Weshalb habt ihr bei wir pflegen e.V. entschieden, in diesem Jahr den Tag der pflegenden Eltern ins Leben zu rufen?
„Weil die Lebensrealität dieser Eltern in der öffentlichen Wahrnehmung bisher kaum vorkommt. Pflegende Eltern leisten tagtäglich Enormes – sie übernehmen rund um die Uhr Verantwortung, koordinieren Pflege, Therapie und Betreuung und halten gleichzeitig ihre Familien am Laufen. Diese Arbeit ist unbezahlbar, aber leider auch unbezahlte Arbeit.
Mit dem Tag der pflegenden Eltern wollen wir genau das sichtbar machen: die gesellschaftliche Bedeutung dieser Care-Arbeit, die häufig im Verborgenen bleibt. Wir möchten Anerkennung schaffen, Solidarität fördern und vor allem politische Veränderung anstoßen.“
Was brauchen pflegende Eltern und pflegende Angehörige besonders dringend?
„Pflegende Eltern brauchen verlässliche Unterstützungs- und Entlastungsangebote, um überhaupt einmal durchatmen zu können. Kurzzeitpflegeplätze für
Kinder sind zum Beispiel kaum vorhanden, ambulante Dienste fehlen vielerorts. Viele Eltern müssen deshalb ihre Erwerbstätigkeit einschränken oder ganz aufgeben. Die Folgen: Einkommensverlust, Altersarmut und soziale Isolation. Besonders Allein- und Getrennterziehende trifft es hart: Sie leisten enorm viel und landen als Dank dafür im Bürgergeld. Für sie braucht es dringend ein Pflegegehalt, das soziale und finanzielle Sicherheit schafft.“
Was fehlt euch in der öffentlichen Debatte rund um pflegende Elternschaft besonders und wofür wünscht ihr euch mehr Bewusstsein?
„In der öffentlichen Debatte fehlt oft das Verständnis für die verschiedenen Lebensrealitäten. Pflegende Eltern sind häufig von gesellschaftlicher Exklusion betroffen. Sie bewältigen täglich eine Vielzahl von Aufgaben, für die es ein ganzes Pflegeteam bräuchte. Ihre Leistungen werden noch viel zu oft als private Familienaufgabe betrachtet, statt als gesellschaftlich relevante Care-Arbeit. Sie machen das unbezahlt und haben dabei in der Regel keine Wahlfreiheit. Viele Mütter wollen arbeiten, können aber nicht. Eine alleinerziehende Mutter, die sich um ihr
autistisches Kind kümmert, kann ihr Kind nicht einfach fremdbetreuen lassen. Vielleicht muss sie es zur Schule begleiten und mittags wieder abholen, weil längere Betreuungszeiten nicht möglich sind. Wer stellt jemanden ein, der nur drei Stunden am Tag arbeiten kann?“
Was müsste die Politik dringend angehen, um das Leben von pflegenden Angehörigen zu verbessern?
„Pflegende Eltern brauchen verlässliche Entlastungsangebote und die Möglichkeit, Pflege und Arbeit zu vereinbaren. Wenn das nicht möglich ist, braucht es ein Pflegegehalt zur finanziellen Absicherung. Außerdem müssen bürokratische Hürden abgebaut und Care-Arbeit als gesellschaftlich wertvoll anerkannt werden. Nur so lassen sich
Überlastung, Isolation und finanzielle Not verhindern. Wichtig ist zudem, dass die UN-Behindertenrechtskonvention endlich konsequent umgesetzt wird.“
Welche Frage sollte pflegenden Eltern häufiger gestellt werden – und was wäre eure Antwort darauf?
„Zum Beispiel, wie man uns unterstützen kann. Und meine Antwort wäre: Wir stehen gerade am Anfang, der Tag der pflegenden Eltern soll künftig jedes Jahr stattfinden. Ein Großteil der Arbeit wird ehrenamtlich von den engagierten Mitgliedern unseres Arbeitskreises vom Bundesverband wir pflegen e.V. getragen. Jede helfende Hand zählt, und wir freuen uns über Menschen, die sich einbringen möchten. Dabei gilt für uns: Jede*r so wie sie*er kann. Wer uns finanziell unterstützen möchte, kann Mitglied bei wir pflegen e.V. werden oder mit einer Spende helfen, unsere Arbeit sichtbarer zu machen und pflegende Eltern zu stärken.“