Es ist vollbracht. Am 6. November wurde in den USA gewählt. Eine der wohl spannendsten und meist antizipierten Zwischenwahlen seit Jahren. Und zwar mit einer „weiblichen Welle“.
Nach den Midterms: eine weibliche Bilanz
Alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus, 35 Sitze im Senat, 36 Gouverneursposten sowie unzählige Sitze in den Parlamenten der Einzelstaaten standen am 6. November 2018 zur Wahl. Zwei der wichtigsten Fragen im Vorhinein: In welchem Ausmaß würden Frauen, motiviert durch zwei Jahre Politik und Rhetorik von Donald Trump und der Republikanischen Partei, die Demokrat*innen an der Wahlurne unterstützen? Und welche Politikerinnen würden im Repräsentantenhaus und im Senat für frischen Wind sorgen?
Trotz sehr guter anfänglicher Prognosen für die Demokratische Partei wurde es eine lange Nacht – und einige Shooting Stars der Partei verglühten schneller am politischen Firmament als von Beobachtern erwartet. Wer aber konnte sich in den Wahlkreisen durchsetzen und was bedeutet dies für die Repräsentation von Frauen im amerikanischen Kongress?
Chancenlos im Senat
Die politische Landkarte im Senat war von Beginn an schwierig für die Demokrat*innen. Nicht nur, dass bei ihnen 26 Sitze zur
Wahl und bei den Republikaner*innen nur neun standen, zehn von diesen Demokratischen Sitzen mussten zudem noch in stark konservativen Staaten verteidigt werden. Um eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Senat zu erwirken, hätten die Demokrat*innen alle ihre Sitze verteidigen und zwei Sitze gewinnen müssen. Dies gelang nicht allen Demokratischen Senator*innen.
Neben Joe Donnelly, der in Indiana unterlag, verloren auch die Senatorin Heidi Heitkamp in North Dakota und Claire McCaskill in Missouri ihre Sitze. Heitkamp und McCaskill wurde unter anderem zum Verhängnis, dass sie gegen Brett Kavanaugh und dessen Nominierung für den Supreme Court gestimmt hatten. Die Wähler*innen in den roten Staaten quittierten dies im Wahlkampf-Endspurt mit einer deutlichen Niederlage für beide Senatorinnen. Und in Florida sieht es aktuell nicht gut aus für die Demokratische Partei. Auch der mögliche Gewinn von Jacky Rosen im Bundesstaat Nevada kann daher die Verluste des Senats für die Demokrat*innen nicht mehr aufhalten.
Vielfältiger Machtwechsel im Haus
So trostlos die Ergebnisse für die Demokratische Partei in diesen Senatsrennen auch sein mögen, ein Blick auf die Rennen zum Repräsentantenhaus dürfte ihr politische Selbstbewusstsein wieder beflügeln. Nicht nur gelang es der Partei, eine Mehrheit an Sitzen zu gewinnen und viele dieser Sitze den Republikaner*innen in umkämpften Distrikten abzujagen, auch konnten sich viele junge und unterschiedliche Frauen in diesen Rennen durchsetzen.
Zum ersten Mal werden laut Cook Political Report über 95 Frauen im Repräsentantenhaus vertreten sein. Das Center for American Women and Politics aktualisiert noch die neusten Ergebnisse, aber es dürften hinsichtlich der Repräsentation von Frauen im Kongress einige Rekorde aus den vorherigen Jahren fallen. Nicht nur waren Frauen als Wählerinnen und Kandidatinnen sehr aktiv, auch als politische Spenderinnen traten sie verstärkt in Aktion. Laut der New York Times gaben Frauen 36 Prozent mehr Geld in diesen Kongresswahlen als politische Spenden aus, als im Jahr 2016.
In Kansas gewann Sharice Davids den dritten Distrikt gegen den Republikanischen Amtsinhaber Kevin Yoder. Davids ist nicht nur eine Aktivistin und Anwältin, sondern schrieb gemeinsam mit Deb Haaland aus New Mexico mit ihrem Sieg auch Geschichte für die amerikanischen Ureinwohner: Davids und Haaland sind die ersten indigenen Amerikanerinnen, die im Kongress vertreten sein werden. Davids repräsentiert die Ho-Chunk Nation und Deb Haaland den Pueblo of Laguna Stamm. Davids wird auch die erste öffentliche Vertreterin der LGBTQ+ Gemeinschaft in der Delegation von Kansas sein.
Viele erste Male
Und es gab viele weitere „Firsts“, befeuert durch viele erfolgreiche Kandidatinnen in der Demokratischen Partei. Ayanna Pressley zieht als
erste schwarze Frau aus Massachusetts in den Kongress ein, Jahana Hayes wird
als erste schwarze Frau den Staat Connecticut im Kongress vertreten. Rashida
Tlaib und Ilhan Omar gewannen ihre Kongressdistrikte in Michigan und Minnesota und werden nun als erste Muslima dem 116. Kongress angehören, der im Januar 2019 seine Arbeit aufnehmen wird. Ilhan Omar kam als Flüchtlingskind vor über 20 Jahren in die USA und wird als erste Amerikanerin mit somalischer Abstammung im Kongress aktiv werden. In Texas wurden – auch wenn man es kaum glauben mag, dass es so lange dauerte – die ersten zwei Latinas in den Kongress gewählt. Veronica Escobar und Sylvia Garcia werden ab 2019 die Demokratische Partei unterstützen.
