Wie fühlt es sich an, in einer Schule zu lernen, die kaum Raum für Mitsprache lässt? Hanna Hecht kennt die Antwort – und kämpft dafür, dass sich das ändert. Als International Officer der Bundesschülerkonferenz setzt sie sich für Chancengleichheit, mentale Gesundheit und mehr Mitbestimmung ein. Auf dem Bildungspanel des Female Future Force Day forderte sie: „Schule muss endlich der Ort werden, an dem jede Stimme zählt.“
„Wir bekommen viele Presseanfragen und sitzen regelmäßig auf Podien – vor allem auf Bundesebene. Wahrgenommen werden wir also schon, aber wenn es um echte Entscheidungen geht, sind wir kaum beteiligt. Schüler*innen werden selten gefragt, obwohl sie die Auswirkungen von Bildungspolitik am unmittelbarsten spüren. Es wird über uns gesprochen, aber nicht mit uns. Das müsste sich dringend ändern.
Schon an den Schulen selbst zeigt sich dieses Problem: Es gibt zwar Gremien wie die Schulkonferenz, aber dort haben Schüler*innen in der Regel wenig Einfluss. Viele wissen nicht genau, worum es geht, oder ihre Beiträge werden nicht ernst genommen. Oft dürfen wir zwar Projekte wie das Schulfest mitplanen, aber wenn es um Lehrpläne, Schulentwicklung oder strukturelle Veränderungen geht, sitzen wir nur daneben.
Dabei hätten wir viel beizutragen. Wir erleben Schule jeden Tag, wissen, was funktioniert und was nicht. Wenn man Schüler*innen wirklich in Entscheidungen einbeziehen würde – auch auf Landes- oder Bundesebene –, könnten Lösungen entstehen, die praxisnäher und gerechter sind. Es geht also nicht nur darum, gehört zu werden, sondern wirklich Teil des Prozesses zu sein.“
„Ich glaube, wir erleben gerade insgesamt eine extrem schwierige Zeit – nicht nur in der Schule, sondern auch gesellschaftlich und weltpolitisch. Das alles verunsichert viele junge Menschen. Wenn dann noch der ständige Leistungsdruck dazukommt, ist das einfach enorm belastend. Viele wissen gar nicht mehr so richtig, wohin mit sich – vor allem nach der Schulzeit, wenn die Orientierung fehlt.
Genau deshalb haben wir als Bundesschülerkonferenz unsere Mental Health-Kampagne gestartet. Wir fordern unter anderem deutlich mehr Schulsozialarbeit und mehr Schulpsycholog*innen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und Probleme frühzeitig erkennen können. Denn ich habe oft das Gefühl, dass Lehrkräfte in dieser Hinsicht überfordert sind. Sie sind mit so vielen Aufgaben konfrontiert, dass sie gar nicht immer wissen, wie sie auf psychische Belastungen reagieren sollen – oder wie sie gesellschaftliche Themen, Krisen und politische Veränderungen sensibel in den Unterricht einbinden können. Viele wollen neutral bleiben, sind sich aber unsicher, wie sie das in einem passenden Rahmen schaffen.
Das Gleiche gilt für Themen wie Mobbing oder Schüler*innen, denen es einfach nicht gut geht. Hier fehlt es oft an Wissen und Handlungssicherheit. Deshalb brauchen Lehrkräfte Fortbildungen – nicht erst im Beruf, sondern schon im Lehramtsstudium. Sie sollten lernen, wie sie mit psychischen Belastungen umgehen, über schwierige Themen sprechen und betroffene Schüler*innen unterstützen können. Besonders wichtig finde ich dabei den Gedanken der Prävention: Es sollte gar nicht erst so weit kommen, dass Probleme so groß werden, dass sie kaum noch zu bewältigen sind. Schule muss ein Ort sein, an dem frühzeitig aufgefangen wird – bevor Belastungen überhandnehmen.“
„Ich hatte in der siebten Klasse für ein halbes Jahr sogenannten Medienunterricht – aber da ging es hauptsächlich darum, wie man eine PowerPoint-Präsentation erstellt oder Schriftarten in Word verändert. Mit echter Medienkompetenz hatte das wenig zu tun. Und genau das ist ein großes Problem. Die ganze Debatte läuft in eine völlig falsche Richtung: Statt über sinnvolle Medienbildung zu sprechen, wird ständig über Handyverbote diskutiert. An manchen Schulen werden Handys sogar komplett verboten oder eingezogen – aber eine wirkliche Aufklärung findet kaum statt.
