Heterosexueller Sex zentriert sich noch immer um den männlichen Orgasmus und penetrativen Sex. Die Psychologie-Studentin Grace Wetzel spricht in einem TED-Talk über das reaktionäre Verständnis von Sex und den „Orgasm Gap” zwischen Männern und Frauen.
Die wenigsten Frauen kommen durch vaginale Penetration zum Orgasmus
Würde man heterosexuelle Cis-Gender fragen, welches Bild ihnen durch den Kopf schießt, wenn sie an Sex denken, würde wohl eine Vielzahl der Befragten an den typischen „Penis-in-Vagina-Sex” denken. Bereits in dieser Assoziation liegt ein grundlegendes Problem. Grace Wetzel, Studentin der Psychologie, Biologie und Gender Studies an der St. Lawrence University, spricht in einem TED-Talk über den sogenannten „Orgasm Gap”, einen Begriff, der beschreiben soll, dass Frauen beim Geschlechtsverkehr wesentlich seltener einen Orgasmus erleben als Männer. Wetzel erklärt in ihrem Vortrag, dass bei der Vorstellung von „Penis-in-Vagina-Sex” die Bedürfnisse von drei Vierteln der Frauen ignoriert werden, da nur rund ein Viertel der Frauen durch vaginale Penetration zum Höhepunkt kommen können, bei dem die Klitoris vernachlässigt wird. Wollen wir also den „Orgasm Gap” schließen, sollten wir uns zunächst von unserer veralteten Vorstellung von Sex lösen.
Mastubiert die Frau, kommt sie so schnell wie der Mann
Betrachten wir hierfür zunächst das gesellschaftlich verbreitete Bild von Penetrationssex. Das Argument, Sex diente ursprünglich zur Reproduktion durch den männlichen Orgasmus, widerlegt Wetzel mit der Argumentation, dass Menschen heutzutage in erster Linie miteinander schlafen, weil sie Lust darauf haben. Das lasse sich durch den steigenden Gebrauch von Verhütungsmitteln belegen. Auch das Argument, für Frauen sei es schlicht und einfach schwieriger zu einem Orgasmus zu kommen, entkräftet sie durch eine Studie, die belegt, dass Frauen und Männer durch Masturbation gleich schnell zum Höhepunkt kommen können (im Schnitt nach vier Minuten). So ein Mysterium kann die Klitoris also gar nicht sein. Aus biologischer Sicht kann der „Orgasm Gap” also nicht erklärt werden.
Gleichberechtigung fängt im Bett an
Wir sollten also unser Verständnis von Sex hinterfragen, schlägt Wetzel vor. Daneben, dass Männer beginnen sollten, Sex nicht nur als primär penetrativ zu verstehen, sollten Frauen zudem versuchen, ihre Bedürfnisse zu kommunizieren. Vielen fiele das jedoch schwer, auch weil das Einfordern von Befriedigung bedeute, dass man diese auch verdient, so Wetzel. Viele Frauen haben jedoch verinnerlicht, dass ihre Bedürfnisse an zweiter Stelle stehen. In einer Studie von Jessica A. Jordan aus dem Jahr 2019 heißt es, dass Frauen ihre sexuellen Bedürfnisse nicht äußern, um den Partner in seiner Männlichkeit nicht zu verletzen. Über 50 Prozent der Frauen haben in ihrem Leben einen Orgasmus vorgetäuscht, sagt Wetzel. Lasst euch das noch einmal durch den Kopf gehen – mehr als die Hälfte aller Frauen!
Frauen können auf ihr Recht auf einen Orgasmus bestehen, weil Gleichberechtigung bereits auf zwischenmenschlicher, sexueller Ebene beginnt. Begegnen wir unserem Sexualpartner auf Augenhöhe, hat dies auch auf anderen zwischenmenschlichen Ebenen eine Wirkung. Denn: Verdammt noch mal jede Frau verdient einen Orgasmus, der einem so richtig die Hirnwindungen durchpustet.
Hier könnt ihr den TED Talk von Grace Wetzel in voller Länge sehen: