Mit dem 25 Frauen Award hat EDITION F dieses Jahr Frauen ausgezeichnet, die mit ihrer Stimme die Gesellschaft verändern. Simone Reif, Manging Director von StepStone, saß in der Jury – wir haben sie zum Interview getroffen.
Talentförderung als erklärtes Ziel
Simone Reif liebt ihren Job – und will als Managing Director der Online-Jobplattform StepStone dafür sorgen, dass ganz viele andere auch einen Job finden, den sie lieben. Seit 2003 ist sie bei StepStone – zuvor beriet sie verschiedene Großunternehmen bei der Vertriebsarbeit. Nach ihrem Einstieg bei der Düsseldorfer Online-Jobplattform leitete sie zunächst den Vertriebsinnendienst, bevor sie 2010 die Gesamtvertriebsleitung in Deutschland übernahm. Seit 2011 verantwortet sie das Geschäft von StepStone in Kontinentaleuropa.
Was ihr dabei besonders wichtig ist: männliche und weibliche Talente gleich zu fördern. Sie ist zweifache Mutter, findet, dass Mütter und Frauen noch viel zu oft diskriminiert werden und fordert deswegen nicht weniger als einen gesellschaftlichen Wandel, mehr Akzeptanz und Toleranz. Wir haben ihr für unser Printmagazin zum 25 Frauen Award 25 Fragen gestellt – und teilen sie auch online mit unseren Leser*innen.
1. Wählen in fünf Jahren Künstliche Intelligenzen oder Menschen die besten Bewerber*innen aus?
„Beide werden am Auswahlprozess beteiligt sein. Innovative Technologien helfen uns ja heute schon dabei, Menschen mit den passenden Unternehmen zu verbinden. Und Künstliche Intelligenzen werden immer besser darin, eine Vorauswahl zu treffen. Aber: Es sind und bleiben Menschen, die am Ende entscheiden, welche Bewerber* innen am besten zu Job und Unternehmen passen. Das wird sich auch nie ändern.“
2. Was unterscheidet eine*n gute* n Personaler*in von einer*m schlechten?
„Gute Personaler*innen haben ein überdurchschnittlich gutes Gespür für Menschen: Dafür, wie sie ticken, welche Haltung sie bei der Arbeit an den Tag legen, wie sie Aufgaben angehen. Gute Personaler*innen achten in erster Linie auf den Cultural Fit, also darauf, dass Mitarbeiter* innen menschlich gut passen und sich mit der Unternehmenskultur identifizieren können. Und: guten Personaler*innen ist klar, dass sie sich heute auch bei den Bewerber*innen bewerben müssen. Das bedeutet beispielsweise, dass sie schnell und verbindlich auf Bewerbungen reagieren und den Dialog mit Bewerber*innen und Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe führen müssen.“
3. Wärst du manchmal gerne wieder Praktikantin?
„Unterschiedliche Perspektiven auf das, was man jeden Tag macht, sind immer wichtig. Wer ein Praktikum macht, will etwas Neues kennenlernen, Erfahrungen sammeln und sich ein unvoreingenommenes Bild machen. Daher: klares Ja! Diese Einstellung sollte man gar nicht erst aufgeben.“
4. Wann findest du deinen Beruf langweilig?
„Ganz ehrlich: Das passiert mir nicht. Ich kann auch gar nicht nachvollziehen, wie das jemandem im Vertrieb überhaupt passieren kann. Meiner Meinung nach hat man es selbst in der Hand, seinen Arbeitstag zu gestalten und sich immer wieder neue Herausforderungen zu suchen. Das geht vielleicht nicht in jedem Job. Aber in den meisten.“
5. Was ist in Zukunft der relevanteste Job, an den wir jetzt noch gar nicht denken?
„Führung wird ein noch wichtigeres Thema, als es heute schon ist – das gilt ganz unabhängig von einer bestimmten Branche oder Berufsgruppe. Durch die Digitalisierung ist Arbeit heute in vielen Unternehmen wahnsinnig schnelllebig und hochkomplex. Und das Tempo wird noch zunehmen. Die Führungsrolle wird dadurch anspruchsvoller – auch, weil Mitarbeiter*innen immer höhere Erwartungen haben. Sie wollen mitgestalten, eigene Entscheidungen treffen, Aufgaben auf ihre Art und Weise erledigen. Ihnen dabei erfolgreich den Weg zu ebnen, wird in Zukunft sehr relevant für den Erfolg von Organisationen sein.“
6. Worüber kannst du lachen?
„Über mich selbst.“
7. Wobei kannst Du am besten abschalten?
„Beim Reiten. Das ist für mich die beste Form, den Kopf frei zu kriegen.“
8. Und wo kannst Du am besten abschalten?
„In der Natur. Ich wohne sehr ländlich und bin schnell in größeren Wäldern. Die Ruhe dort genieße ich sehr.“
9. Wenn Geld keine Rolle spielen würde – was würdest du dann beruflich machen?
„Genau das, was ich heute tue. Bei StepStone helfen wir Menschen dabei, einen Job zu finden, den sie lieben. Und unser Job bedeutet uns allen so viel. Nicht nur, weil er unser Selbstbild prägt, sondern auch, weil er Menschen Raum gibt, ihr Leben zu gestalten. Einen besseren Grund, morgens aufzustehen, kann ich mir nicht vorstellen.“
10. Welche Stimme oder welcher Song reißt dich auf die Tanzfläche?
„,Mirror, Mirror’ von Solid Base.“
11. Für welches Problem gibt es noch keine gute Lösung?
„Frauen und Mütter werden immer noch viel zu oft diskriminiert. Hier brauchen wir einen deutlichen Wandel in unserer Gesellschaft. Solange männliche Führungskräfte mit Kindern als sozial kompetent gelten, weibliche dagegen sowohl im Beruf als auch in der Familie als nur bedingt einsatzfähig, besteht eindeutig Handlungsbedarf. Mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote, Elternzeit- und Erziehungsgeld-Modellen allein ist es nicht getan. Was fehlt, sind Toleranz und Akzeptanz – auch für die veränderten Ansprüche von Arbeitnehmer*innen.“
12. Worüber hast du zuletzt ganz intensiv nachgedacht?
„Wie meine Tochter in 40 Jahren wohl arbeiten wird. Die Veränderungen der Arbeitswelt sind schon heute überall sichtbar und dieser Prozess wird sich noch intensivieren.“
13. Und worüber diskutiert?
„Mit meiner Tochter darüber, dass reich Heiraten und Kinder kriegen keine Alternative zu einer guten Ausbildung ist.“
14. Wie schöpfst du Mut?
„In schwierigen Situationen versuche ich nicht immer alles allzu ernst zu nehmen. Manchmal hilft es auch, einfach intuitiv zu reagieren. Ich bin per se kein ängstlicher oder mutloser Mensch. Mein Optimismus hilft mir immer.“
15. Welche Sozialen Netzwerke nutzt du privat?
„Da ich mich den ganzen Tag beruflich mit digitalen Themen beschäftige, bin ich privat am liebsten analog unterwegs. Meinen Facebook- Account habe ich nach dem Cambridge-Analytics- Skandal vollständig gelöscht. Ich habe zwar noch einen Instagram-Account, bin aber dort nicht sehr aktiv. Mir ist es wichtig, in der Freizeit auch wirklich im Hier und Jetzt zu sein und nicht ständig aufs Handy zu schauen.“
16. Jede*r hat Vorurteile. Welche hast du?
„Dass Männer im Gegensatz zu Frauen wirklich nicht multitaskingfähig sind.“
17. Und was tust du dagegen?
„Ich gebe meinem Mann nicht mehr als eine Aufgabe auf einmal.“
18. Was machst du nach Feierabend?
„Momentan steckt meine 17-jährige Tochter mitten im Abitur. Deshalb ist es derzeit meine Hauptaufgabe, sie nach Feierabend dabei zu unterstützen und vor allem ihre Nerven zu stärken – die Kids stehen heute schon sehr früh unter enormem Druck. Ansonsten mache ich nach der Arbeit gerne und viel Sport und versuche, viel Zeit mit meinen Freund*innen und der Familie zu verbringen.“
19. Zum Abschalten: Trash-TV oder Gesellschaftsdokumentation?
„Das kommt darauf an, wie stressig der Tag war. Manchmal hilft nur Stille, um abzuschalten. Dann bleibt der Fernseher aus.“
20. Wann ist es an der Zeit, aufzugeben?
„Für mich im beruflichen Kontext: Ich habe all meine Jobs mit echter Leidenschaft gemacht und aus Stress-Situationen positive Energie gezogen. Ging das mal nicht, habe ich die Stelle ohne Rücksicht auf Verluste an den Nagel gehängt. Der Moment aufzugeben ist immer dann, wenn der Stress nicht mehr positiv ist.“
21. Welche Frau hat dich besonders geprägt?
„Pippi Langstrumpf – sie ist neugierig und fragt nach. Sie ist unangepasst, fällt auf und betont immer wieder ihre Besonderheiten und Ansichten. Sie denkt quer und hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, auch mal unbequem zu sein. Bei all dem ist sie ein absolut positiver Mensch, der das Leben liebt und hundertprozentig authentisch ist. Ich glaube wir können nur etwas verändern, wenn wir unser Leben und unsere Arbeit in die Hand nehmen und aktiv gestalten – und Pippi Langstrumpf geht hier mit bestem Beispiel voran. Manchmal muss man einfach machen!“
22. Welcher jungen Frau sollten viel mehr Menschen zuhören?
„Greta Thunberg, die 15-jährige Schwedin, die gestandenen Politiker*innen sagt, was Sache ist und mit ihrem Mut und Einsatz eine globale Klimaschutzbewegung losgetreten hat.“
23. Wofür oder wogegen hast du zuletzt deine Stimme erhoben?
„Ich habe kein konkretes Beispiel, aber ich wehre mich im Grunde jedes Mal, wenn ich etwas als ungerecht empfinde. Ganz egal, ob es um mich geht oder meine Kinder, meine Kolleg*innen oder Mitarbeiter*innen – Ungerechtigkeit kann ich nicht ertragen und deshalb auch nicht unkommentiert lassen.“
24. Auf welche Frage hättest du gerne geantwortet?
„,Was würdest du anders machen, wenn du noch einmal am Anfang deiner Karriere stündest?’“
25. Und was hättest du geantwortet?
„Ich hätte mir an den Frauen von heute ein Beispiel genommen und einer ausgeglicheneren Work-Life- Balance einen höheren Stellenwert beigemessen. Ich bewundere das Selbstbewusstsein und die Möglichkeiten junger Frauen heute sehr. Viele, leider nicht alle, Themen, die vor 20 Jahren diskutiert wurden, sind heute tatsächlich Vergangenheit. Das haben wir vielen starken Frauen zu verdanken, die sich persönlich dafür eingesetzt haben, die immer noch sehr männerdominierte Arbeitswelt zum Positiven zu verändern.“
Liebe Simone, vielen Dank.