Als Bundesschülerkonferenz haben wir uns dazu auch klar positioniert. Wir finden, dass das der falsche Ansatz ist. Statt Technik zu verbieten, sollte man Kindern und Jugendlichen beibringen, wie sie verantwortungsvoll damit umgehen können. Handys, Tablets und Computer gehören längst zum Alltag – und trotzdem lernen viele junge Menschen nie richtig, wie man das Internet sinnvoll nutzt oder Informationen kritisch bewertet.
Gerade weil viele schon im Grundschulalter ein Smartphone bekommen, werden sie oft einfach in diese digitale Welt entlassen – ohne Vorbereitung. Das kann schnell problematisch werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Medienbildung fester Bestandteil des Unterrichts wird. Wir bringen unsere Position dazu in verschiedenen Gremien ein, etwa über Stellungnahmen oder bei Veranstaltungen zur Medienbildung, an denen unsere Generalsekretär*innen teilnehmen. So versuchen wir, unsere Perspektive in die politische Diskussion einzubringen.“
„Eine diskriminierungssensible Schule bedeutet für mich vor allem, dass Vielfalt sichtbar ist – und dass sie ernst genommen wird. Themen wie Sexualität oder queeres Leben spielen für Jugendliche eine riesige Rolle, gerade in der Zeit, in der man sich selbst findet. Trotzdem wird das in der Schule kaum aufgegriffen. Sexualerziehung findet, wenn überhaupt, sehr oberflächlich statt, und über queere Identitäten wird so gut wie gar nicht gesprochen. Dabei ist das ein großes Problem, weil es unter Jugendlichen immer wieder zu Anfeindungen kommt. Ich erlebe das auch in meinem Umfeld – es fehlt einfach an echter Sensibilisierung. Viele denken immer noch: ‚Du bist anders als wir.‘
Das zieht sich durch viele Bereiche. Auch politische Bildung kommt oft zu kurz. Themen wie Radikalisierung oder gesellschaftliche Polarisierung werden selten ernsthaft im Unterricht behandelt, weil Lehrpläne zu eng gefasst sind und viele Lehrkräfte unsicher sind, wie sie solche Themen ansprechen dürfen. Dabei wäre genau das wichtig, um Diskriminierung vorzubeugen und Verständnis füreinander zu fördern.
Ein weiteres großes Thema ist Inklusion. In Brandenburg etwa gibt es immer noch Förderschulen, die Kinder mit Lern- oder Entwicklungsbeeinträchtigungen aus dem regulären Schulalltag ausschließen. Ich finde, das ist der falsche Weg. Wenn Kinder mit und ohne Einschränkungen gemeinsam lernen, profitieren am Ende alle – weil sie früh lernen, Unterschiede zu akzeptieren und damit umzugehen.
Und zu einer diskriminierungssensiblen Schule gehört für mich auch Chancengleichheit. Bildung hängt in Deutschland immer noch stark vom sozialen Hintergrund ab. Kinder aus Familien mit weniger Geld können sich oft keine Nachhilfe leisten, nicht an Klassenfahrten teilnehmen oder haben zu Hause nicht die gleiche Unterstützung. Dadurch starten sie mit deutlich schlechteren Voraussetzungen. Das ist ein strukturelles Problem, das die Politik – auch hier in Brandenburg – endlich konsequent angehen muss.“
„Ich bin besonders stolz auf unsere Mental Health-Kampagne unter dem Titel ‚Uns geht’s gut?‘. Ausgangspunkt war die Studie einer Stiftung, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde und deutlich gezeigt hat, wie stark Schüler*innen psychisch belastet sind. Wir haben uns damals gesagt: Das machen wir zu unserem Thema. Wir wollten das Thema mentale Gesundheit von Schüler*innen größer machen, in die Medien bringen und mit eigenen Projekten Aufmerksamkeit schaffen – so, dass sich wirklich etwas verändert.
Zwar laufen viele unserer Projekte noch, aber schon der Auftakt war ein Erfolg. Bei unserer letzten Plenartagung in Hamburg haben wir eine große Auftaktveranstaltung organisiert, bei der nicht nur Schülervertreter*innen aus ganz Deutschland dabei waren, sondern auch viele Menschen, die sich wirklich für das Thema interessieren. Das hat uns gezeigt, dass wir einen Nerv getroffen haben. Inzwischen bekommen wir auch finanzielle Unterstützung von verschiedenen Stiftungen – ein starkes Zeichen dafür, dass mentale Gesundheit nicht nur für uns, sondern für viele ein zentrales Anliegen ist.“
„Als wir von dem Vorschlag einer sogenannten Migrationsobergrenze an Schulen gehört haben, war für uns sofort klar: Das geht in die völlig falsche Richtung. Schulen sollten Orte sein, die Integration ermöglichen und fördern – nicht solche, die ausgrenzen. Der Vorschlag schließt Schüler*innen aus, statt sie einzubeziehen, und das empfinden wir als diskriminierend. Deshalb war uns wichtig, sofort zu reagieren. Wir konnten in so einer Debatte nicht einfach still bleiben, weil sie uns als Schüler*innenvertretung direkt betrifft. Wir müssen Position beziehen, wenn Bildungspolitik Menschen trennt, statt sie zusammenzubringen.
