Welche Menschen sind für uns im Leben wirklich wichtig – und woran erkennt man das? Dieser Frage widmet sich Mirna Funk in diesem Monat für ihre Kolumne „Sag mal, Mirna…“
Ich glaube nicht an das Wen, sondern an das Was
Eltern oder Partner*innen, was ist im Leben wichtiger? Freund*innen, wäre meine Antwort, hätte ich keine Tochter. Aber vielleicht liegt das daran, dass ich ein Leben ohne Partner führe und meine Eltern schon vor vielen Jahren in sichere Entfernung zu mir gebracht habe. Weit genug weg, um keine unnötigen Zwischenfragen hören zu müssen, aber nah genug bei mir, um keine offene Feindschaft zu kreieren, die nur belastet. Wie du siehst, für mich ist die Antwort einfach: beide sind unwichtig.
Das liegt vor allem daran, dass ich nicht an das Wen, sondern das Was glaube. Denn das Allerwichtigste im Leben ist Liebe. So doof und abgedroschen wie es klingen mag. Jenes wohlige Gefühl, das einen sicher und geborgen sein lässt – und von einer anderen Person oder einer Sache ausgelöst wird. Diese Person oder Sache kann prinzipiell erstmal jeder und alles sein. Oft sind es die eigenen Eltern. Manchmal sind sie es aber nicht. Denn nicht jeder Mensch ist geboren worden, um eine gute Mutter oder ein guter Vater zu sein.
Was brauchen wir im Leben?
Kinder brauchen nicht viel, um sich aufgehoben zu fühlen. Ich würde sogar behaupten wollen, die wenigsten sind es. Dabei ist es gar nicht so viel, was Kinder brauchen, um glücklich, zufrieden und aufgehoben zu sein. Viele Jahre war ich böse auf meine eigenen Eltern, dass sie die Nummer mit mir irgendwie nicht hinbekommen hatten und erntete meistens Kommentare, wie: „Werde du erstmal selber Mutter!“ Aber seit ich selbst Mutter bin, verstehe ich sie noch weniger. Was daran liegt, dass ich noch weniger das Problem darin sehe, die drei Dinge zu verwirklichen, die Kinder brauchen:
- Liebe dein Kind bedingungslos und vermittle es ihm*ihr so oft es geht
- Sei offen, ehrlich und vor allem kritikfähig
- Stelle deine eigenen Bedürfnisse zurück, aber sei deshalb nicht sauer
Ich selbst hatte nichts davon bekommen und fiel einer unstillbaren Sehnsucht zum Opfer. Ich suchte und suchte und suchte und suchte. Ich suchte nach Partnern, die diese drei Dinge endlich erfüllen würden. Und fand dabei immer Partner, die genauso ausgehungert waren wie ich selbst. Was passierte war klar: Wir forderten gegenseitig Dinge voneinander, die eigentlich die Beziehung zwischen Eltern und Kind definierten. Was ich von den einen nicht bekommen hatte, forderte ich nun vom anderen, der wiederum forderte, was er schmerzlich vermisste: Liebe nämlich. Denn um die geht es uns. Was auch immer wir sagen, wen auch immer wir meinen. Alle Beziehungen scheiterten auf eine sehr ähnliche Weise. Wir bekamen nicht, was wir brauchten.
Von wem bekommst du Liebe?
Deswegen lautet meine Gegenfrage an dich auch, von wem bekommst du was? Von wem bekommst du Liebe? Von beiden? Dann musst du dich nicht entscheiden und würdest diese Frage vielleicht auch gar nicht stellen. Denn wer Liebe schenken kann, der fordert keine Entscheidung. Der gibt, ganz freiwillig und gerne. Oder du bekommst sie eben nur von einem der beiden. Dann beantwortet sich die Frage von ganz allein. Da wo die Liebe ist, ist die Bedeutung. Jedenfalls solange klar ist, dass dein*e Partner*in dir niemals etwas geben kann, was eigentlich der Job deiner Eltern ist. Ja, Menschen können sich lieben, einander Familie schenken, sich Sicherheit und Rückhalt geben. Aber diese Liebe ist anders. Denn Partner*innenliebe, aber auch Freundschaftsliebe ist „Ich muss nicht, möchte aber trotzdem“ und Elternliebe ist „Ich muss und möchte“.
Welche Entscheidung du auch treffen wirst, triff sie für die gesunde Seite. Wo auch immer die gerade ist. Und wenn es die gesunde Seite nicht gibt, dann guckst du, wo du sie finden kannst. Vielleicht ist sie gerade nicht bei den Eltern und vielleicht auch nicht bei dem*der Partner*in. Das ist gar nicht so schlimm, wie man erstmal denkt. Schau, was dir dieses wohlige Gefühl schenkt, das dich sicher und geborgen sein lässt.
Vielleicht findest du es in der Liebe zu einem Kind, ob es dein leibliches oder ein adoptiertes ist. Vielleicht findest du es in der Arbeit mit Tieren, Wörtern, Pflanzen, Gegenständen oder Gegenstandslosem. Vielleicht findest du es bei deinen Freund*innen, Nachbar*innen oder Kolleg*innen. Vielleicht findest du es in einer Religion, einer Aufgabe, einem Glauben oder einer Idee. Die Liebe erkennt man immer sofort. Nur wenn sie nicht da ist, ist man verunsichert.