Um die Geburtshilfe in Deutschland steht es an vielen Stellen schlecht. Zu wenig Hebammen, zu wenig Krankenhäuser. Was das in der Konsequenz bedeutet, habe ich am eigenen Leib erfahren.
Die Geburt als Trauma
Die zahlreichen Berichte über negative Geburtserfahrungen, die einem so zu Ohren kommen, gleichen meist echten Horrorgeschichten. Und oft sind die Frauen nach den Geburten ihrer Kinder traumarisiert. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Frauen kein Trauma von ihrer Geburt davontragen. Aber die Realität ist leider eine andere. Dazu passt auch meine eigene Erfahrung bei der Geburt meines ersten Kindes.
Ich habe danach mit so vielen anderen Frauen gesprochen, die Ähnliches erlebt haben. Meine erste Geburt kann wohl als ein Beispiel für eine nicht unerhebliche Anzahl von schwierigen Geburten in der heutigen Zeit gelten. Natürlich gibt es, zum Glück, auch Frauen mit positiven Erlebnissen in Kliniken. Dennoch müssen wir dringend über die schlechten Erfahrungen sprechen, denn davon gibt es eindeutig zu viele.
Eine „typische” Geburt in einem Krankenhaus
Bei meinem ersten Kind war ich eine sehr glückliche und gesunde Schwangere. Ich vertraute mir und meinem Körper und dachte, ich würde mein Kind „einfach” bekommen. Ich fühle mich sogar so sicher, dass ich mir eine Hausgeburt wünschte. Da mein Kind sich jedoch nicht von selbst auf den Weg machte, kam der Zeitpunkt, an dem ich ins Krankenhaus musste. Meine Zeit war abgelaufen, denn in Deutschland muss man ab dem 14. Tag über den Stichtag ins Krankenhaus. Da war ich also und ich war gar nicht darauf vorbereitet.
Eine sehr lange Einleitungsphase mit unterschiedlichen Mitteln und regelmäßigem CTG (um die Herztöne meines Kindes zu überprüfen) begann. Es zog sich in die Länge. Keiner war da, um mich zu begleiten – außer meinem Mann. Nach vielen Stunden kam ich irgendwann endlich in den Kreißsaal. Zu dem Zeitpunkt konnte ich schon nicht mehr laufen, weil ich so erschöpft war. Im Kreißsaal bekam ich eine PDA und einen Wehentropf.
Das Problem daran ist, dass beides nicht vom Körper selbst produziert wurde. Deshalb ist es auch schwer einzuschätzen, welche Wirkung die jeweilige Maßnahme auf den Körper hatte. Für mich war es leider unmöglich, irgendeine Form von Entspannungstechnik anzuwenden. Irgendwann war zwar mein Muttermund vollständig geweitet, mein Sohn saß aber gar nicht richtig im Becken. Das weiß ich allerdings nur, weil ich meinen Geburtsbericht analysieren lassen hab. Wir versuchten eine natürliche Geburt mit Pressen und einer Hebamme – die sich auf meinen Bauch warf. Dann wurde was gemurmelt von, mein Kind sei zu groß und wir würden nun einen Kaiserschnitt machen. Ich war schon lange davor bereit für einen Kaiserschnitt, aber mich hatte ja keiner gefragt.
Die Schwangere kann kaum mitentscheiden
Aus meiner Geburt entwickelte ich ein Trauma. So wie zu viele anderen Frauen auch. Dabei geht es nicht nur darum, was während der Geburt passiert, sondern auch darum, dass die Schwangere ihre Selbstbestimmung verliert. Mit dem Betreten des Krankenhauses fühlte es sich für mich so an, als hätte ich meinen eigenen Willen an der Tür gleich mit abgegeben. Das war ein sehr unangenehmes Gefühl, denn ich war es – wie glücklicherweise fast alle Frauen in Deutschland – nicht gewohnt, nicht selbstbestimmt entscheiden zu können.
Bis zur Geburt haben wir das schließlich auch getan. Deshalb kann Frau sich auch gar nicht vorstellen, dass sie sich bei der Geburt ihres Kindes plötzlich nicht mehr selbstbestimmt fühlen könnte. Damit rechnen wir nicht und geraten im Krankenhaus dann plötzlich in diesen Strudel.
Wir müssen gut vorbereitet sein
Wie es anders geht? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vor allem eine Sache helfen kann: gute Vorbereitung. Dafür reicht leider kein klassischer Geburtsvorbereitungskurs. Es ist wichtig, dass man sich gut informiert, dass man sich ausführliches Wissen zu dem Thema aneignet. Denn nur wenn man weiß, was abgeht, kann man selbstbestimmt handeln und mitentscheiden.
