„Eine Studie hat mein Leben gerettet.“ Mit diesem Satz beginnt das Kick-off Event für die FUNKE-Initiative STUDIEN WIRKEN in der Humboldt Universität Berlin. Die Initiative bildet eine Brücke zwischen Medizin und Patient*innen und zeigt, welch enormen Erfolg klinische Studien haben können, wenn nur genügend Menschen daran teilnehmen.
Thu Thao Vu Thi ist heute 24 Jahre alt – und beschwerdefrei. Noch vor acht Jahren hätte das niemand für möglich gehalten.
Viele Jahre litt sie unter den Folgen der Autoimmunerkrankung „Systemischer Lupus erythematodes“ (SLE). Bei dieser Krankheit richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper: Es bildet Antikörper gegen die Erbsubstanz DNS und löst so schwere Entzündungsreaktionen in verschiedenen Organen aus.
Mit 16 Jahren steht ihr Leben plötzlich Kopf. Eben noch tanzt sie Hip-Hop, macht Taekwondo, turnt – dann treten von einem Tag auf den anderen starke Gelenkschmerzen auf. Sie wird immer müder, bekommt Ausschläge im Gesicht. In der Kinderklinik Erlangen bestätigt sich schnell der Verdacht: SLE.
Heute steht Thu Thao Vu Thi im Festsaal der Humboldt-Universität und berichtet dem sichtlich bewegten Publikum von ihrer Geschichte. Damals hatte sie noch nie von der Krankheit gehört. Ihre erste Frage nach der Diagnose lautete: „Werde ich jetzt sterben?“ Die seltene Krankheit SLE ist zu diesem Zeitpunkt nicht heilbar. 2019 kamen dann vermehrt Schübe. Im Jahr 2021 wurde ihr gesagt, dass sie austherapiert sei.
Wie Thu Thao Vu Thi kämpfen jeden Tag Millionen Menschen gegen chronische, schwere oder so seltene Krankheiten wie SLE – Krankheiten, für die es noch keine Heilung oder Therapie gibt. Betroffene können oft nur auf den medizinischen Fortschritt warten – und hoffen.
Der Schlüssel für diesen Fortschritt sind klinische Studien. Diese Studien helfen, neue Medikamente und Therapien zu entwickeln. Aber ohne aufgeklärte und mutige Menschen, die sich an diesen Studien beteiligten, kann es keine Entwicklung, keinen Fortschritt und somit auch keinen Erfolg geben.
Henriette Schnabl, Chief Partnership Officer bei FUNKE, kam auf die Idee, für Aufklärung zu sorgen. Und zwar mit Hilfe verschiedenster Expert*innen aus Medizin und Forschung sowie betroffener Patient*innen, die meist schon lange Leidenswege hinter sich haben.
„Es geht um den Aufbau einer starken Allianz mit Arbeitskreisen und einem rund 30-köpfigen Advisory Board – Gremien, die Expert*innenwissen bereitstellen, die Initiative mit Leben füllen und gemeinsam an unserem Ziel arbeiten: klinische Studien sichtbar machen“, sagte Henriette Schnabl, die die Initiative STUDIEN WIRKEN heute leitet und mit ihrem Team voranbringt und weiterentwickelt.
Bei dem Kick-off Event STUDIEN WIRKEN am 21. November kamen unterschiedlichste Stimmen auf der Bühne zusammen, um über die enorme Wichtigkeit von Studien zu sprechen, aktuelle Probleme insbesondere in Bezug auf die Kommunikation mit den Patient*innen zu definieren und zu beschreiben, welche Maßnahmen zu mehr Teilnahme an Studien führen könnten.
Dr. Georg Kippels, parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit, betonte in seinem Vortrag, wie wichtig Vertrauen für die Forschung ist, denn noch immer stehen viele Menschen der Wissenschaft skeptisch und ängstlich gegenüber – oft wegen fehlender Aufklärung und Kommunikation. Dabei könnte gerade mehr Information Vertrauen schaffen und zur Teilnahme an Studien ermutigen.
