Obwohl Frauen in Deutschland heute in den Schulen und Universitäten oft die besseren Abschlüsse machen, spiegelt sich ihr Erfolg nicht in den oberen Etagen der Wissenschaft wider. Noch immer sind sie in Forschung und Entwicklung unterrepräsentiert. Das von der L’Oréal Stiftung und der UNESCO initiierte Programm „For Women in Science“ ehrt Wissenschaftlerinnen für ihre herausragende Arbeit – und schafft Vorbilder.
Denn es braucht weibliche Vorbilder in der Wissenschaft für eine gleichberechtigte Zukunft. Auf die Schwierigkeiten, mit denen Frauen in der Wissenschaft bis heute noch immer jeden Tag konfrontiert sind, macht das Programm „For Women in Science“ aufmerksam. Zugleich wird hier an konstruktiven Lösungen gearbeitet. Sie betreffen die Care-Arbeit zu Hause, aber auch die Verbesserung der Vereinbarkeit durch konkrete Maßnahmen am Arbeitsplatz. Weltweit sind bereits mehr als 4.400 Wissenschaftlerinnen mit dem Preis ausgezeichnet worden, unter ihnen auch sieben spätere Nobelpreisträgerinnen.
Die gläserne Decke in der Wissenschaft
Von der Schule bis zur Promotion sind Frauen gut vertreten, aber spätestens bei den Professuren zeigt sich die gläserne Decke: Nur 21 Prozent der Professuren in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern sind in Deutschland mit Frauen besetzt – damit ist Deutschland EU-weit eines der Schlusslichter. Und nur jede fünfte Universität wird von einer Frau geleitet. Das Potenzial von Frauen bleibt also nicht nur ungenutzt, sondern wird bewusst ausgebremst. Nationale und internationale Programme wie „For Women in Science“ setzen hier an, um den Gender-Gap zu verringern und Frauen in der Wissenschaft zu stärken.
Sarah Aghahassani verantwortet die DE & I Netzwerke (DE & I: Diversity, Equity & Inclusion) bei L’Oréal. Sie berichtete im Rahmen des Programms über ihre eigene berufliche Laufbahn: „Mentoring und Netzwerken waren für meinen Karriereweg entscheidend. Jungen Menschen rate ich: Glaubt an euch selbst, nutzt jede Chance zur Weiterbildung und sucht euch Vorbilder.“ Ein Rat, der für die diesjährigen Preisträgerinnen des Programms „For Women in Science“ besonders wertvoll ist.
„Die Welt braucht die Wissenschaft – und die Wissenschaft braucht die Frauen“
Das 1998 von der L’Oréal Stiftung und der UNESCO gestartete Programm ehrt Wissenschaftlerinnen für ihre herausragenden Beiträge in Naturwissenschaften, Medizin und Mathematik – sowohl für ihr Lebenswerk als auch für ihre Erfolge als Nachwuchswissenschaftlerinnen. Denn weiterhin machen Frauen weltweit nur 33 Prozent der Forschenden aus.
„For Women in Science“ erhöht die Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft, fördert vielversprechende Karrieren und macht systemische Barrieren sichtbar, um Chancengleichheit und Vielfalt in der Wissenschaft voranzutreiben. In über 50 Staaten weltweit gibt es mittlerweile eigenständige „For-Women-in-Science“-Programme, seit 2007 besteht das Programm in Deutschland.
Auch im Jahr 2024 zeichneten L’Oréal, die Deutsche UNESCO-Kommission und das Deutsche Humboldt-Netzwerk gemeinsam vier beeindruckende Nachwuchsforscherinnen aus, die wir euch heute vorstellen möchten mit der ganz klaren Botschaft, die zugleich die Kernaussage von „For Women in Science“ ist: „Die Welt braucht die Wissenschaft – und die Wissenschaft braucht die Frauen“:
Dr. Chiara Lindner (Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, Freiburg)
Die Quantentechnologie als Schlüssel zur innovativen Messtechnik: Dr. Chiara Lindner entwickelt Methoden zur Infrarotspektroskopie, die zerstörungsfreie Analysen von Materialien ermöglichen. Ihr Ansatz, verschränkte Lichtteilchen und Fourier-Transform-Spektroskopie zu kombinieren, könnte die chemische Materialanalyse revolutionieren – mit Anwendungen in Medizin, Umweltforschung und Materialwissenschaften.
