Foto: Brooke cage/ Bild 170054 / Unplash

Trennen oder zusammenbleiben?

Auch wenn man ein gemeinsames Kind hat, muss man nicht zusammenbleiben. Aber wann ist es sinnvoll, sich zu trennen? Und was darf man vom Partner oder von der Partnerin nach den zahlreichen gemeinsamen Jahren erwarten?

 

Einer Artikel von www.holistia.ch

Ein heikles Thema, dem sich Julianne Ferenczy, Coach,
Mediatorin und Paartherapeutin, offen und anschaulich annähert.

Welche Hürden sind zu nehmen, um als Paar langfristig
glücklich zu sein?

Erst einmal darf jeder für sich selbst klären, ob im Einzelfall eine langfristige Beziehung zwingend Glück bedeutet. Es gibt Begegnungen von Menschen in einer kurzen Nacht, die mehr Tiefe, Bedeutung, Liebe und Intensität aufweisen, als so manche Dauer-Beziehung, in der man aneinander vorbei liebt und lebt. Die Dauer ist also nicht der alleinige Massstab für das Glück in einer Beziehung, sondern auch die Art und Weise der jeweils gelebten Verbindung. 

Die zu überwindenden Hürden oder Hindernisse unterteile ich in drei
Ebenen, nämlich die äussere, die innere, und die der Sichtweise:

1. Wir verbinden Glück mit angenehmen Zuständen. Also sollte jeder Partner versuchen, die Situation positiv mitzugestalten, indem er/sie Angenehmes für sich selbst und für den anderen in die Beziehung hineingibt. Das geschieht auf materielle Weise durch Grosszügigkeit, oder emotional durch Liebe und Einfühlungsvermögen, sowie geistig durch unsere tägliche Sichtweise.

2. Wir werden in jeder Beziehung früher oder später damit konfrontiert, dass uns immer der Spiegel vorgehalten wird. Der Grund für unsere Unzufriedenheit sind immer wir selbst, nicht der Partner, und das ist unsere grosse Chance! Je mehr wir uns selbst verstehen, annehmen und mögen, wie wir sind, umso mehr Verständnis, Empathie und Liebe werden wir auch für unseren Partner entwickeln. Wir lernen die Kunst „gewaltfrei“ zu kommunizieren, eigene Wünsche und Vorstellungen mitzuteilen und dem anderen ebenfalls unvoreingenommen zuzuhören.

3. Bei allen langjährigen Beziehungen gilt es irgendwann herauszufinden, welche gemeinsamen Ziele man hat, welche Visionen und Aktivitäten, die über das einfache Paar-Sein hinausgehen. Gemeinsam zeitlose Werte zu teilen in Spiritualität, Religiosität, Menschenliebe, Tier- oder Umweltschutz, Nachbarschaftshilfe, politischem Engagement, usw. lässt uns zusammen als Paar über das tägliche Allerlei hinauswachsen.

Was kann man nach vielen Jahre in einer Beziehung noch „erwarten“ in Sachen Verführung oder Aufmerksamkeit?

Wir alle haben gewisse Verhaltensmuster, an denen wir gerne festhalten, gepaart mit wiederholt schwindender Offenheit und mangelnder Aufmerksamkeit, worin wir aus Gewohnheit versinken und uns dadurch dem anderen (und der Liebe und dem Glück) entziehen. Aber Paare kommen auch immer wieder aus diesen Tiefen hervor, können sich inspirieren und unterstützen, über ihre Gewohnheiten und emotionalen Grenzen hinauszugehen, gemeinsam Neues auszuprobieren, sich gemeinsam vom Leben „verführen“ zu lassen und insbesondere aufmerksam für die kleinen Dinge der Zweisamkeit zu sein.

Diese Aufmerksamkeit erzielt man am leichtesten durch
Dankbarkeit. 

Jeden Morgen kann man aufwachen und sich selbst und ab und zu gern auch mal dem/der Liebsten sagen: Danke, dass wir (noch) zusammen sind. Was für
ein Wunder!