Wie aber ist es möglich, Vertrauen zu schaffen, auf Augenhöhe mit den Patient*innen und nah an ihren Lebenswirklichkeiten zu sein und somit auch hartnäckige Mythen aus dem Weg zu räumen? Dr. Doris Henn (Senior Director Clinical Research Biopharmaceuticals, DACH, AstraZeneca GmbH) hob beispielsweise hervor, dass sich nach wie vor gewisse Vorstellungen über den Begriff „Placebostudie“ hielten. Häufig werde fälschlicherweise angenommen, es handele sich dabei um ein wirkstofffreies Präparat – dabei entspricht das „Placebo“ in diesen Fällen der bisherigen Standardtherapie. Zugleich betonte Dr. Henn, dass die Bürokratie durch ihre umfassenden Genehmigungsverfahren für Studien ein hohes Maß an Vertrauenssicherheit schaffen könne.
Die Gründerin des Krebs Campus, Dr. Babett Baraniec, ergänzte, dass man in der Diskussion die emotionale Ebene nicht unterschätzen dürfe. Es sei wichtig, sich auf die Patient*innen und ihre jeweilige Lebenssituation einzulassen. Die Studie sei oft der letzte Strohhalm, an den sich ein*e Patient*in klammere. Dr. Babett Baraniec holt die Patient*innen dort ab, wo sie sind, gerade auch bei Social Media, wo sie mit ihren Inhalten wichtige Aufklärungsarbeit leistet. „Wir haben Social Media viel zu lange den falschen Menschen überlassen“, sagte Baraniec.
Richten wir den Blick noch einmal auf Thu Thao Vu Thi und ihre Autoimmunerkrankung SLE.
SLE tritt bei etwa 50 von 100.000 Menschen auf und betrifft vor allem junge Frauen. Nach der Diagnose verschlechterte sich der Zustand von Thu Thao Vu Thi zunehmend. Zeitweise nahm sie bis zu 20 Tabletten am Tag ein, die Schübe wurden immer heftiger, eine Lungenentzündung löste einen weiteren massiven Krankheitsschub aus. „Wir standen mit dem Rücken zur Wand“, erinnert sich Gerhard Krönke, Oberarzt an der Klinik für Rheumatologie und Immunologie in Erlangen.
Die CAR-T-Therapie, die Thu Thao Vu Thi schließlich angeboten wird, erhält man nur ein einziges Mal. Thu Thao durfte damals selbst entscheiden, wann sie mit der Behandlung beginnen möchte. In ihrer Keynote erzählt sie, dass sie zunächst das Abi machen wollte, aus dem Wunsch heraus, „etwas Handfestes“ zu haben, falls sie die Therapie nicht überleben sollte.
Ihren Eltern erklärte sie das so: „Wenigstens würde ich dann für die Wissenschaft sterben und dazu beitragen, dass andere eines Tages davon profitieren können.“ Doch es kommt anders: Die Therapie wirkt. Und Thu Thao bekommt ihr Leben zurück.
Am Ende des Abends sitzt sie wieder im Publikum. Ihre Geschichte begann mit Angst, Ungewissheit und der Frage, ob sie überhaupt eine Zukunft haben würde. Heute ist sie das lebendige Beispiel dafür, dass Forschung nicht abstrakt ist, sondern Leben zum Positiven verändern und sogar retten kann.
Wenn Thu Thao Vu Thi sagt: „Eine Studie hat mein Leben gerettet“, dann ist das keine Floskel, sondern ein Auftrag. Ihre Geschichte zeigt, was möglich wird, wenn Ärzt*innen, Forschende, Patient*innen und ihre Angehörigen zusammenkommen: echte Hoffnung.
STUDIEN WIRKEN ist eine Initiative, die klinische Studien bekannter macht und ihre Bedeutung stärkt. Gemeinsam mit der begleitenden Kampagne sollen Werte geschaffen und die Gesundheitskommunikation auf ein breiteres Fundament gestellt werden. Die Kampagne baut Vorurteile ab und motiviert Menschen, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ihr Ziel ist es, die Digitalisierung und Vernetzung zu fördern, damit mehr relevante Informationen zugänglich werden und Patient:innen, Industrie und Forschung in einen intensiveren Austausch treten können.
Partner*innen und Unterstützer*innen der Initiative sind unter anderem das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Dachverband von und für Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen ACHSE e.V., der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), das Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) sowie die Unternehmen AstraZeneca, MSD, Pfizer und Roche. Die Initiative soll stetig weiterwachsen und ist offen für weitere Partner*innen aus den Bereichen Patientenverbände, Politik, Forschung sowie Industrie. Gespräche mit weiteren potenziellen Interessent*innen laufen bereits. Alle Infos zu der Initiative Studien wirken gibt es hier.