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Alina Süggeler und  Andi Weizel von Frida Gold vor rot ausgeleuchtetem Hintergrund. | © Fabian Süggeler
© Fabian Süggeler
Musik beim FFF DAY

„Täglich Verbindung suchen“ – Die Band Frida Gold im Interview

Die Band Frida Gold wird die Inhalte des FFF Days am 11. Oktober im bcc Berlin fühlbar machen. Alina Süggeler und Andi Weizel machen Musik, die nicht nur berührt, sondern Haltung zeigt politisch, poetisch, persönlich.  

Die Songs von Frida Gold schaffen Raum für Wut und Verletzlichkeit, für Selbstermächtigung und kollektives Fühlen. Mit ihrer EP Morgenrotbeginnt ein neues Kapitel, in dem es um Übergänge geht: vom Alleinsein zur Zugehörigkeit, von der Verzweiflung zur Hoffnung. Im Interview sprechen Alina und Andi über die politische Kraft von Popmusik und über die Erschöpfung, die insbesondere viele Frauen spüren und wie aus dieser Müdigkeit Wut und eine Bewegung entstehen kann. Sie erzählen, warum Zwischenräume und Ambivalenzen zutiefst menschlich sind. Und was es braucht, um im Pop-Business radikal unabhängig zu bleiben ohne sich selbst zu verlieren. Ein Gespräch über Verbindung als Haltung, Mut zur Klarheit und Glimmermomente im Leben. 

Popmusik ist mehr als nur Unterhaltung – sie kann gesellschaftliche Missstände aufzeigen und Menschen zusammenbringen. Würdet ihr sagen, dass Musik eine aufklärerische Kraft besitzt? Und was hat Musik euch persönlich beigebracht?

Alina: „Die aufklärerische Wirkung von Musik fühle ich auch. Popmusik kann eben durch ihr unprätentiöses Auftreten diesen direkten Zugang zu den Hörenden entwickeln, und somit Themen unserer Zeit platzieren, und Gefühlen einen Ort der Orientierung geben. Mir hat Musik Verbindung gezeigt. Verbindung mit mir durchs Musikmachen selbst und die daraus resultierende Verbindung mit anderen.“

Der Song „Alle Frauen in mir sind müde“ ist unglaublich treffend, gerade jetzt. Er spricht so klar aus, was wir alle fühlen. Wir sind stark und wir sind viele / Aber sind seit Jahrtausenden so müde. Der Song bewegt mich sehr, ich kann ihn nicht hören, ohne dass mir Tränen der Entschlossenheit kommen. Wie ist der Song entstanden? War Wut hier ein Motor?

Alina: „Das bewegt mich wiederum sehr. Diese Tränen der Entschlossenheit kenne ich gut. Sie sind im Entstehungsprozess geflossen, und tun es jetzt noch, wenn wir ihn live spielen. Ich wollte diesen Song schreiben, lange bevor er sich hat schreiben lassen. Ich habe monatelang Research betrieben, bin in mein eigenes Frausein eingetaucht, habe Kindheitserinnerungen an meine Mama wachgerufen, habe viel mit anderen Frauen gesprochen und mich letztendlich auf einer Konferenz wiedergefunden zum Thema Vergewaltigung als Kriegswaffe. Und ja, daraus resultierte unendliche Müdigkeit, aber noch stärkere Wut. Aber eben nicht diese Wut, die um sich schlägt, sondern die, die den Willen schärft.“

Im Song verwandelt sich diese Wut in eine kollektive Bewegung nach vorne. Lässt sich Wut bündeln und für etwas Gutes nutzen? Wie wichtig ist Verbindung in einer Gesellschaft, der Spaltung nachgesagt wird?

