Auf dem FFF 2025 stand das Panel „Mut zu handeln“ im Zeichen des bürgerschaftlichen Engagements. Moderiert von Sandra Immoor (Chefredakteurin Bild der Frau), lieferte die Runde eine tiefgehende Diskussion darüber, wie Ehrenamt in Zeiten politischer und gesellschaftlicher Unsicherheit zu einer Quelle der Selbstwirksamkeit und Stabilität wird.
Ehrenamt geht weit über bloße Hilfe hinaus, es ist eine zutiefst persönliche und gesellschaftlich gewinnbringende Erfahrung. Das weiß niemand so gut wie Sandra Immoor, Chefredakteurin von Bild der Frau. Vor knapp 20 Jahren hat sie die Goldene Bild der Frau gegründet – eine jährlich stattfindende Gala, in der Frauen ausgezeichnet werden, die sich ehrenamtlich in ganz unterschiedlichen Bereichen engagieren. Daraus ist ein starkes Netzwerk entstanden, das für Mut, Begegnung und Demokratie steht.
Eine dieser mittlerweile 103 prämierten Frauen ist Patricia Carl-Innig. Als ehrenamtliche Vorsitzende des Bundesverbands Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V. (BKMF e.V.) hob sie hervor, wie wichtig echte Begegnung ist und dass das Ehrenamt ein Gefühl der Selbstwirksamkeit vermittelt. „Es macht mich resilienter gegenüber Veränderung, weil ich das Gefühl habe: Ich bin nicht ohnmächtig. Ich kann etwas bewirken“, erklärte Patricia Carl-Innig.
Carl-Innig und der BKMF e.V. bieten den 3.500 Mitgliedern sehr viel: Jugendseminare, psychologische Beratung, Hilfe bei Alltags-Herausforderungen, Kontakt zu Ärzt*innen. Und das mit großem Erfolg: „Es ist toll zu sehen, wie wohl sich unsere Mitglieder in der Gemeinschaft fühlen, stärker werden. Schließlich geht es darum, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu bestärken.“
Im Jahr 2024 waren 36,7% der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland freiwillig engagiert, das entspricht rund 26,97 Millionen Menschen. Das freiwillige Engagement befindet sich also weiterhin auf einem hohen Niveau, auch wenn es im Vergleich zur Voruntersuchung 2019 (39,7%) leicht zurückgegangen ist. Das geht aus dem erst kürzlich publizierten Kurzbericht des Freiwilligensurveys 2024 hervor. Engagierte Personen investieren demnach wieder mehr Zeit in ihre freiwillige Tätigkeit, und auch die Häufigkeit, mit der freiwillige Tätigkeiten ausgeübt werden, hat sich im Vergleich zu 2019 erhöht (Quelle: Staatsministerium für Sport und Ehrenamt).
Auch die Münchnerin Günes Seyfarth erhielt im vergangenen Jahr die Auszeichnung der Goldenen Bild der Frau. Sie gründete 2020 die „Community Kitchen“, in der sie mit einem Team aus geretteten Lebensmitteln täglich günstige, frische Mahlzeiten kocht und so aktiv gegen Lebensmittelverschwendung anarbeitet. In der ehemaligen Firmenkantine in Neuperlach entstehen nicht nur hunderte Mahlzeiten pro Tag, sondern auch Umweltkurse und „Rettergläser“. Bis zu 40 Tonnen Lebensmittel pro Woche werden so vor dem Müll bewahrt – ein starkes Klimaschutzprojekt mit sozialem Anspruch.
Günes Seyfarth teilte auf der FFF-Bühne eine sehr persönliche Motivation für ihr Ehrenamt. Angesichts der Endlichkeit des Lebens, die ihr durch die zunächst schlechte Diagnose ihres Bruders bewusst wurde, stellte sie sich eine grundlegende Frage: „Wie kann ich die Zeit, die ich habe, so gewinnbringend wie möglich für mich und für andere einsetzen?“ Ihre Antwort: Freiwilliges Engagement bringt Sinn in den Tag und gibt allen Beteiligten sehr viel zurück. Im Grunde gehe es vor allem um eine Entscheidung. Wenn es die Lebensumstände einer Person zulassen und ein Tag in der Woche für Engagement zu entbehren ist, dann solle man es versuchen.