„Danke, dass wir (noch) zusammen sind. Was für ein Wunder!“

Wie kann man die Routine in einer Beziehung als etwas
Positives sehen?

Routine bedeutet, man beherrscht eine Sache so gut, dass man
darüber nicht mehr nachdenken muss, wie man sie zu tun hat. Etwas wird zur
Gewohnheit, weil wir es regelmäßig wiederholen und wir werden darin routiniert,bestenfalls sogar zu Meistern. In der Paar-Beziehung liefern wir also z.B. den perfekten Guten-Morgen-Kuss, eine erfüllende Umarmung am Abend, meisterhaftes Zuhören und Erzählen von der Arbeit und dem Tag, besten Versöhnungssex nach Streit, gemeinsamen Marktbummel samstags, das gewohnte Lieblings-Weihnachtsessen und auch im Bett weiß man schon, was kommt.

Damit gibt es also kaum noch Überraschungen, aber auch keine
bösen. Und weniger Enttäuschungen. Denn auf die Routine ist Verlass. Da kann
man sich entspannen, es sich einfach gut gehen lassen und gemeinsam glücklich
sein. Und falls es dann mal zu unvorhersehbaren Wendungen kommt, weiß jeder
schon aus Gewohnheit, wie er/sie den anderen wieder froh macht!

„Denn auf die Routine ist Verlass. Da kann man sich
entspannen, es sich einfach gut gehen lassen und gemeinsam glücklich sein“

Kinder bringen viel Glück, sind aber auch oft eine Herausforderung für das Paar. Was raten Sie?

Das Wichtigste, was sich Paare schon vor der Geburt ihres
ersten Kindes versprechen sollten ist, dass das Eltern-Glück immer an erster
Stelle steht! Denn nur glückliche Eltern können für Kinder positive Vorbilder
sowie Glücks- und Liebesquellen sein.

Deshalb gilt es, sich als Paar regelmäßig eine Auszeit zu
nehmen und den Kindern zu erlauben, bei den Großeltern oder mit Babysitter auch mal ohne die Eltern froh zu sein.

Wie weiß man, ob es sich weiterhin lohnt, in der Beziehung
zu bleiben, oder wann es besser ist, sich zu trennen?

Ehe-Schwierigkeiten gehören zum Leben dazu und können uns
helfen, auch innerhalb von Streit und Auseinandersetzung mehr Liebes- und
Glücksfähigkeiten zu entwickeln. Ist aber die Obergrenze unserer
Beziehungs-Intoleranz erreicht, sollte man sich die Freiheit gönnen, eigener
Wege zu gehen. Auf drei Ebenen gibt es Zeichen, ob der Zeitpunkt der Trennung
gekommen ist:

1. Die verletzenden Dinge innerhalb der Beziehung nehmen Überhand und betragen mehr als 50% im Verhältnis zu liebevollen Gesten und körperlicher Zärtlichkeit, zu lobenden und bejahenden Worten, sowie zu gegenseitigem Respekt.

2. Unsere Wünsche für unser Leben und für die Entwicklung unseres vollen Potenzials finden weder Anklang und Unterstützung bei dem anderen noch fühlen wir uns von dem Partner in unserem Fortkommen inspiriert.

3. Beide Partner schaffen es nicht (mehr), den anderen als spannendes Einzelwesen in dessen Individualität, Andersartigkeit, Vielschichtigkeit und Selbständigkeit zu genießen und daraus gemeinsamen Vorteil zu ziehen.

Wenn einer sich dann tatsächlich trennt, dankt man der gemeinsam geteilten Liebe und Zeit, und lässt jegliche Rachegefühle oder Nicht-Verzeihen-Können los. Denn sonst bleibt man in einer unglücklichen Beziehung stecken, obwohl der andere zumindest emotional schon längst über alle Berge ist. Sind beide schlau, auch im Interesse eventuell beteiligter Kinder, dann trennen sie sich mit der Einstellung: Möge jeder von uns sehr glücklich werden, vielleicht sogar mit einem anderen liebenden Partner, der ab jetzt besser passt – zumindest bis auf Weiteres!

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