Angst und negative Gedanken können uns lähmen. Doch wir können selbst etwas dagegen tun und unserem Gehirn beibringen, sich auf das Schöne und Positive einzulassen.
Du kannst dein Gehirn verändern
„Achte auf Deine Gedanken, denn Deine Gedanken werden zu Worten. Achte auf Deine Worte, denn Deine Worte werden zu Taten. Achte auf Deine Taten, denn Deine Taten werden zu Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn Deine Gewohnheiten werden zum Schicksal.“ (Aus dem Talmud)
Das Leben ist nicht immer leicht. Wir erleben Trauer, Enttäuschung, Wut, Schicksalsschläge, Krankheiten, Verzweiflung und Ungerechtigkeiten, die sich kaum in Worte fassen lassen. Wenn die Welt sich bitter und grausam zeigt, ist es schwer, in ihr das Positive zu sehen. Raum für Liebe, ja sogar Selbstliebe, bleibt dann kaum. Aber gerade die Selbstliebe ist es, die aus uns bessere (Mit-) menschen macht.
Im Prinzip beeinflussen wir Menschen unsere Gedankenwelt immer – es kommt nur darauf an, wie. Das menschliche Gehirn verändert sich bis ins hohe Alter. Mit jeder Erfahrung und jeder Lernsituation bilden sich neue Strukturen im Gehirn. In einigen Gehirnteilen werden sogar laufend neue Nervenzellen produziert und in die neuronalen Netzwerke eingebaut. Auch jetzt gerade, während du das liest.
Das Gehirn verhält sich dabei wie ein Muskel: Die Verbindungen, die wir häufig benutzen, werden stärker. Diejenigen, die wir nicht benutzen, verkümmern. Dieses Phänomen wird als Neuroplastizität (=Veränderbarkeit der Neuronen) beschrieben. Wir können uns unser Gehirn also als eine Art Straßennetz vorstellen, in dem es von Baustellen nur so wimmelt. Es befindet sich in einem lebenslangen Umbau-Prozess, der abhängig von den Erfahrungen ist, die meine Umwelt und ich ihm zukommen lassen. Das bedeutet auch, dass wir durch die Art der Erfahrungen, aber auch durch unsere Gedanken, Worte und Taten mitverantwortlich für die Bildungsprozesse in unserem Gehirn sind. Dazu eine kleine Geschichte:
„Ein alter Indianer erzählt seinem Enkel: In meinem Herzen leben zwei Wölfe. Der eine ist der Wolf der Dunkelheit, der Angst, des Misstrauens und des Neides. Der andere Wolf ist der Wolf Lichtes, der Liebe, des Vertrauens und der Lebensfreude. Beide Wölfe kämpfen oft miteinander.“ „Welcher Wolf gewinnt?“, fragt der Enkel. „Der, den ich füttere!“, sagt der Indianer.
Die Kraft positiver Gedanken
Diese Bildungsprozesse im Gehirn passieren fortlaufend – egal, ob positiv oder negativ. Ein Beispiel: Wenn ich denke, dass die Welt schlecht ist und niemand an echten Beziehungen (schon gar nicht mit mir) interessiert ist, werde ich immer nur das wahrnehmen, was meine Sicht bestätigt. Dieser Gehirnmuskel ist dann sehr ausgeprägt. Auch die entsprechenden Gefühlszustände werde ich dann hirnphysiologisch gleich mit trainieren. Je häufiger ich diese Gedanken denke und die entsprechenden Gefühle da sind (Trauer, Wut, Enttäuschung), desto mehr wird sich das in meinen neuronalen Karten einbrennen. Dadurch erhöht sich die Auftretenswahrscheinlichkeit solcher Gedanken und Gefühle, weil die dafür zuständigen Nervenverbindungen ausgebaut werden. Schon bei den geringsten Frustrationen wird das ganze Programm abgerufen.