Alina: „Wut hat diesen negativen Anstrich. Gesellschaftlich gerade für uns Frauen. Sie hat aber doch in ihrer reinen Form den zerstörerischen Aspekt überhaupt nicht. Sie zeigt vor allem Grenzen an. Und das ist doch etwas, was wir dringend brauchen. Ein selbstdefiniertes, gesundes Gefühl für die eigenen Grenzen in unserm Frau- und Menschsein. Und nur da, wo Grenzen gehalten und respektiert werden, kann wirkliche Verbindung entstehen.“

Wäre eine Welt, in der Frauen an der Macht sind, eine bessere?

Andi: „Wir sehen mittlerweile ganz eindeutig, wohin uns die patriarchalen Systeme gebracht haben. Es wäre an der Zeit, Weltordnung anders zu denken. Und das traue ich ehrlich gesagt gerade vor allem Frauen zu.“

Was ist Feminismus für euch ganz persönlich?

Alina: „Feminismus bedeutet für mich: Sich selbst gehören. Platz einnehmen. Solidarisch sein.“

Dieser Wunsch, sich selbst zu gehören und sichtbar zu sein, spiegelt sich auch in eurer Kunst wider – Frida Gold ist mehr als Musik. Die Videos haben eine besondere Ästhetik, die Texte wirken immer ganz nah am Jetzt. Was habt ihr auf eurem Weg losgelassen – und was ist im Laufe der Zeit dazugekommen?

Andi: „Wir lassen immer mehr den Gedanken los, jemand anders könnte es für uns besser wissen als wir selbst. Jemand anders kann wichtige und gute Impulse haben, aber final ist wichtig, dass wir unserem Gefühl und unseren Überlegungen trauen. Und: Man bereut selten die Dinge, die man gemacht hat, aber immer das, was man nicht probiert hat.“

Welche Bedeutung hat Öffentlichkeit für euch?

Alina: „Da, wo ich die Chance habe, öffentlich in Verbindung zu gehen, fühle ich mich gut und richtig, und verspüre den Wunsch, diese zu nutzen. Da, wo ich nicht wirklich weiß, mit wem ich’s zu tun hab, und keine Verbindung steht, schüchtert mich Öffentlichkeit eher ein.“

Ihr habt mittlerweile ein eigenes Label, Haus aus Gold. Ihr entscheidet also jetzt selbst, wann ihr veröffentlicht und wie die Veröffentlichungen aussehen. – Was macht ihr heute anders? Warum habt ihr diese Entscheidung für euch getroffen?

Andi: „Wir waren umgeben von einem System, was uns zwar noch gehalten, aber nicht mehr getragen hat. Es war klar, entweder wir lösen uns von allem, was dieses System bedeutet, oder wir verlieren uns und den Kern. Wir sind nun vollumfänglich selbstständig, übernehmen Verantwortung für jeden Schritt, den wir mit Frida Gold machen, und verzichten von nun an darauf, im Außen die Ermächtigung zu suchen für das, was wir tun.“

Wie ist der Zeitplan für das neue Album, wie sieht euer Jahr 2025 aus?

Andi: „Am 19. September releasen wir nach 10 Jahren zum ersten Mal wieder ein zusammenhängendes Werk, die EP ,Morgenrot’. Sie ist der Anfang eines Zyklus, den wir ,Sonnenaufgang’ nennen. Im Januar 2026 gehen wir dann mit dieser EP auf Tour.“

Die Songs „Menschen machen solche Sachen“, „Neuer Tag“ oder „Traurig und Glücklich“ drücken aus, was ist und zeigen dabei Gleichzeitigkeit und Ambivalenz. Damit setzt ihr einen Gegenpol zur Polarisierung Medien oder bei Social Media. Haben wir die Grautöne verlernt? Warum sind Uneindeutigkeiten und Zwischenräume so wichtig für eine demokratische Gesellschaft?

