet „den Ring“: „So, ich schlage vor, ihr erzählt mal alle der
Reihe nach, was ihr alles so für Babykurse besucht.“ Babykurse?
„Julchen, einfach nett lächeln und warten, was die anderen jetzt sagen,“
 denke ich mir und griene vor mir hin. Die Erste beginnt: „Montags
Pekip, dienstags Babymassage, mittwochs Rückbildung, donnerstags Kanga…“
 – Meine Aufmerksamkeit ist nur bis Pekip gekommen. Ich musste
feststellen, dass meine Google-Recherche nicht ausgereicht hat. „Und
freitags?“, hake ich neugierig nach. „Nein, freitags machen wir nichts.
Das Kind muss ja auch nochmal Kind sein. Das ist mir total wichtig.“ Ich
 merke, wie mein Mund offen steht und ich einen leicht glotzigen Blick
bekomme. „Julchen, riet di tosomm“, flüstert mir meine innere Stimme.
Natürlich ging die imaginäre Friedenspfeife weiter und landete
schließlich bei mir. „Was machst du mit deinem Kleinen?“ Mir fallen
tausend dumme Sprüche ein. Ich hab sie mir allesamt brav verkniffen. Ein
 leises „Wir machen nichts“ säusle ich hinaus. Alle starren mich an.
Einen Moment zu lang für mein Geschmack, aber ok.

Auf dem Heimweg grübel ich noch über diese Kurse-Geschichte. Muss ich
 meinen kleinen Jungen jetzt überall anmelden? Gehört sich das so? Was
will ich überhaupt? Zuhause angekommen, setze ich mich an den PC und
recherchiere. Irgendwie drifte ich aber ab und lande auf der Homepage
der Süddeutschen. „Allergie-Prävention – Kuhstall ist der beste Schutz“
steht in fetten Lettern auf dem Bildschirm. Wie ein Schwamm sauge ich
das Interview mit der Medizinerin Erika von Mutius auf. „Warum
 sind Bauernhofkinder weniger gefährdet? – Weil sich die Mutter während
der Schwangerschaft und später das Kind im Kuhstall aufhalten- das ist
der beste Schutz.“

Entschlossen greife ich zum Tragegurt, nehme den Kleinen und gehe mit
ihm raus zu meinem Mann, der gerade die Milchkühe füttert. Seit dem Tag
verbringt der Kleine seine Mittagsstunde an der frischen (Stall-)Luft.
Wenn mich die Hebamme jetzt fragt, was ich für die Gesundheitsförderung
meines Kindes tue, dann bekommt sie die Antwort: „Mittagsstunde auf dem
Futtertisch.“

 Die Erstveröffentlichung dieses Textes findest du auf deichdeern.com sowie auf der dazugehörigen Facebook-Seite.

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