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Das Selbstbestimmungsgesetz ist jetzt ein Jahr alt und tausende trans, inter und nicht-binäre Menschen konnten es bereits nutzen und ihren Geschlechtseintrag und Namen damit ändern. Doch leider gibt es weiterhin Diskussionen – vor allem über die angeblich missbräuchliche Nutzung des Gesetzes. Unsere Autorin meint, diese Scheindebatte ist vor allem eins: Panikmache gegen trans Personen.
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Vielleicht hast du es mitbekommen, in den letzten Monaten hatte Neonazi Marla-Svenja Liebich eine erneute Debatte um das SBGG ausgelöst. Liebich stand mehrfach, unter anderem wegen Volksverhetzung, vor Gericht und sollte im August 2025 eine anderthalbjährige Haftstrafe antreten. Das Problem: Marla-Svenja Liebich sollte ins Frauengefängnis, weil Liebich kurz zuvor über das Selbstbestimmungsgesetz den eigenen Vornamen und Geschlechtseintrag angepasst – und damit transfeindliche Mythen real gemacht hatte.
In der Vergangenheit habe ich bereits in mehreren Texten über das Selbstbestimmungsgesetz geschrieben, weil ich, auch wenn ich meine Kritik an dem Gesetz habe, eine große Unterstützerin der geschlechtlichen Selbstbestimmung bin. Man könnte nun vermuten, dass der Fall Marla-Svenja Liebich mich in ein moralisches Dilemma stürzt oder mich einschüchtert, weil doch offensichtlich jemand bewiesen habe, dass geschlechtliche Selbstbestimmung gefährlich sein kann. Aber ich finde, dass dieser Fall eine Chance liefert, um aufzuzeigen, warum das Selbstbestimmungsgesetz funktioniert und kein bisschen gefährlich ist.
Ich möchte zunächst erklären, wie und mit welchem Namen ich über Liebich spreche – und warum ich das tue. Liebichs Name und Geschlecht wurden im Januar 2025 offiziell zu „Marla-Svenja“ und „weiblich“ geändert. Zuvor nutzte Liebich einen anderen Vornamen und das Pronomen „er“. Nach der Namensänderung begann Liebich damit, rechtlich gegen die Nutzung des ehemaligen Namens vorzugehen. Aufgrund dessen wird dieser von der Presse inzwischen kaum noch erwähnt. Auch ich werde ihn nicht verwenden – allerdings nicht in erster Linie, weil ich eine Anzeige oder Abmahnung befürchte.
Diese ganze Aktion der Geschlechtsänderung inklusive Anzeigen und Frauengefängnis, auch Liebichs Aussehen, wurden schon mehrfach als klare Provokation erkannt und benannt – es ist kaum vorstellbar, dass die Person, die noch 2023 von „Transfaschismus“ und trans Personen als „Parasiten der Gesellschaft“ sprach, einen plötzlichen Sinneswandel oder eine Selbstneufindung hatte. Alles deutet darauf hin, dass Liebich trans Personen, vor allem trans Frauen, öffentlich vorführen möchte.
Dennoch denke ich, der beste Umgang mit Marla-Svenja Liebich ist, das Spiel mitzuspielen, weil wir damit Liebich die Angriffsfläche nehmen. Weil wir nichts zu befürchten haben. Das Selbstbestimmungsgesetz funktioniert nämlich genau richtig und nicht mal eine Person wie Marla-Svenja Liebich kann es tatsächlich missbrauchen.
Ich stehe voll und ganz hinter dem Konzept der vollständigen geschlechtlichen Selbstbestimmung für alle. Niemand sollte das Recht haben, über das Geschlecht einer anderen Person zu bestimmen, und ich werde jede Person mit dem Namen ansprechen, mit dem sie angesprochen werden will – selbst Marla-Svenja Liebich. Wie dir vermutlich bereits aufgefallen ist, meide ich jegliche Pronomen für Liebich, was daran liegt, dass ich tatsächlich keine expliziten Pronomen gefunden habe. So mache ich es mit jeder Person, deren Pronomen ich nicht kenne, und so zeige ich auch durch diesen Text noch einmal, dass es absolut machbar ist, Menschen ohne Pronomen anzusprechen und nicht zu misgendern.
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Tatsächlich ist es vollkommen egal, mit welcher Intention Liebich den eigenen Namen und das Geschlecht ändern ließ. Wenn Marla-Svenja Liebich aus Protest und Hass heraus eine Frau ist, dann finde ich das wirklich traurig und bitter, aber von mir aus. Ich akzeptiere Liebichs selbstgewählten Namen und Geschlecht, doch eine rechtsextreme trans Frau ist immer noch ein Nazi. Daran hat sich nichts geändert.
Die Validität von Liebichs Geschlechts- und Namensänderung infrage zu stellen, bringt nichts, außer grundsätzlich Zweifel gegenüber trans, inter und nicht-binäre Personen zu säen. Wenn wir eine Person infrage stellen, dann müssen wir irgendwo eine Grenze ziehen und wie soll man diese bestimmen? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass hinter Liebichs Handlungen keine guten Absichten stecken, doch das Problem liegt nicht im SBGG. |
Die Änderung von Liebichs Geschlechtseintrag hat Auswirkungen über den Namen hinaus, im Besonderen –, und ich vermute, das war der Grund, warum Liebich das SBGG überhaupt genutzt hat – der Haftantritt im Frauengefängnis. Er war der Grund, warum diese Geschichte überhaupt in den Medien großgeworden ist – und Liebich hat damit genau das erreicht, was Liebich erreichen wollte. Stimmung gegen das Selbstbestimmungsgesetz zu machen.
Dabei ist die Diskussion darum wieder redundant geworden, weil Marla-Svenja Liebich nie das Frauengefängnis betreten hat. Liebich ist geflohen und nun nicht mehr auffindbar. Offensichtlich war das SBGG in diesem Fall vollkommen irrelevant, stattdessen haben andere Behörden versagt. Und die Medien sind wieder mal über das Stöckchen gesprungen, das ihnen hingehalten wurde, denn sie führen genau die Diskussion, die Liebich anstoßen wollte, ohne dass Liebich selbst sich irgendwelchen Konsequenzen stellen musste.
Doch spielen wir das Spiel einmal so durch, als wäre Liebich nicht geflohen. Ich glaube nicht, dass der*die Rechtsextremist*in jemals wirklich damit geplant hat, ins Gefängnis zu gehen, weil diese Erfahrung vor allem für eine Person unangenehm gewesen wäre – nämlich für Liebich selbst. Aus eigenen Erfahrungen kann ich mit gutem Gewissen behaupten, dass es oft nicht besonders angenehm ist, als trans Frau durch diese Welt zu navigieren – vor allem dann, wenn man an Orten unterwegs ist, wo man besonders unerwünscht ist, wie die sogenannten Frauenschutzräume. Ich persönlich fühlte oder fühle mich schon in Umkleiden und Toiletten unwohl, ich will mir ein Frauengefängnis gar nicht vorstellen müssen.
Der transfeindliche Mythos besagt, dass trans Frauen Männer seien, die in Frauenschutzräume eindringen, um dort Frauen gegenüber übergriffig zu werden, aber ich denke nicht, dass Liebich die Chance dazu gehabt hätte, weil Liebich offensichtlich unter Generalverdacht gestanden hätte – so wie es leider jede trans Frau erlebt. Gleichzeitig hätte Liebich vermutlich konstant Ausgrenzung und Othering erfahren.
Ich möchte damit nicht darauf hinaus, dass man Mitleid haben sollte, von mir aus kann Liebich gerne auch in der Hölle schmoren. Ich finde es nur wichtig, das Szenario hinter der Angstmache wirklich einmal durchzuspielen, um zu sehen, dass es eben nicht mehr als Angstmache ist.
Trans Frauen wollen nicht mehr als existieren und müssen konstant dafür kämpfen, dass ihnen ihr Geschlecht nicht abgesprochen wird, besonders an Orten, die ausschließlich für Frauen vorgesehen sind. Menschen, besonders Männer, die übergriffig sein wollen, müssen sich nicht erst in eine marginalisierte Rolle stecken, um das zu erreichen. Wenn sie es wirklich wollen, werden sie so oder so einen Weg finden – was sie leider auch viel zu oft tun, ohne dafür belangt zu werden.
Selbst wenn Liebich tatsächlich trans ist und mit schlechten Intentionen in eine Frauen-JVA wollte, sehe ich den Hintergrund eher in Liebichs rechtsextremer Gesinnung und kriminellen Handlungen – nicht in der Geschlechtsidentität. Es gibt auch cis Frauen, die Nazis sind und auch diese sitzen in Frauengefängnissen. Wenn wir uns Sorgen um Liebich machen, dann sollten wir uns vielleicht auch Sorgen um diese Personen machen.
Es geht in der Diskussion um Liebich einzig und allein darum, trans Personen zu diffamieren und einen Grund dafür zu finden, ihnen ihre Rechte zu nehmen. In den USA steht gerade die Befürchtung im Raum, dass trans Menschen in Zukunft pauschal als Terrorist*innen klassifiziert werden.
Anfang Oktober sollte der Bundesrat dazu abstimmen, Geschlechts- und Vornamensänderungen über das SBGG im Melderegister zu kennzeichnen. So gäbe es praktisch gesehen ein „Trans-Register“. Dass sowas überhaupt diskutiert werden kann in einem Land, in dem queere Menschen in der Vergangenheit systematisch verfolgt und getötet wurden, finde ich überaus besorgniserregend. Argumentiert wird für sowas mit Fällen wie Liebich. Doch Liebich brauchte kein Selbstbestimmungsgesetz, um nach Russland zu fliehen und auch sonst bestand nie die Gefahr, dass Liebich mit dem SBGG undercover gehen könnte oder für sonstige Hirngespinste.
Zum Glück wurde der Antrag von der Tagesordnung genommen – vielleicht weil es zu viel Druck aus der Gesellschaft gab, vielleicht weil der Bundestag keine Zustimmung von den Ländern zu erwarten hatte. In jedem Fall ist es gut, dass es abgewendet wurde. Doch es ist wichtig, wachsam zu bleiben, denn leider sind die Rechte von trans, inter und nicht-binären Personen alles andere als garantiert und auch hier kann es ganz schnell wieder ungemütlich werden.