Aus dem Freiwilligensurvey 2024 geht hervor, dass ein Großteil der Menschen, die sich einmal für ein Ehrenamt entschieden haben, auch dabei bleiben. Mehr als zwei Drittel geben demnach an, ihre Engagementtätigkeit unverändert fortsetzen zu wollen.
Das bestätigte auch Dr. Christian Lüdke, Kinder- und Jugendpsychotherapeut sowie klinischer Hypnotherapeut. Ehrenamtliches Engagement löse biochemisch betrachtet reines Glück aus: Helfen aktiviere das Belohnungszentrum im Gehirn, schüttet Dopamin und Oxytocin aus. Dr. Christian Lüdke appellierte, Engagement als tief in der DNA verankerte soziale Notwendigkeit zu sehen.
Ein ganz zentraler Kritikpunkt war die Diskrepanz zwischen dem enormen Herzblut der Engagierten und den oft unzureichenden politischen und bürokratischen Rahmenbedingungen. Staatsministerin für Sport und Ehrenamt Dr. Christiane Schenderlein würdigte das Ehrenamt als unverzichtbaren Pfeiler der Gesellschaft, der aber mit zu viel Schreibtischarbeit und Bürokratie kämpft. Sie bekräftigte die Notwendigkeit einer anderen Wertschätzung und verwies auf konkrete politische Erfolge, wie das Jahressteuergesetz und den Zukunftspakt Ehrenamt, die Maßnahmen wie den Ausbau von Haftungsprivilegien sowie die Erhöhung der Ehrenamts- und Übungsleiterpauschale auf den Weg gebracht haben. Sie dankte den Anwesenden für ihre Arbeit: „Danke, dass ihr den Laden zusammenhaltet.“
Patricia Carl-Innig forderte eine weitergehende, offizielle Anerkennung. Als Anreiz für Menschen, die zeitintensiv ohne finanziellen Ausgleich im Ehrenamt arbeiten, schlug sie die Gewährung eines Rentenpunktes vor – eine Maßnahme, die auch ein Beitrag gegen Altersarmut von Personengruppen wie chronisch Kranken oder Menschen mit Behinderung wäre. Das, was Ehrenamtliche leisten, sei eine wichtige Aufgabe im gesamten System, die mehr staatliche Unterstützung brauche.
Die Moderatorin Sandra Immoor lenkte den Fokus auch auf die Ungleichheit im Ehrenamt: Es sind vor allem Frauen im Ehrenamt unterwegs. Die Frage lautete, wie hier mehr Gleichberechtigung hergestellt werden kann und welche Verantwortung die Unternehmen tragen. Dr. Schenderlein bestätigte die immense Herausforderung, da insbesondere Frauen oft stark durch Care-Arbeit und andere Aufgaben gebunden sind. Es brauche eine gezielte Ansprache und vor allem eine Willkommenskultur in Vereinen und Initiativen, die Frauen das Gefühl vermittelt: „Meine Stimme ist wichtig und wird wertgeschätzt.“
Günes Seyfarth betonte, dass Engagement nicht als Ausnahme, sondern als Normalität empfunden werden müsse, wofür sie eine frühzeitige Verankerung in der Bildung forderte. In anderen Ländern werde soziales Verhalten bereits in Kindergärten und Schulen vermittelt – ein Vorbild für Deutschland.
Das Panel schloss mit dem tiefen Verständnis, dass Ehrenamt eine demokratische Aufgabe sei. Patricia Carl-Innig fasste die aktuelle Gefühlslage und die Lösung zusammen: „Man bekommt aktuell eher Ohnmachtsgefühle, in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern… Ich kann aber im Kleinen einen Beitrag leisten, kann Begegnungen und Austausch schaffen für Menschen mit Behinderungen. Ich kann ihnen das Gefühl geben, nicht alleine zu sein.“