Die Folge: Ich werde mich misstrauisch von anderen zurückziehen und Signale des Misstrauens und der Unsicherheit aussenden. Das verringert die Möglichkeit, korrigierende Erfahrungen zu machen. Meine Umwelt werde ich mit meinen negativen Gedanken und Weisheiten beglücken, vielleicht gehe ich sehr stark in die passive Rolle des Opfers. Die Folge: Sie werden mich als mürrischen und ambivalenten Menschen wahrnehmen und sich vielleicht von mir zurückziehen. Das wird wiederum mein Bild von der Welt bestätigen. Wenn diese Kreisläufe sich oft genug wiederholt haben, sind sie gut in den Gehirnbahnen und in den Organisationsbahnen meiner Umwelt eingebrannt. Was ich gedacht habe, ist mein Schicksal geworden.
Anders herum funktioniert das aber natürlich auch. Wenn ich in meinem Leben die positiven Seiten sehe und freundlich auf andere zugehe, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit freundlicher Reaktionen und schöner Erfahrungen. Eine optimistische Lebenseinstellung und Ausstrahlung verankert sich in den Hirnwindungen und wir werden resilienter.
Das Schöne ist: Wir können umlernen, jederzeit! Wichtig dabei ist nur, wann und wie wir am Besten lernen, um gute Ergebnisse zu erzielen:
1. Liebe
Wir alle lernen, wenn wir in guten Beziehungen gehalten sind. Harmonische Beziehungen, ein gutes Gespräch, Wohlwollen und Großzügigkeit. Unser Gehirn funktioniert besser, wenn wir uns wertgeschätzt und gehalten fühlen – auch von uns selbst. Die Liebe zu uns selbst ist ein wichtiger Eckpfeiler, den wir immer und zu jeder Zeit ausbauen sollten. Je großzügiger wir zu uns selbst sind, desto wahrscheinlicher, dass wir auch die Welt positiver sehen und Krisen besser meistern. Wenn wir uns als Freak beschimpfen, der es „immer noch nicht geschafft hat, mal positiv zu denken“, kommen wir nicht weit. Liebe, meine Freunde, echte Liebe zu uns selbst – das ist das Stichwort.
2. Neugier
Wir lernen, wenn wir uns wundern. Und zwar immer dann am Besten, wenn wir uns als kompetent erleben und neugierig auf unsere bisher noch nicht gesehenen Fähigkeiten werden. Sprich: Wir verändern uns am Besten, wenn wir uns neu und liebevoll kennenlernen. Streckt die Fühler aus und schaut mal wer ihr seid, was euch bewegt, interessiert und wundert.
3. Spiel
Wir lernen, wenn wir uns freuen. Die Fähigkeit, auch herausfordernden Situationen mit Humor zu begegnen, sollten wir immer mal wieder einsetzen. Wer häufiger über sich selbst lacht, gewinnt Leichtigkeit. Und ein positiveres Mindset.
4. Übung
Wir lernen, wenn wir üben – ich gebe zu, das ist nicht neu. Aber wir müssen uns mit Disziplinen an die neuen Gedanken heranwagen, sie immer und immer wiederholen, geduldig sein. Gras wächst ja auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Nichts motiviert mehr als der eigene Erfolg. Wenn wir uns mit dem eigenen Selbstwert auseinandersetzen, uns neu kennenlernen und merken, dass wir dabei Erfolge erzielen, dann müssen wir das Neue immer wieder üben. Neue Lösungen und Betrachtungsweisen entstehen also dann besonders gut, wenn Liebe, Neugier und Spiel dabei sind. Versuche Dir, diese Rahmenbedingungen nach und nach zu schaffen.
Leider gilt diese Logik auch andersherum. Wer sich besonders oft mit seinen Problemen und seinen Ängsten befasst, wird sie hirnphysiologisch festtreten. Wir trainieren also die Bereiche für traurige, ängstliche und frustrierende Gedanken, sprich: Wir schaffen den Nährboden dafür.
Erlaubt euch also – auch aus neurologischer Sicht – positiv zu denken. Vielleicht sogar positiver als jemals zuvor. Die Angst wirkt im Vergleich nur so glaubhaft und seriös, weil sie ein alter Begleiter ist. Das Leben passiert ohnehin – wir entscheiden einfach nur, wie wir uns dabei fühlen.
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