Foto: Thiago Cerqueira | Unsplash

Wir müssen endlich etwas gegen die Armut von Alleinerziehenden tun

Alleinerziehenden wird das Leben in Deutschland nicht gerade leicht gemacht. Die Anerkennung der Gesellschaft und der eigenen Kinder kommt meist Jahre später.

 

Wertschätzung? Fehlanzeige.

Alleinerziehende haben es schwer in Deutschland. Kinderbetreuung und Arbeitszeiten sind immer noch nicht an das moderne Leben unserer Zeit angepasst. Neben den beruflichen Herausforderungen und den finanziellen Sorgen sowie den familiären bzw. gesellschaftlichen Pflichten, kommen die persönlichen Bedürfnisse meist zu kurz. Selbst bei den stärksten und diszipliniertesten Persönlichkeiten ist mal die Luft raus. Dann brauchen sie eigentlich dringend Unterstützung, Urlaub und Zuneigung. Daher appelliere ich für ein gerechteres Miteinander und für eine höhere Wertschätzung der Alleinerziehenden. 

 

Meine Mutter hatte meine jüngere Schwester und mich größtenteils allein groß gezogen. Sie war erst geschieden, dann verwitwet. Als Altenpflegerin bekam sie ein Nettogehalt von knapp über 1.000 Euro. Damit zahlte sie die Schulden vom Haus ab, sorgte dafür, dass wir unseren Hobbys nachgehen konnten und sie war stets um eine gesunde Ernährung bemüht. Wir hatten ein schön eingerichtetes Zuhause, es fehlte uns nie an materiellen Dingen. Für uns Kinder war es also nie ein Leben am Existenzminimum. Meine Schwester und ich wussten nicht, welche enormen finanziellen Abstriche unsere Mutter für uns leistete. Natürlich, wir Kinder mussten im Haushalt etwas mithelfen und es gab ein festes Budget für Kleidung. Das sahen wir aber eher als erzieherische Maßnahme und nicht als tatsächlichen Hilferuf unserer Mutter. 

Obwohl die Beziehung zu unserer Mutter sehr schwierig war, kann ich doch mit Sicherheit sagen, dass sie zahlreiche Kompromisse für uns eingegangen ist und viele Opfer gebracht hat, um uns einiges zu ermöglichen. Daher möchte ich alle Alleinerziehenden ermutigen, weiterhin Kraft für ihre Kinder aufzubringen. Es wird zwar Zeit brauchen, sie werden es euch aber danken, es schätzen und euch diese Liebe wieder zurückgeben. Es lohnt sich also. 

Die harten Zahlen 

Doch wie sieht es konkret in Deutschland aus? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beschäftigt sich konkret mit dieser Frage. Eine genaue Datenerhebung ist in diesem Fall allerdings problematisch, da nicht alle Mütter und Väter gemeldet sind. In Deutschland leben ca. 2,7 Mio. Alleinerziehende, davon sind um die 90 Prozent Frauen. Dieses offensichtliche Ungleichgewicht zeugt von einer immer noch starken Zuweisung der Geschlechterrolle in der deutschen Gesellschaft. Der immense Stellenwert der Horte, Ganztagsschulen und Tagesmütter für Alleinerziehende wird ebenso aus dem Monitor zur Familienforschung sichtbar. Allerdings hängt dies sehr stark von den finanziellen Kapazitäten der Mutter bzw. des Vaters ab. Denn finanzielle Rücklagen sind als Alleinerziehende kaum realisierbar. 

Neben dem monetären Aspekt spielt auch Zeitmanagement eine wichtige Rolle. Alleinerziehende Mütter bzw. Väter versuchen sich bewusst Zeit für deren Kinder zu nehmen und möchten als Bezugsperson eine vertrauensvolle Umgebung schaffen. Dies verlangt ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Selbstvertrauen. Aber es ist auch ein starker Rückhalt in der Familie und im Freundeskreis zu beobachten. Bei über 60 Prozent unterstützen die Großeltern, Geschwister und andere Verwandte bzw. Bekannte die Alleinerziehenden bei der Betreuung der Kleinkinder. Nichtsdestotrotz ist es gerade für jüngere Mütter oder Väter schwieriger, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden und ein passendes Zeitmanagement aufzustellen. 

Um ein Leben am Existenzminimum zu verhindern und Kinderarmut vorzubeugen, versucht die Bundesregierung mit unterschiedlichen Instrumenten Alleinerziehende zu unterstützen. Beispielsweise wird ab Juli 2017 der Unterhaltsvorschuss bis zur Volljährigkeit des Kindes gezahlt. Somit wird die bisherige Maximaldauer von 72 Monaten aufgehoben. Außerdem wurde zum 1. Januar 2017 das Kindergeld erhöht. Ebenso wird dieses Jahr durch die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags versucht, Alleinerziehende zu entlasten. Diese Unterstützung und Entlastung seitens der Politik und Gesellschaft ist aber noch längst nicht ausreichend genug. Denn über die Hälfte der alleinerziehenden Mütter mit Kindern unter drei Jahren muss monatlich mit weniger als 1.100 Euro auskommen.




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