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Warum mir die Solidarität unter Müttern fehlt – und ich sie dringend bräuchte

Als bei ihr Brustkrebs diagnostiziert wird, kann Petra auf die Unterstützung anderer Mütter bauen; als sie wieder Vollzeit in ihren Job einsteigt, nicht mehr. Warum ist es bis heute ein Problem, eine Vollzeit berufstätige Mutter zu sein?

Qualifizierter Teilzeitjob in Wohnortnähe? Träum weiter!

Nach der Geburt meiner Tochter und einem Jahr Elternzeit bin ich in meinen Job mit einer 80-Prozent-Stelle wieder eingestiegen. Das war auch kein Problem, nachdem es da schon vorher nur wenig zu tun gab, so war alles locker zu schaffen – sogar meine Abteilungsleiterin arbeitete 50 Prozent und wir schafften unser Pensum problemlos.

Letztlich wurde das dann doch zum Problem: Der Bereich war überhaupt nicht effizient und brachte keinen Output, sodass unsere Abteilung zunächst verkleinert wurde (ich musste gehen) und dann ganz geschlossen (dann war auch meine Chefin weg).

Ich hab mich also auf Jobsuche begeben und mir war ziemlich schnell klar: Einen qualifizierten Teilzeitjob in Wohnortnähe zu finden, ist in etwa so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto. Ich suche ein halbes Jahr lang, und in dieser Zeit gab es eine einzige Ausschreibung für einen 80-Prozent-Job. Ich wurde sogar eingeladen und kam in die zweite Runde – war dann aber raus.

Super Job – aber nur in Vollzeit zu haben

Natürlich habe ich auch im Kindergarten von meiner Jobsuche erzählt; die anderen Mütter haben sich immer nett erkundigt, wie es denn läuft.

Da ich freigestellt war, konnte ich den Tag für Bewerbungen nutzen und nach nur zwei Wochen tatsächlicher Arbeitslosigkeit habe ich eine neue Stelle gefunden. Super spannend, neues Tätigkeitsfeld, aber gleiche Zielgruppe und renommiertes Unternehmen. Leider in der Nachbarstadt und nur Vollzeit zu haben. Also mussten mein Mann und ich uns neu organisieren und haben auch auf unser Netzwerk gehofft. Da der Kindergarten auf dem Weg zur Autobahn liegt, habe ich meine Tochter dort abgeliefert, sobald der Kindergarten aufmachte, mein Mann war dann schon bei der Arbeit, damit er sie zur Schließzeit abholen konnte. Meine Tochter hatte schon einige Hobbys wie Tanzen, Kinderturnen und Kinderschwimmen, die neu organisiert werden mussten.

Insbesondere im Kindergarten stieß die neue Situation auf – na ja, sagen wir mal – Verwirrung: „Wie soll das denn gehen?“ „Und was wird aus deiner Kleinen?“ „Hast du gar nichts anderes bekommen?“ lauteten die Kommentare anderer Mütter. Ich habe dann immer geantwortet, dass ich die Probezeit abwarten wolle und dann würde ich halt nachverhandeln. Diese Aussage hat immerhin ein paar der anderen Mütter so weit befriedet, dass sie entweder meine Tochter mit zum Turnen genommen haben oder auch mal (wenn mein Mann auf Terminen war) mein Kind zum Spielen mit nach Hause, damit ich sie dann spät(er) dort abholen konnte.

Und plötzlich: Chemotherapie statt Nachverhandlungen

Mein Plan, eine Freundin meiner Tochter zum Kindertanzen in einer anderen Kita einzuschleusen, damit auch das weitergehen konnte, scheiterte an mangelndem Interesse der Mutter: „Nein, in einen anderen Kindergarten zum Tanzen zu gehen, ist mir zu anstrengend.“ Also haben wir eine Ballettschule gesucht (und gefunden), die meine Tochter nach Dienstschluss meines Mannes besuchen konnte – ohne ihre Freundinnen, und natürlich teurer als Kindergarten-Tanz.

Interessant war, dass sich wirklich viele der anderen Mütter an das ungefähre Ende meiner Probezeit erinnert haben und mich dann also nach Ablauf eines halben Jahres reihenweise fragten, was denn nun mit meiner Nachverhandlung wäre. Nun hatte sich in der Zwischenzeit aber leider eine vollkommen neue Situation ergeben: Bei mir war Brustkrebs diagnostiziert worden und anstatt zu verhandeln, zu welchen Konditionen ich zukünftig arbeiten würde, hab ich mich mit Chemotherapie und anderem herumgeschlagen. Ich muss dazu sagen, dass ich nach der Diagnose noch fast vier Monate gearbeitet habe.

Und irgendwann ging gar nichts mehr

Mein Unternehmen hat mir Homeoffice ermöglicht, dann brauchte ich nicht jeden Tag zu fahren und konnte trotz Chemo dranbleiben und am Tag nach der Dosis von zuhause aus arbeiten. Nach zehn Wochen Therapie habe ich auf Teilzeit umgestellt, das funktionierte noch vier Wochen und danach war ich raus, weil es nicht mehr ging.

