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Verdammt noch mal: Nutzt am 24. September eure Stimme und geht wählen!

Die Wahlbeteiligung in Deutschland geht seit einigen Jahren zurück. Unsere Community-Autorin Kira findet: Es ist höchste Zeit, dass wir unser Wahlrecht wieder ernst nehmen.

 

Für das Wahlrecht haben Frauen lange gekämpft 

Letzten Samstag habe ich mit meiner Schwester „Die göttliche Ordnung” gesehen. Ein großartiger Film über den Kampf für das Frauenstimmrecht in der Schweiz im Jahr 1971. Ja, ihr habt euch nicht verlesen: 1971. Die Schweiz hat etwas länger gebraucht. Der letzte Schweizer Kanton Appenzell Innerrhoden führte das Frauenwahlrecht sogar erst 1990 ein, vor gerade einmal 27 Jahren also. Ich selbst bin 1988 in Deutschland geboren, die ersten zwei Jahre meines Lebens durften also manche Frauen in unserem Nachbarland ihrer Meinung noch nicht über einen Wahlzettel Ausdruck verleihen, verrückt. In Deutschland dürfen Frauen „schon” seit 1918 an die Wahlurne treten, immerhin.

Der Film hat mir wieder einmal vor Augen geführt: Wählen zu gehen, ist ein Privileg, für das viele Generationen auf der ganzen Welt gekämpft haben und das in vielen Ländern immer noch nicht selbstverständlich ist. Wir können dankbar dafür sein, wählen gehen zu können.

Und doch gehen wir nicht hin

Trotz dieser privilegierten Stellung, in der wir frei und gleichberechtigt wählen können, sinkt seit 1998 die Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen. Auch wenn es vor vier Jahren eine leichte Steigerung um 0,7 Prozent, auf 71,5 Prozent gab, ist das im Vergleich zur höchsten Beteiligung im Jahr 1972 geradezu lächerlich. Dabei sind drei Aspekte auffallend: 

Frauen wählen weniger als Männer.

Junge Menschen wählen weniger als ältere.

Sozial benachteiligte Menschen wählen weniger als besser situierte.

Dabei sind gerade diese Gruppen, meiner Meinung nach, unmittelbar von den politischen Entscheidungen betroffen und sollten deshalb eigentlich ein besonderes Interesse daran haben, sich am politischen Geschehen zu beteiligen.

Das Private ist politisch und das Politische privat

In der Vergangenheit habe ich immer wieder gehört, dass Menschen sich  einfach grundsätzlich als unpolitisch bezeichnen und deshalb nicht wählen gehen. Nicht politisch zu sein, ist eine Bequemlichkeit, die wir uns gerade jetzt nicht leisten können. In einer Zeit, in der Populisten weltweit an die Macht kommen, in der eine Anspannung zu spüren ist und zeitweise die ganze Welt die Luft anzuhalten scheint, ist es ungleich wichtiger, dass wir unsere Meinung sagen, für unsere Ideale auf die Straße gehen und jede Möglichkeit zur Mitbestimmung ergreifen. 

Viele Themen, über die gerade diskutiert werden, betreffen uns direkt: Ehe für Alle, Bleiberecht für Verfolgte, Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Zulassung von Glyphosat, Gelder für Bildung und Gesundheit … Wir sollten uns die Frage stellen: In welcher Zukunft wollen wir leben? 

Vom Brexit lernen

Wenn wir uns zurücklehnen und andere über uns entscheiden lassen, müssen wir die Ergebnisse dieser Entscheidungen still hinnehmen. Und die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass dabei Entscheidungen herauskommen können, die wir so gar nicht gut finden. Bei der Abstimmung zum Brexit lag die Wahlbeteiligung in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen gerade einmal bei 58 Prozent. Das Votum für „Bleiben” lag in dieser Gruppe aber bei 56 Prozent. Bei den 18- bis 24-Jährigen waren sogar nur 36 Prozent wählen, von denen wollten aber sogar 75 Prozent in der EU bleiben. Und doch ist der Brexit beschlossen. Die Alten haben entschieden. 

