Gleichstellungsbeauftragte sind unerlässlich, wenn es darum geht, Städte und Kommunen gerechter zu machen. Nun müssen die Kommunen sparen. Das von der CDU geführte Innenministerium in Sachsen ist der Meinung, dass man damit doch bei den Gleichstellungsbeauftragten anfangen könnte. Als Grund wird „Bürokratieabbau“ genannt.
Was macht eigentlich eine kommunale Gleichstellungsbeauftragte? – Sie setzt sich dafür ein, dass alle Menschen – unabhängig vom Geschlecht – die gleichen Chancen in ihrer Stadt oder Gemeinde haben. Ihr gesetzlicher Auftrag ist es, Benachteiligungen abzubauen und Gleichstellung aktiv zu fördern. Davon profitieren alle Menschen – Frauen, Männer, Kinder, Familien, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Menschen mit Migrationsgeschichte und queere Personen.
Oder kurz: Die Gleichstellungsbeauftragte versucht, den Alltag aller Menschen, die zusammen an einem Ort leben, zu verbessern. Aktuell gibt es in Sachsen 41 hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Landkreise und Kommunen mit mehr als 17.000 Einwohnern müssen solche Stellen hauptamtlich besetzen. Jede Kommune mit weniger als 17.000 Einwohner*innen muss laut Gesetz ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte bestellen.
Das CDU geführte Innenministerium in Sachsen hat nun vorgeschlagen, die Pflicht zur Bestellung kommunaler Gleichstellungsbeauftragter „zu reduzieren oder zu streichen“. Angeblich soll so ein Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet werden. Damit beruft man sich auf das Kommunale Freiheitsgesetz, das im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Durch dieses Gesetz soll Geld eingespart werden durch mehr kommunale Selbstbestimmung. Von einer Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten war in diesem Zusammenhang aber nie die Rede.
„Gleichstellung darf nicht im Windschatten populistischer Sparpolitik geopfert werden.“ – Konstanze Morgenroth, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Leipzig
Warum ein solcher Schritt fatal wäre und nicht nur in einer Zeit, in der rechtsextreme Kräfte an Einfluss gewinnen, das falsche Signal setzt – dazu befragten wir Konstanze Morgenroth. Sie ist seit 2015 die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Leipzig. In dieser Funktion setzt sie sich besonders für die Beseitigung aller Formen geschlechterbezogener Gewalt, das Auflösen von Geschlechterstereotypen sowie für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben ein.
„Gleichstellungsbeauftragte machen strukturelle Diskriminierung sichtbar, setzen sich für Chancengleichheit ein und ermöglichen gleichberechtigte Teilhabe. Durch Beratung, Sensibilisierung und Netzwerkarbeit stärken sie demokratische Prozesse auf lokaler Ebene – auch dort, wo rechte Ideologien an Einfluss gewinnen. Sie sind oft erste Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierung und häuslicher oder sexualisierter Gewalt.“
„Bislang ist vor allem der angebliche ,Bürokratieabbau' das Hauptargument. Weitere tragfähige, faktenbasierte Argumente wurden nicht öffentlich vorgelegt. Es bleibt unklar, wie durch den Wegfall dieser gesetzlich verankerten Positionen tatsächlich relevante Verwaltungsvereinfachungen erzielt werden sollen.“
„Gar nicht. Artikel 3 Absatz 2 GG verpflichtet den Staat ausdrücklich, die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen. Eine Streichung der Pflicht schwächt diesen Auftrag massiv und steht im Widerspruch zu unserer Verfassung.“
„Das ist offen. Ohne verlässliche, institutionalisierte Strukturen vor Ort wird Gleichstellung zur Glückssache und abhängig von kommunaler Haushaltslage und/oder politischer Willkür. Eine Umsetzung des Verfassungsauftrags wäre ohne Gleichstellungsbeauftragte kaum möglich.“
„Er sendet ein fatales Signal: Gleichstellung ist verhandelbar. Wenn Sachsen Gleichstellungsarbeit zur freiwilligen Aufgabe erklärt, könnten andere Länder folgen – und damit bundesweit mühsam errungene Fortschritte gefährdet werden.“
„Ohne diese Positionen fehlen zentrale Ansprechpartnerinnen, die sich gezielt für Benachteiligte einsetzen. Partizipation, Sichtbarkeit und Schutz vor Diskriminierung gehen verloren – insbesondere für Frauen, queere Menschen, Migrant*innen oder Menschen mit Behinderung. Besonders in ländlichen Bereichen wird sich dies schmerzhaft auswirken.“
„Freiwilligkeit bedeutet Beliebigkeit, denn dann fehlt die strukturelle Verankerung. Gerade in klammen oder sehr konservativ geführten Kommunen würde Gleichstellungsarbeit als erstes gekürzt. Das untergräbt systematisch die Gleichberechtigung und schwächt gesellschaftliche Teilhabe.“
„Ihre Arbeit wäre akut gefährdet. Ohne rechtliche Verpflichtung zur Bestellung könnten Stellen gestrichen werden. Die Kontinuität und Qualität der Gleichstellungsarbeit würde massiv leiden – für die gesamte Bevölkerung.“
„Aktuell gibt es in Sachsen 41 hauptamtliche kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Bei Umsetzung des Vorschlags wären diese Stellen nicht mehr gesetzlich vorgeschrieben und damit in ihrer Existenz gefährdet.“
„Beide Übereinkommen fordern explizit staatliche Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt. Der Abbau von Gleichstellungsstrukturen widerspricht diesen Verpflichtungen klar.“
„Deutschland hat sich völkerrechtlich verpflichtet, Gleichstellung umfassend umzusetzen – auf allen Ebenen, auch kommunal. Eine funktionierende Gleichstellungspolitik braucht daher flächendeckende Strukturen und darf nicht auf Landes- oder Gemeindeebene ausgehöhlt werden.“
„Rechtspopulistische und antifeministische Kräfte, die Gleichstellungspolitik gezielt diskreditieren wollen. Auch konservative Gruppen, die sich gegen Vielfalt und Inklusion stellen, profitieren davon, wenn emanzipatorische Strukturen geschwächt werden.“
„Notwendig ist eine gesetzliche Sicherung und personelle wie finanzielle Stärkung kommunaler Gleichstellungsstellen. Zudem braucht es klare politische Rückendeckung, kontinuierliche Weiterbildung und überregionale Vernetzung, um die Arbeit vor Ort resilient und zukunftsfähig zu gestalten.“
„Durch öffentlichen Protest, Vernetzung und politische Einmischung: Stellungnahmen, Petitionen, Bündnisse und direkte Ansprache politischer Entscheidungsträger*innen sind zentrale Mittel – mit denen auch wir als LAG der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Sachsens arbeiten. Gleichstellung darf nicht im Windschatten populistischer Sparpolitik geopfert werden.“