In Iowa setzte sich die ehemalige CIA-Mitarbeiterin Abigail Spanberger gegen den erzkonservativen Dave Brat durch – indem sie selber mit
einem für Demokrat*innen eher konservativen Profil die Wähler von sich überzeugte. Und auch der Shooting Star der Demokratische Partei, Alexandria Ocasio-Cortez, gewann ihre Wahl – die allerdings nie wirklich in Gefahr war – und wird nun den 14. Distrikt von New York im Kongress als jüngste Abgeordnete vertreten. Und die bisher ausschließlich männliche Delegation aus Pennsylvania wird zum ersten Mal mit vier Frauen im Repräsentantenhaus vertreten sein.
Es gab auch Niederlagen
Allerdings konnten sich nicht alle Demokratischen Kandidatinnen,
die in den Medien schon als Hoffnungsträger gefeiert wurden, durchsetzen. Besonders dann, wenn die Herausforderinnen in konservativen Distrikten mit eher dezidiert linken Profilen antraten, unterlagen sie. So verlor Kara Eastman im 2. Distrikt in Nebraska gegen Don Bacon, Stacey Abrams schien einen Sieg der Demokraten in den Südstaaten möglich zu machen, doch das enge Rennen scheint laut neusten Ergebnissen wohl nicht zu ihren Gunsten auszugehen. Auch wenn die Mehrheit der erfolgreichen Kandidatinnen auf Seiten der Demokrat*innen antrat, gab es auch auf Seiten der Republikaner*innen einige wichtige Siege von konservativen Politikerinnen: Marsha Blackburn wird als erste Senatorin den Staat Tennessee vertreten und die Republikanerin Kristi Noern setzte sich in den Gouverneurswahlen in South Dakota durch.
Women’s March an die Wahlurnen?
Wie positionierten sich die Frauen in diesem Wahlgang? Wurden die Siege der oben genannten Politikerinnen auch überproportional von Frauen ermöglicht? Laut den ersten Umfrageergebnissen am Tag nach der Wahl fällt das Bild hier etwas differenzierter aus. Den ersten Hochrechnungen zufolge machten Frauen 52 Prozent der Wählerschaft aus und entschieden sich mit hohem Abstand, 59 zu 40 Prozent, für die Demokratische Partei.
Allerdings gab es auch hier gravierende Unterschiede. Während schwarze Frauen sich ersten Ergebnissen zufolge mit 92 Prozent für die Demokrat*innen entscheiden, und es bei Latino Frauen noch 73 Prozent waren, stimmten von den weißen Frauen lediglich 49 Prozent für die Demokrat*innen. Besonders weiße Frauen ohne universitäre Bildung entschieden sich mit 56 Prozent unmissverständlich für die Republikaner, weiße Frauen mit Universitätsabschluss hingegen stimmten mit 59 Prozent für die Demokratische Partei. Diese gravierenden Unterschiede zwischen den einzelnen Wählergruppen dürften auch innerhalb der amerikanischen Feminismus-Bewegung weiterhin für Diskussionsstoff sorgen. Gerade schwarze Aktivistinnen hatten sich eine verstärkte Solidarität von weißen Wählerinnen an der Wahlurne erhofft – dies scheint nicht eingetreten zu sein.
Trouble für Trump?
Während die nächsten Wochen mit detaillierten Profilen der aufstrebenden Politikerinnen in diversen Publikationen glänzen werden, stellt sich natürlich die Frage, was diese Schlagzeilen und Frauen für den politischen Prozess und die politische Arbeit in der Ära Trump bedeuten werden. Der Druck auf den Präsidenten wird sich durch den Republikanischen Verlust des Repräsentantenhauses definitiv erhöhen, Demokrat*innen können nun die wichtigen Ausschüsse mit ihren Vorsitzenden besetzen und dadurch das politische Geschehen – z.B. durch Vorladungen von Mitgliedern der Trump-Regierung – weitaus stärker beeinflussen.
Doch legislative Erfolge und eine progressive oder gar feministische Themensetzung in Bereichen wie dem Gesundheitssystem, der Bildung oder dem Justizwesen dürften nicht zu erwarten sein. Mit dem Senat fest in den Händen der Republikanischen Partei, einem auf Konfrontation gepolten Präsidenten und der sich verfestigenden Polarisierung schmilzt der Raum für Kompromisse und übergreifende Politikarbeit stetig. Womit jedoch zu rechnen ist sind diejenigen Demokratischen Politikerinnen, die ihr Augenmerk schon auf die Präsidentschaftswahl 2020 gerichtet haben und dementsprechend versuchen werden, politische und rhetorische Akzente unter Trump zu setzen. Auch wird es spannend sein zu beobachten, inwiefern die politischen Neuankömmlinge im Kongress die Ausrichtung der Demokratischen Partei beeinflussen können.
An Kampfeslust und Motivation dürfte es den Frauen definitiv nicht mangeln. Es wird heiß hergehen, im 116. Kongress.
Titelbild: Corey Torpie | Wikimedia | CC BY-SA 4.0
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