Hinter Carina Möller-Mikkelsen liegt ein langer und intensiver Kampf mit sich selbst: Durch exzessiven Leistungssport hat sie erst ihr Körpergefühl verloren, dann folgten Essattacken. Heute ist Carina als Model mit Kurven nicht nur Vorbild, sondern auch Teil einer Kampagne, in deren Fokus Selbstliebe steht. Auf EDITION F erzählt sie von den schwersten Zeiten ihres Lebens und der Kraft, die sie daraus schöpfen konnte.
Einmal Body-Builderin und zurück
Auf ihrem Instagram-Account präsentiert sich Carina Möller-Mikkelsen meistens lachend und immer selbstbewusst. Sie fühlt sich offensichtlich mit ihrem Körper wohl. Das beweisen auch ihre Postings: Sie ist stolz auf sich und schreibt von Selbstliebe und Akzeptanz. Damit ist sie Vorbild für viele Follower*innen, von denen sie immer wieder dankbare Nachrichten bekommt – Carina ist zwischen vielen oberflächlichen Instagram-Profilen ein Denkanstoß.
Scrollt man jedoch ein paar Monate auf ihrem Profil zurück, sieht man eine ganz andere Frau: Denn noch vor einiger Zeit war Carina Body-Builderin. Sie nahm an Wettkämpfen teil, kontrollierte ihre Ernährung und versuchte immer mehr Muskeln aufzubauen. Auf diesen Bildern sieht man immer ihren stark definierten Körper und Trainingsgeräte – ihr Lächeln allerdings nie. Sie hat uns verraten, warum.
Ende 2014 nahm Carina an ersten Wettkämpfen teil. (Quelle: Instagram)
Mit ihrer Wandlung von der professionellen Body-Builderin zum Figuren-Vorbild hat Carina auch die Sportmarke Reebok begeistert. Gemeinsam mit vier inspirierenden Frauen ist sie das Gesicht der neuen Kampagne des PureMove Bras. Wir haben all diese Frauen getroffen und sie beim Shooting begleitet. Nach Studentin Lina berichtet nun auch Carina von ihrem Weg zur Selbstliebe. Im Gesprächsprotokoll nimmt sie uns mit auf eine Reise zwischen Körperkult und Selbstbestimmung.
„Mein Körper wechselte in den Überlebensmodus”
„Ich habe mit dem Sport angefangen, weil ich unzufrieden mit meinem Körper war – ich wollte schlank und trainiert sein. Für die Kurse im Fitnessstudio konnte ich mich nicht begeistern und habe stattdessen mit Krafttraining begonnen. Ich habe sofort Gefallen an den Übungen und Geräten gefunden und schnell erste Erfolge gesehen. Danach stagnierte mein Muskelaufbau jedoch und ich habe beschlossen, mir größere Ziele zu setzen. Um die zu erreichen habe ich meine Ernährung komplett umgestellt und trainierte für meinen ersten Wettkampf in der Bikiniklasse sogar mit einer eigenen Trainerin.
Nach ersten Siegen ist mein Ehrgeiz immer weiter gestiegen und ich habe unbemerkt den Bezug zur Realität verloren. Irgendwann habe ich dann in den Spiegel geschaut und plötzlich eine zu ‚fette‘ und ‚untrainierte‘ Frau gesehen. Damals habe ich den ganzen Tag nur an Kraftsport gedacht und mein Essen bis auf das Milligramm abgewogen. Dass dieses extreme Training meinem Körper nicht guttut, ist mir nicht aufgefallen – selbst als über ein Jahr lang meine Menstruation ausgeblieben ist. Ich habe einfach nicht erkannt, dass mein Körper gerade im Überlebensmodus war. Langsam kamen dann auch die ersten Essattacken. In unbeobachteten Momenten habe ich bis zum Erbrechen alles in mich hineingeschlungen, auf das ich Lust hatte. Da habe ich dann gemerkt, dass ich die Notbremse ziehen muss.
Carina ist jetzt glücklich mit ihrem Körper. (Quelle: Reebok)
„Ich fand nicht leicht in normale Verhältnisse zurück“
Der psychische Druck war kaum noch auszuhalten und ich habe mich wie in einem Gefängnis gefühlt. Aber natürlich konnte ich nicht von heute auf morgen mit dem Sport aufhören und ganz normal essen. Ich habe also erst einmal das Personal Training beendet und dadurch fielen ganz automatisch auch die Ernährungspläne weg. Die Wandlung vom Extrem zu einem normalen Trainings-und Ernährungsverhalten hat trotzdem lange gedauert. Zum Glück hatte ich nicht direkt eine Essstörung entwickelt, sondern nur ein sehr ungesundes Essverhalten. Ich war einfach nur froh, dass ich keinen Zwängen mehr unterlegen war und konnte so den Essattacken entgehen. Langsam und mit der Unterstützung meiner Mutter, die mir immer wieder gut zuredete, wurde es besser und ich habe mich dazu gezwungen, die ersten Schritte in eine gesündere Richtung zu gehen.
