Was, wenn die erste Ehe scheitert? Unsere Community-Autorin hat jung geheiratet und ist mittlerweile geschieden. Wie verändert sich die Sicht auf die Liebe?
War ich zu jung?
Mit Freudentränen in den Augen und einem leichten Zittern setze ich meine Unterschrift auf das Blatt, dass mir die lächelnde Standesbeamtin über den Tisch schob. Der Fotograf schwirrte umher, man hörte das schier endlose Klicken des Auslösers. Wenn wir uns später die Fotos ansehen, werden wir so aussehen, wie Paare bei ihrer Hochzeit aussehen sollten: Glücklich. Was folgt ist eine schöne, aber kurze Ehe mit einem sehr abrupten Ende nur wenige Jahre später. Hinter vorgehaltener Hand sagten Freunde und Bekannte man hätte bereits damit gerechnet. Zu jung wär ich gewesen. Als ich die entscheidende Unterschrift setzte war ich 20 Jahre alt und die Allererste im gesamten Freundes- und Bekanntenkreis. Die nächste entscheidende Unterschrift war die unter dem Scheidungsantrag.
Früher oder später kam, was kommen sollte. Eine neue Liebe, eine Beziehung, ein Umzug in eine neue Stadt, die erste gemeinsame Wohnung. Wir bauten uns ein neues und gemeinsames Leben auf mit einem neuen gemeinsamen Freundeskreis. Alle sind mindestens Mitte 20, alle in langjährigen Beziehungen, viele leben mit ihren Partnern zusammen. Nach und nach fluten die Verlobungsring-Fotos Instagram, Facebook und Twitter. Sie lächeln in die Kameras, freuen sich, planen aufgeregt ihre Hochzeiten, welches Kleid, welche Location, was sie ihrer Person – mit der sie den Rest ihres Lebens verbringen wollen – sagen werden. Immer häufiger kommt die „Und wann ist es bei euch so weit“-Frage.
Was mir vor meiner ersten Ehe niemand gesagt hat: Kommt es zur Scheidung glaubst du nicht mehr an ein Happily-Ever-After
Während meine Freunde also diese aufregende Zeit durchmachen und fest davon überzeugt sind, es sei die glücklichste ihres Lebens, sitze ich Kaffee schlürfend auf dem Sofa und frage mich: Glaubt ihr eure Ehe hält ewig? Und glaube ich nicht mehr daran?
Wenn ich gefragt werde, ob ich erneut heiraten würde, sage ich instinktiv „Ja“. In der Theorie mag ich den Gedanken. Einen tollen Menschen heiraten, gemeinsamer Nachname, zusammen glücklich sein und irgendwann Kinder. Mein Pinterest-Board füllt sich derweil auch fleißig mit traumhaften Brautkleidern, Aquarell-Platzkärtchen und Ideen für Gastgeschenke. Leider ist das alles nur Teil der romantisierten Vorstellung von Hochzeit, den ich mir – Hollywood sei Dank – bewahrt habe. Denn in Wirklichkeit ist es schwer, an die Ehe zu glauben.
Geheiratet hatte ich in dem Glauben, dass es das einzige Mal sein würde. Niemals hätte ich gedacht, dass diese Ewigkeitssache nicht zwangsläufig stimmen muss. Wenn man also einen signifikanten Teil seines Lebens damit zugebracht hat, eine gemeinsame Zukunft auszumalen ist es nur selbstverständlich, dass die Welt aus den Fugen gerät, wenn das Bild zusammenbricht. Leider sind die Folgen nicht nur temporär. Das Gefühl versagt und eine Zukunft verloren zu haben, bleibt. Dabei helfen einem weder Scheidungsstatistiken, noch eine neue Liebe. Das Thema Ehe wird zum Beziehungsstatus non grata.
Warum gibt es kein Scheidungsschaden-Vorwarnsystem?