Ich habe es wie folgt gemacht: Als ich ein zweites Mal schwanger wurde, habe ich mir geschworen, dass ich nicht noch so eine Geburt erleben möchte. Diesmal habe ich mich im Geburtshaus für die Geburt angemeldet und dann habe ich mein Geburtstrauma mit einer Therapeutin aufgearbeitet. Danach habe ich mir Kurse rausgesucht, die mich auf eine positive Geburt vorbereiteten. Ich habe einen „Hypno-Birthing-Kurs” gemacht und in diesem Kurs Entspannungstechniken, Affirmationen, Atemtechniken und ein positivstes Mindset gelernt. Ich habe mich in dem Kurs meinen Ängsten gestellt und meinen Kopf mit positiven Vorstellungen, Suggestionen und Bildern rund um meine Traumgeburt gefüttert. In den letzten Wochen habe ich meine Geburt jeden Abend in einer Hypnose kreiert.
Ich habe mir Videos von schönen Geburten angesehen. Dadurch veränderte sich mein Blick auf eine Geburt. Der natürliche Vorgang ist kein komisches Mysterium, sondern kann auch einfach wunderschön sein. Im Laufe des „Hypno-Birthing-Kurses” sagte mein Mann irgendwann, er hätte sich vorher niemals vorstellen können, sein Kind mit seinen eigenen Händen zu empfangen. Innerhalb des Kurses hat sich das verändert und er konnte sich auf einmal vorstellen, dass es wunderschön sein muss, sein eigenes Baby mit seinen Händen aufzufangen. Und tatsächlich durfte er dann bei der Geburt wirklich unseren Sohn mit in Empfang nehmen!
Schwangerschaftsyoga war für mich auch sehr hilfreich und eine gute Ergänzung. Hier lernt man Atemtechniken. Die verschiedenen Übungen sind eine sehr gute Vorbereitung auf die Geburt. Natürlich gibt es noch ganz viele andere tolle Arten sich auf eine Geburt vorzubereiten. Jede Frau sollte sich ihre eigene Mischung aus Informationen und Techniken zusammenstellen. Es lohnt sich so sehr.
Eine selbstbestimmte Geburt
Meine zweite Geburt ging neun Tage nach dem Stichtag los. Ich blieb, bis die Wehen regelmäßig alle drei bis vier Minuten kamen, zu Hause und fuhr dann mit meinem Mann ins Geburtshaus. Es war Nacht, ich hatte das Geburtshaus für mich und konnte viel Zeit in der Badewanne verbringen. Meine Hebamme kümmerte sich wundervoll um mich. Mein Mann und ich tanzten, wechselten regelmäßig die Positionen und zwischendurch konnte ich mich dank der Entspannungstechniken, einmal sogar so entspannen, dass ich in der Wanne für eine halbe Stunde oder Stunde einschlief.
Dann platzt meine Fruchtblase und es ging richtig los. Die Sonne ging auf, und als unser Wecker um 8.00 Uhr morgens klingelte, kam kurz danach mein Sohn zur Welt. Die Geburt war eine Herausforderung und es lief auch nicht alles komplett glatt, dennoch war es einfach nur wunderschön. Ich hatte durchgehend ein positives Grundgefühl. Ich wusste immer, dass ich gut aufgehoben bin. Ich konnte meinem Baby, den Hebammen und meinem Körper vertrauen. Und ich fühlte mich so überglücklich und stolz, als ich dieses Kind natürlich auf die Welt gebracht hatte und dann ein paar Stunden später mit meinem Baby und meinem Mann wieder nach Hause zu meinem ersten Sohn und meiner Mutter fahren konnte.
„Wenn eine Frau während der Geburt nicht wie eine Göttin aussieht, dann behandelt sie jemand nicht richtig.” (Ina May Gaskin)
Es muss sich etwas ändern
Und da wurde mir eins klar: So kann es nicht weitergehen! Ich werde von nun an dafür einstehen, dass Frauen die Chance auf ein positives Geburtserlebnis bekommen, dass sie kraftvolle Mütter werden und dieses Erlebnis sie stärkt, nicht schwächt. Um das zu erreichen, habe ich mich selbst als Hypno-Birthing-Kursleiterin ausbilden lassen und begleite nun Paare in eine selbstbestimmte Geburt!
Mein Rat an alle werdenden Mütter: bereitet euch vor. Empowert euch selbst. Informiert euch. Bereitet euch mit eurem Partner oder euer Partnerin auf eine schöne Geburt vor. Hinterfragt das klassische, verstaubte Image von Geburten, das in unser Gesellschaft vorherrscht. Es kann auch ganz anders sein!
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