Und dann ging wirklich gar nichts mehr, ich war oft froh, wenn ich es morgens schaffte, aufzustehen oder meine Tochter zum Kindergarten zu bringen. Es soll hier aber nicht um die Krebstherapie gehen, sondern darum, dass ich mit dem Bekenntnis, Krebs zu haben, eine unheimliche Welle an Unterstützung bekommen habe. Meine Tochter war zu den schlimmsten Zeiten der Chemo jeden Tag bei einem anderen Kind – und meine Tochter liebt das. Sie fragte jeden Morgen: Wo geh ich heute hin? Und die Eltern wurden von ihr – genauso wie die Kinder – ausgesucht und angesprochen: Darf ich morgen mit zu euch?

Große Unterstützung durch die Kita-Freunde

Zum Schluss war sie bei einigen Freundinnen und deren Familien an festen Wochentagen. Wie ein zusätzliches Kind, ohne Sonderbehandlung (die ich nie eingefordert hatte) fest im Wochenrhythmus, mittwochs bei L. und freitags bei A. und kleinem Bruder. Danke dafür, das war großartig!

Und um sonstiges Psychologisieren abzuschalten: Wir haben die Krankheit meiner Tochter erklärt, insbesondere, als ich keine Haare mehr hatte (ihre lustige Bemerkung am Tag zwei mit Perücke lautete: „Mama, du hast ja immer noch keine Haare!“). Und wir haben immer offen darüber gesprochen, wie es mir geht und das ich nicht sterben würde. Und an den nicht so schlimmen Tagen haben wir viel Zeit miteinander verbracht und auch Spaß gehabt. Ich konnte feststellen, dass ein Kind die Krankheit und die Therapie zumindest ein Stück weit relativiert, weil man den normalen Tagesablauf weitestgehend aufrechtzuerhalten versucht. Und das ist uns auch ganz gut gelungen, somit war ich für das Kind und durch das Kind von der Krankheit abgelenkt.

Ich war dann mit Chemo, OP, Strahlentherapie und Reha-Aufenthalt noch ein halbes Jahr krankgeschrieben und habe schließlich die Wiedereingliederung mit dem Ziel begonnen, wieder Vollzeit arbeiten zu können. Schon da kamen die ersten erstaunten Fragen, wieso ich das denn will. Nun wollte ich wirklich zunächst für mich wissen, ob ich so leistungsfähig bin wie vor der Erkrankung. Aber vor allem wollte ich für Teilzeit nicht meine Krankheit vorschieben – würde ich Teilzeit arbeiten wollen, dann würde ich das unabhängig von meiner Erkrankung verhandeln.

Was dann kam – und bis heute anhält, denn ich arbeite seit einem Jahr wieder (Vollzeit), hat mich dann im Nachhinein doch enttäuscht. Meine Tochter wurde nur noch selten und mit langem Vorlauf, Planungen und nach häufigem Nachfragen oder Verschieben von anderen Kindern/Eltern mitgenommen. Hier kamen dann eher neue Eltern ins Spiel, zum Beispiel der Vater, den ich morgens immer an der Kita um halb acht vor der manchmal noch verschlossenen Tür getroffen habe, und der wie ich auf die Autobahn in die benachbarte Großstadt musste. Ich habe schon nach der OP und vor der Reha von zuhause aus ein Projekt im Homeoffice gemacht und seit der Wiedereingliederung arbeite ich zwei Tage pro Woche mindestens fest im Homeoffice. An diesen Tagen hole ich mein Kind von der Kita ab beziehungsweise inzwischen von der Ganztagsschule – und mein Mann beziehungsweise die Oma übernimmt das an den übrigen Tagen, wenn ich im Büro bin.

Für mein Kind ist Vollzeit völlig normal

Meine Tochter findet es vollkommen normal, dass ich arbeite. Sie kann sich nichts anderes vorstellen und hat nach der Schule noch viel Programm wie Hockey, Schwimmen oder Chor. Wenn wir mal „nur zuhause“ sind oder sie krank ist, arbeitet sie mit mir und findet es ganz spannend, an ihrem Schreibtisch zu sitzen und zu arbeiten, während ich gegenüber in meinem Arbeitszimmer ebenfalls arbeite.

Es ist schon seltsam, dass Vollzeit arbeitende Mütter gerade von anderen Müttern eher boykottiert werden als unterstützt. Es gibt keinen Vater in Kita oder Schule, der mich gefragt hat, warum ich Vollzeit arbeite (genauso wenig, wie Väter danach gefragt werden…), und es gab außer mir nur eine andere Mutter, die ebenfalls einen Vollzeit-Job hatte, deren Mann allerdings als Freiberufler sehr flexibel war, und außerdem gab es in dem Haushalt eine Nanny.

Väterzeit ist unglaublich wertvoll für ein Kind

Inzwischen ist meine Tochter in der Schule und die Betreuungszeiten sind ausreichend. Müsste ich nicht in die Nachbarstadt und hätte nicht an drei Tagen pro Woche pro Strecke etwa eine Stunde Fahrtzeit, wäre alles unproblematisch. So arrangieren wir uns mit der Situation und organisieren uns in einem Wochenplan, in dem auch ein Oma-Abholtag fest dazugehört. Und ich habe festgestellt: Für ein Kind ist es ebenso gut wie für den Vater, wenn zwei Tage in der Woche Papa-Zeit angesagt ist und es für die Tochter eben auch selbstverständlich ist, dass Papa sie abholt und am Nachmittag da ist.

Was die Mütter-Solidarität angeht: Da müssen wir noch dran arbeiten.

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