Vorbilder sind für Chiara vor allem die Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld. „Es sind jene Menschen, die mich kontinuierlich in dem bestärken, was ich tue.“ Eine Auszeichnung wie ,For Women in Science‘ erhöhe die Sichtbarkeit von Frauen in der Naturwissenschaft, und das sei immens wichtig, sagt Chiara. „Aber es ist ebenso wichtig zu betonen, dass es nicht nur mit Preisen ausgezeichnete Frauen gibt. Viele befinden sich auf dem Weg in ihrer wissenschaftlichen Karriere. Und es gibt ganz viele tolle Frauen, die jeden Tag tolle Arbeit leisten.“
Das Preisgeld möchte Chiara nutzen, um neue Quanten-Lichtquellen zu erforschen, die ihre Methode weiter optimieren.
„Eine Auszeichnung wie ,For Women in Science‘ erhöht die Sichtbarkeit von Frauen in der Naturwissenschaft.“
Dr. Chiara Lindner
Dr. Markéta Kubánková (Max-Planck-Institut, Erlangen)
Dr. Markéta Kubánková vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts forscht in der Abteilung „Physik der Zelle“. Sie wird für ihre Erkenntnisse zu den mechanischen Zelleigenschaften geehrt und dafür, wie die Messung von ihren Veränderungen bei Krankheiten wie COVID-19 und Dickdarmkrebs künftig für neue und schnellere Diagnostikmethoden genutzt werden kann. Ihr Fokus liegt auf der Kindermedizin. Dr. Markéta Kubánková hofft, durch mechanische Zellanalysen Krankheiten schneller diagnostizieren zu können. „Was mich am meisten an meiner Arbeit reizt ist, dass ich mich an der Grenze des Wissens in meinem Fachgebiet bewege und die Erste bin, die dieses erkundet.“
Markéta ist Wissenschaftlerin und Mutter zweier noch sehr kleiner Kinder. Sie beschreibt die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie als sehr herausfordernd. Und wenn es etwas gibt, was sie sich an dieser Stelle dringend wünscht, dann sind das weibliche Vorbilder, insbesondere in den Führungspositionen. „Den Preis zu erhalten, war für mich eine große Ermutigung, weil ich erst kürzlich aus meiner zweiten Elternzeit zurückgekehrt bin und stark mit dem Impostor-Syndrom zu kämpfen hatte. Ich hatte das Gefühl, an Selbstvertrauen verloren zu haben, und diese Anerkennung hat mir wirklich geholfen zu sehen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“
Das Preisgeld fließt in den Aufbau einer Datenbank für KI-gestützte Diagnostik.
„Diese Auszeichnung hat mir geholfen zu sehen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.“
Dr. Markéta Kubánková
Dr. Irene Vercellino (Forschungszentrum Jülich)
Die „Kraftwerke der Zelle“ im Fokus: Dr. Irene Vercellino untersucht mithilfe kryogener Elektronenmikroskopie den Membran-Protein-Komplex, der für die Energieproduktion in Mitochondrien essenziell ist (Mitochondrien sind kleine, bohnenförmige Organellen in den Zellen von Pflanzen, Tieren und Pilzen. Sie werden oft als die „Kraftwerke der Zelle“ bezeichnet, da sie für die Energieproduktion verantwortlich sind). Ihre Arbeit könnte helfen, neue Diagnostik- und Therapieverfahren für Krankheiten wie Diabetes oder Muskelerkrankungen zu entwickeln.
„Für Frauen in der Wissenschaft sichtbar zu sein, ist von entscheidender Bedeutung. Und wenn es noch kein Vorbild gibt, denk daran: Du kannst diejenige sein, die den Weg ebnet und das erste Vorbild für andere wird“, sagt Irene, die sich bereits als Kind für die Wissenschaft interessiert hat.
Mit dem Preisgeld plant Irene, ihre Forschung um weitere Proteinstrukturen zu erweitern und deren klinische Relevanz zu testen.