Meine Mahlzeiten habe ich beispielsweise nur noch grob abgewogen, bis ich das nicht mehr für mein Wohlbefinden brauchte. Ich trainiere auch heute noch an denselben Geräten wie damals. Jetzt sind mir aber Übungs- Wiederholungen und Gewichte egal – ich trainiere so, wie es mir Spaß macht und ohne Zwang.
Durch das Body-Building habe ich viel über die Funktionsweise meines Körpers und eine gesunde Ernährung gelernt. Denn in diesem Sport muss man alles über seine Ernährung und den eigenen Organismus wissen, damit jede Körperstelle ganz gezielt definiert werden kann. Dieses Wissen hilft mir auch heute noch dabei, mich gesund zu ernähren und auf meinen Körper zu achten.
Ich höre jetzt viel mehr auf meinen Körper und bin dabei fitter als jemals zuvor. Inzwischen probiere ich viele unterschiedliche Sportarten aus und finde es okay, wenn ich nicht überall die Beste bin. Den Wettkampf-Gedanken konnte ich zum Glück komplett ablegen.
„Als Vorbild kann ich anderen Menschen helfen“
Mit meinen ersten Erfolgen als Body-Builderin Ende 2014 ist auch mein Instagram-Profil entstanden und ich hatte schnell viele Follower*innen, die mich als durchtrainierte und definierte Frau sehen wollten. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich meine Fans mit auf meine Reise zu einem Trainingsprogramm ohne Zwang nehmen soll. Es war klar, dass ich aus dem Teufelskreis raus wollte, aber wohin es gehen würde, wusste ich ja selbst noch nicht. Letztendlich habe ich mich dazu entschieden, dass die Menschen auch die Realität hinter den Bildern sehen sollten. Als ich dann immer mehr Kurven bekam, folgten schnell die ersten Kommentare: ‚Wie kann man nur so faul und fett werden?‘ Das verunsicherte mich total und ich habe mich gefragt, ob ich wirklich einfach faul wurde. Doch mit dem Körper veränderte sich auch mein Inneres und ich wurde wieder lebensfroher.
Die negativen Menschen folgen mir heute nur noch selten und meine Community hat sich verändert – sie ist sogar größer als zuvor. Natürlich bekomme ich auch heute noch negative Kommentare. Viel wichtiger sind mir jedoch Nachrichten von Menschen, die mich als Vorbild sehen und mich nicht mehr in ein Klischee pressen wollen.
Die letzten Jahre waren nicht immer leicht. Hätte ich das aber alles nicht durchgemacht, könnte ich heute andere Menschen nicht dazu inspirieren, ohne falschen Ehrgeiz sportlich zu sein. Der Extremsport und der Kampf für ein Leben ohne absolute Selbstkontrolle haben mich beeinflusst und ich bin froh darüber.
„Schaut in den Spiegel und feiert euch selbst”
Die Liebe zu meinem Körper kam irgendwann, als die Muskeln gingen und ich mit mir selbst nachgiebiger wurde. Ich bin immer glücklicher geworden und konnte wieder in den Spiegel schauen, ohne überall nur Optimierungspotenzial zu sehen. Das liegt auch daran, dass ich weiß, was ich alles aufgeben müsste, um erneut so viele Muskeln aufzubauen oder besonders schlank zu sein. Ich akzeptiere jetzt viel eher, dass meine Körperform eine besondere ist. Während des Krafttrainings war meine Hüfte sehr schmal und heute ist sie wieder weiblicher.
Da ich selbst weiß, wie wichtig es ist, liebevoll in den Spiegel zu schauen, würde ich genau das allen Leser*innen raten: Schaut in den Spiegel und feiert euch selbst!“
Diesen Rat haben wir befolgt und genau das gemeinsam mit Reebok in Paris gemacht. Wir danken Carina für den Einblick in ihre ganz eigene Geschichte. Im kommenden Beitrag berichtet Caro, wie sie mit Stress umgeht und warum sie ihr Trainingsverhalten komplett geändert hat.
Protokoll: Julia Burghardt