Rafik Schami, ein syrischer Autor, der 1971 (wir erinnern uns, das Jahr des Schweizer Frauenwahlrechts) nach Deutschland kam und die Anfänge des Assad-Regimes hautnah erleben musste, schreibt in seinem Kurzbuch „Der Mut, die Würde und das Wort”:

„Einer der größten Feinde der Demokratie, der Freiheit, ist die Gleichgültigkeit. Sie ist die treuste Helferin der Diktatur (…) Der Frieden, im dem [wir] leben, verpflichtet jeden, aufmerksam zu bleiben. Keine Gesellschaft war je immun gegen Krieg und Diktatur.”

Rafik Schami appelliert hier an jeden von uns. Wir sind verpflichtet, aufmerksam zu bleiben und für unsere Freiheit und unsere Werte einzustehen.

Protestieren wir – mit unserer Stimme!

Frustration gegenüber der Politik der letzten Jahr(zehnt)e kann ich dabei absolut verstehen. Die Mitgründerin von EDITION F Nora-Vanessa Wohlert hat dazu am 4. September einen tollen Artikel geschrieben. Frustriert vom TV-Duell zwischen Mutti Merkel und Onkel Schulz stellte sie die berechtigte Frage: „Wann geht es endlich wieder um die Zukunft?

Denn gerade die sogenannten Alt-Parteien haben es komplett versäumt,  relevante Themen für unsere Generation, für Frauen und für die sozial Schwächeren zu besetzen und – noch wichtiger – Lösungen auf brennende Fragen zu finden. Die Zukunft, in der wir leben wollen, finden wir somit kaum in den Wahlprogrammen dieser Parteien. 

Das führte dazu, dass es bei der letzten Bundestagswahl fast 18 Millionen Menschen gab, die nicht zur Wahl gegangen sind. Eine unfassbar hohe Summe mündiger Bürger, die vielleicht auch dieses Mal wieder freiwillig auf ihr Wahlrecht verzichten, weil es sie nicht interessiert, weil sie keinen Sinn darin sehen oder aus Protest. Doch gerade diese Protest-Nichtwähler sind eine verlorene Gruppe in unserer Demokratie. Durch nicht-wählen hat sich noch nie etwas geändert. Im schlimmsten Fall, gewinnen so nur die Parteien an Kraft, die man auf keinen Fall an der Spitze sehen will.

„Willst du mit mir wählen gehen?”

Die Partei „Die Partei” adressiert in einem ihrer Wahlspots genau diese Nichtwähler und spricht dabei einen unheimlich wichtigen Punkt an: Je mehr Nichtwähler zur Wahl gehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die AfD nicht in den Bundestag einzieht. Egal, ob ihr die Partei „Die Partei” wählt oder eine andere Partei: Protestiert mit eurer Stimme und nicht mit Stummheit.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt übrigens die großartige Aktionskampagne Kleiner Fünf. Den Aktivisten geht es darum, möglichst viele Menschen zur Wahl zu bewegen, um den Prozentsatz der Rechtspopulistischen Parteien möglichst unter 5 Prozent zu halten. Dafür kann man auf ihrer Seite zum Beispiel Ringe bestellen, um anderen Menschen einen Wahlantrag zu machen: „Willst du mit mir wählen gehen?” Auch wenn die Vorhersagen zum Wahlausgang gerade andere (Horror-) Szenarien zeichnen, die AfD unter 5 Prozent zu halten, ist auf jeden Fall einen Versuch wert. 

Deshalb tragt euch den 24. September dick in den Kalender ein. Macht euren Liebsten einen Wahlantrag und geht zusammen hin. Danach geht ihr am besten noch Falafel essen, oder Pizza, oder Injera oder Pho und freut euch über diese großartige Vielfalt, in der wir leben dürfen. Und für diejenigen, die am 24. September keine Zeit haben, die sonntags aus Prinzip nicht aus dem Haus gehen oder die am 23. eine fette Fete geplant haben, schreibt mal wieder einen Brief – an eure Behörde. Auch hierzu gibt es eine tolle Kampagne: „#briefwahl2017 – weil sonntags hab ich was besseres vor!”

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