Ich erinnere mich, als das große S das erste Mal zur Sprache kam. Nach fast zehn gemeinsamen Jahren verband uns eine Freundschaft, die nicht hätte vermuten lassen, dass wir noch verheiratet waren. Wir waren längst getrennt und wohnten in eigenen Wohnungen. Das hieß aber leider nicht, dass sich scheiden zu lassen ein leichtes Thema war. Wir hatten es aufgeschoben und ignoriert – bis plötzlich ein neuer Partner auf der Bildfläche erschien. Besagte Person mochte mich nicht und hielt deshalb flammende Pro-Scheidungs-Plädoyers. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich überhaupt noch nicht in Erwägung gezogen, einen Antrag zu stellen. Wir waren getrennt, uns reichte das. Innerlich war mir natürlich klar, dass wir früher oder später den nächsten Schritt gehen mussten.
„Wir sollten über Scheidung reden.“ Mir rutschte das Herz in die Hose. Da war er also, der berühmte Satz. Ich hatte nicht vor, die Ehe zu kitten, ich wusste es würde nicht funktionieren, dennoch tat die Vorstellung weh. Ich hatte Angst, wenn die Papiere erst unterschrieben sind, würde ich einen meiner wichtigsten Menschen verlieren. Außerdem tat es weh, dass nicht ich diejenige war, von der der Impuls ausgegangen war. Kurze Zeit nach dem Telefonat habe ich die Scheidung eingereicht.
Beim Ausfüllen der Papiere habe ich Scherze gemacht, gelacht und erfolgreich so getan, als fände ich das alles völlig normal. Innerlich sah das ganz anders aus. Ich hatte das Gefühl versagt zu haben. Wäre ich nicht so jung gewesen, hätten wir uns mehr bemüht … hätte hätte hätte. Mit wenigen Zetteln und einer Unterschrift brachte ich meine penibel geplante gemeinsame Zukunft mit diesem Menschen zu Fall. Ich schob den Gedanken weg, so gut es ging.
Dann kam der Tag vor Gericht. Wir hatten nicht viel zu regeln. Mein Anwalt sagte, wir müssten nur erscheinen und zustimmen, dass unsere Ehe definitiv gescheitert sei. Wir saßen uns in diesem viel zu großen Gerichtssaal gegenüber, meine Gedanken ergaben sowieso keinen Sinn, also hörte ich dem Richter gar nicht erst zu. Mein Anwalt stupste mich leicht an, ich solle aufstehen. Da stand ich also, sah zur anderen Bank und sagte laut die Worte „Ja, die Ehe zwischen uns ist definitiv gescheitert und es gibt keine Chance auf Versöhnung.“ Mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich versuchte zu lächeln. Dieser Moment, wenn der Richter die Scheidung bestätigt, war bis dato der Schlimmste meines Lebens. Eine Scheidung ist nicht einfach eine teure Trennung. Eine Scheidung heißt, dass man gescheitert ist. Eine Liebe, eine Zukunft, ein Leben – gescheitert.
Man hätte mich vorwarnen sollen. Man hätte mich aufklären müssen über den Gedanken, versagt zu haben. Hat aber niemand. Vermutlich auch aus dem einfachen Grund, dass nur Geschiedene diese Gefühle nachvollziehen können. Mein erster Gedanke gilt immer meinem Versagen. Wenn Freunde mich also fragen, ob wir nicht auch heiraten wollen, ist mein erster Gedanke: „Was wenn ich wieder versage?“ Niemand würde eine zweite Ehe ernst nehmen, nachdem ich so grandios gescheitert bin.
Und die Moral von der Geschicht’: Lass das Heiraten?
Eine Scheidung tut weh und sie macht einem sehr nachhaltig deutlich, dass auch die glücklichsten Beziehungen enden können. Sollte man also nach einer gescheiterten Ehe aufhören an die Liebe zu glauben, aus Angst, es könnte ein zweites Mal passieren? Pauschal kann ich das nicht beantworten. Ich, für mich, habe einen Menschen gefunden, der mich glücklich macht und mit dem Zukunft gut klingt.
Werde ich in der Zukunft ein zweites Mal heiraten? Vielleicht. Werde ich ebenso überzeugt sagen können es wäre für immer, wie beim ersten Mal? Vermutlich nicht. Kann ich trotzdem hoffen, dass es für immer sein wird? Absolut.
Geschiedene sind Teil eines sehr besonderen Clubs, der uns im besten Fall viel Tolles gezeigt, uns aber auf jeden Fall mit schwerem Gepäck verabschiedet hat.
Bild: lauragrafie. – Flickr – CC BY-ND 2.0
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