Die Psychologin, Autorin und Erzieherin Sanata Doumbia-Milkereit hat anlässlich des Weltkindertages ein poetisches Manifest verfasst. Mit ihren Worten appelliert an uns alle, Kinder zu schützen und für deren Rechte einzustehen.
Ich war ein Kind.
Ein kleines, zartes Wesen,
mit großen Augen und einem Körper, der nichts verlangte – nur Wärme. Nur Schutz.
Ich war ein Kind.
Ich wusste nicht, was Schuld ist,
bis man mir sagte, dass ich sie trage.
Ich wusste nicht, was Angst ist,
bis sie zu meinem täglichen Begleiter wurde.
Ich wusste nicht, was Worte sein können,
bis sie auf mir brannten wie Schläge.
Ich war ein Kind.
Und die Welt sah mich.
Und die Welt sah weg.
Man sagt: „Kinder sind unsere Zukunft.“
Aber ich war Gegenwart.
Ich atmete, ich weinte, ich wartete –
darauf, dass jemand mich sieht.
Doch wer spricht für die, die nicht schreien dürfen?
Wer hält die, die niemand hält?
Wer schützt die, die in der Dunkelheit schlafen
und hoffen, dass der Morgen anders wird?
Kinder brauchen keine großen Worte.
Keine Versprechen in Verträgen, die niemand liest.
Kein „Irgendwann“ und „Vielleicht“.
Kinder brauchen Arme, die nicht schlagen.
Worte, die nicht verletzen.
Blicke, die nicht verachten.
Eine Welt, die nicht wegschaut.
Kinder brauchen Rechte.
Nicht auf dem Papier, sondern in jedem Haus,
in jeder Schule, in jeder Hand, die sie hält.
Ich war ein Kind.
Und ich frage Euch:
Wie viele sind heute ein Kind – und warten?
Schaut nicht weg.
Nicht heute.
Nicht morgen.
Nie mehr.