Alina: „In den Zwischenräumen, in dem Uneindeutigen menscheln wir. Da bleibt Raum für Menschlichkeit. Da können wir wütend sein, und trotzdem Mitgefühl haben. Da ist echter Diskurs möglich, wir bleiben offen und können Verbindungen halten. Und ich spreche nicht davon, grundsätzlich nicht eine klare Haltung zu haben. Aber vorschnelle, extreme Meinung verhärtet und bringt uns im Miteinander nicht weiter.“

Welche Literatur, Musik, Filme haben euch zuletzt sehr bewegt?

Alina: „Die letzten Bücher, die mich richtig tief bewegt haben, waren Juli Zeh Neujahr, Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells, Ein wenig Leben von Hanya Yanagihara und Siri Hustvedts Was ich liebte. Ich liebe auch die neue Serie von Lena Dunham. Und Musik – sag du Andi …“
Andi: „Ich hab vor ein paar Wochen Brandi Carlile live gesehen, in einem intimeren Rahmen und das hat mich sehr bewegt. Tolle Musikerin, beeindruckende Frau.“

In eurem großartigen Song „Neuer Tag“ hören wir: An jedem neuen Morgen / An jedem neuen Tag / In jedem Anfang ein Glimmer, rest in peacе, all ihr Trigger / Und alles ist Licht und Zuversicht vеrtausendfacht. Was macht euch zuversichtlich?

Alina: „Verbindung wird gerade irgendwie zum Thema des Interviews, oder ist vielleicht auch wirklich einfach Antrieb unseres Schaffens. Verbindung macht mich zuversichtlich. Da, wo ich mein Gegenüber spüren kann, sei es durch einen flüchtigen Augenkontakt, oder ernsthafte Auseinandersetzung, da glaube ich an die Chance, dass es gut ausgeht.“

Und: Was sind eure Glimmermomente?

Alina: „Die ganz kleinen, unbedeutenden, die erstmal keine Auswirkung auf etwas haben, und das auch nicht müssen, sind Schatten- / Lichtspiele für mich. Andi, für dich?“
Andi: „Lichteinfall aufs Wasser und der Geschmack von Pistazien-Eis.“

Unsere Vorfreude kennt keine Grenzen: Ihr seid Teil des FFF DAY und stellt dort einige eurer neuen wundervollen Songs vor: Was bedeutet MUT für euch?

Alina und Andy: „Offenporig bleiben. Zuversichtlich sein. Grenzen aufzeigen und täglich Verbindung suchen.“

BE BOLD: Sichere dir dein Ticket für den FFF DAY 2025

Werbebanner für den FFF DAY am 11. Oktober 2025. Motto: Be Bold!  | © EDITION F
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Was bedeutet es, mutig zu sein? In jedem Land, in jeder Kultur wird Mut anders gelebt, anders definiert. Im Iran ist Mut das laut ausgesprochene Verlangen nach Freiheit, in Afghanistan der unermüdliche Kampf um Bildung, im Sudan das Aufbegehren gegen Unterdrückung und Gewalt, in Russland das Einstehen für die eigene Meinung. In Deutschland ringen wir um Gleichberechtigung und Chancengleichheit. In Frankreich brachte Gisèle Pelicot größten Mut auf, indem sie trotz jahrelanger Misshandlungen gegen ihre Peiniger aussagte und damit eine wichtige internationale Debatte über sexualisierte Gewalt anstieß.

Beim FFF Day 2025 im bcc Berlin feiern wir den Mut, für Menschenrechte und Demokratie einzustehen. Wir wollen den verschiedenen Facetten von Mut Raum geben – weltweit und individuell. Gemeinsam erkunden wir, wie Mut sich in unterschiedlichen Kontexten zeigt, wie Privilegien unsere Perspektive darauf prägen und was Mut bewirken kann. Unter dem Motto „Be bold“ feiern wir mutige Menschen, die Grenzen überwinden und Veränderung schaffen. Freu dich auf inspirierende Keynotes, internationale Stimmen und vielfältige Begegnungen, die Mut sichtbar und spürbar machen. 

Lasst uns zusammen mutig die Zukunft gestalten! Sichere dir dein Ticket JETZT!

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