Gleichzeitig haben wir uns aber für Deutsch-Eignungstests ausgesprochen, sofern sie wirklich der Förderung dienen. Wenn solche Maßnahmen dazu beitragen, Sprachbarrieren abzubauen und Integration zu erleichtern, können sie sinnvoll sein. Aber eine Migrationsobergrenze – also die Idee, Kinder aufgrund ihrer Herkunft voneinander zu trennen – ist für uns überhaupt nicht vorstellbar. Genau deshalb wollten wir schnell und deutlich reagieren, auch auf Social Media, um unsere Haltung klar sichtbar zu machen.“
„Mit der ehemaligen Bildungsministerin hatten wir tatsächlich schon Kontakt. Wir hatten sie zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, und sie ist auch gekommen – das fand ich wirklich toll. So konnten wir direkt mit ihr ins Gespräch kommen, unsere Positionen erklären und sie hat einige unserer Forderungen sogar aufgenommen. Das war ein gutes Beispiel dafür, wie Austausch auf Augenhöhe funktionieren kann.
Aber leider ist das nicht immer so. Auch andere Schülervertretungen, etwa auf Landesebene, haben ähnliche Erfahrungen gemacht: Sie versuchen, mit der Politik zusammenzuarbeiten, stoßen aber oft auf Hürden oder Desinteresse. Dabei wäre genau dieser Dialog so wichtig, um Bildungspolitik näher an der Realität der Schüler*innen auszurichten.“
„Wenn wir uns zu politischen Themen äußern, läuft das nie einfach spontan. In der Regel verfassen wir zunächst eine Pressemitteilung, die wir an unsere Mitgliedsländer schicken. Dann warten wir auf Rückmeldungen oder setzen uns mit den Vertreter*innen der Landesschülerkonferenzen zusammen, um Kompromisse zu finden. Natürlich gibt es dabei manchmal unterschiedliche Meinungen oder Interessen – das ist völlig normal, weil wir sehr verschiedene Schulformen, Regionen und Perspektiven vertreten.
Trotzdem geht die Stimmung meist in eine ähnliche Richtung. Am Ende sind wir alle Schüler*innen und erleben den Schulalltag aus derselben Perspektive – das verbindet uns. Grundlage für unsere Positionen sind die Beschlüsse, die wir bei unseren Plenartagungen fassen. Dort erarbeiten wir Stellungnahmen, die später in unser Grundsatzprogramm aufgenommen werden. Auf diese Beschlüsse können wir uns dann beziehen, wenn wir uns öffentlich äußern.
Bei der Migrationsdebatte gab es zum Beispiel kaum Diskussionen – da waren wir uns sehr einig. Die Unterschiede liegen eher in der Tonalität: Manche möchten sich etwas radikaler und in jugendlicher Sprache äußern, andere bevorzugen eine professionellere Formulierung. Aber inhaltlich ziehen wir bei den meisten Themen an einem Strang.“
„Meine ideale Schule wäre eine, die ganz anders aufgebaut ist, als wir es heute kennen. Zum Beispiel würde ich Noten abschaffen. Stattdessen sollte es regelmäßig persönliche Gespräche zwischen Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern geben, in denen gemeinsam über Fortschritte, Stärken und Herausforderungen gesprochen wird. Das wäre viel gerechter und würde den Druck deutlich verringern.
Außerdem wünsche ich mir, dass das Schulsystem insgesamt flexibler wird. Ich finde, die Trennung nach der vierten oder sechsten Klasse kommt viel zu früh. Viele wissen in diesem Alter noch gar nicht, was sie später machen wollen oder wo ihre Talente liegen. Ich fände es sinnvoller, wenn die gemeinsame Schulzeit bis zur neunten Klasse ginge – und man sich erst dann für unterschiedliche Bildungswege entscheidet.
So hätten alle mehr Zeit, sich zu entwickeln, herauszufinden, was ihnen liegt, und ihren eigenen Weg zu finden. Eine Schule der Zukunft sollte Kinder nicht früh sortieren, sondern sie individuell fördern und begleiten – damit jede*r die Chance bekommt, das Beste aus seinen Fähigkeiten zu machen.“