„Wenn es noch kein Vorbild gibt, denke daran: Du kannst diejenige sein, die den Weg ebnet und das erste Vorbild für andere wird.“
Dr. Irene Vercellino
Dr. Nora Schmidt (Medizinische Hochschule Hannover)
Wie beeinflusst RNA die Immunantwort? Dr. Nora Schmidt erforscht, wie RNA-bindende Proteine Immunreaktionen gegen Viren steuern und welche Rolle sie bei Autoimmunkrankheiten spielen. Ihr Atlas zur SARS-CoV-2-RNA war weltweit der erste seiner Art. Ihr Ziel ist es, Mechanismen zu entschlüsseln, wie Zellen sich gegen Viren verteidigen.“
„Junge Frauen, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft interessieren, würde ich raten, sich nicht abschrecken zu lassen. Wenn man Spaß daran hat und man das möchte: Einfach machen und schauen, was daraus wird.“ Nora glaubt, dass der Preis eine wichtige Möglichkeit darstellt, die Forschung nach außen zu präsentieren und Einblicke in ihre tägliche Arbeit zu schaffen.
Das Preisgeld möchte Nora für die Weiterentwicklung ihrer RNA-Analyse-Methoden einsetzen.
„Junge Frauen, die sich für eine Karriere in der Wissenschaft interessieren, würde ich raten, sich nicht abschrecken zu lassen.“
Dr. Nora Schmidt
Eine Plattform für Vielfalt und Gleichberechtigung
Die Erfolgsgeschichten dieser vier Preisträgerinnen zeigen, wie essenziell Programme wie „For Women in Science“ sind, um Frauen in der Wissenschaft zu fördern.
Jean-Christophe Letellier, CEO L’Oréal DACH, erinnerte im Rahmen der Preisverleihung daran, dass auch L’Oréal aus der Wissenschaft geboren sei, aus einer Vision, die aus der Idee eines Chemikers entstand. Seitdem sei die Wissenschaft das Herzstück des Unternehmens. „Wir sind fest davon überzeugt: Es braucht inspirierende weibliche Vorbilder für einen nachhaltigen Wandel. Auch unsere diesjährigen Preisträgerinnen tragen auf beeindruckende Weise zur naturwissenschaftlichen Forschung bei – und inspirieren dabei gleichzeitig nachfolgende Generationen.”
L’Oréal investiert als weltweit führendes Kosmetikunternehmen jährlich rund eine Milliarde Euro in die Forschung und beschäftigt in seinen Laboren weltweit rund 4.000 Mitarbeiter*innen, davon 64 Prozent Frauen. Mit Blick auf die Zukunft fordert Stefan Geister, General Manager Communications & Engagement bei L’Oréal: „Die Welt braucht Wissenschaft, und Wissenschaft braucht Frauen.“
Wir alle tragen die Verantwortung, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Warum Vielfalt entscheidend ist
Studien zeigen: Vielfalt fördert Innovation. Unternehmen und Institutionen, die verschiedene Perspektiven integrieren, entwickeln kreativer und nachhaltiger Lösungen. In der Wissenschaft bedeutet das, dass Frauen mit ihren Ideen und ihrem Fachwissen die Forschung enorm bereichern könnten – wenn sie die gleichen Chancen hätten wie ihre männlichen Kollegen. Doch der Weg dorthin ist noch lang.
Auch Stefan Geister ist davon überzeugt: „Vielfalt und Inklusion sind entscheidend für den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Der Schlüssel liegt darin, Vielfalt nicht nur abzubilden, sondern aktiv zu leben und uneingeschränkte Teilhabe sicherzustellen.”
„Diversität ist ein Muss!“
Aisha Washington, Brand Director für Prada Beauty DACH
Dass im Bereich der Wissenschaft noch ordentlich Luft nach oben ist, zeigen auch die Zahlen auf internationaler Ebene. Seit 1901 haben nur 25 Frauen einen Nobelpreis in den Naturwissenschaften erhalten – das sind weniger als vier Prozent aller Preisträger*innen. Europaweit sind Frauen in nur 18 Prozent der Führungspositionen der Wissenschaft vertreten. In anderen Bereichen, wie der Forschung über Klimawandel oder Gesundheitskrisen, könnte ihr Einfluss entscheidend sein. Aisha Washington, Brand Director für Prada Beauty DACH, ergänzt: „Soft Skills wie Kommunikation, Empathie und Resilienz gewinnen an Bedeutung. Diversität ist kein Nice-to-have mehr, Diversität ist ein Muss.”
Programme wie „For Women in Science“: Hoffnung und Unterstützung
Mit dem Programm „For Women in Science“ von L’Oréal und der UNESCO wird gezielt daran gearbeitet, Frauen in der Wissenschaft zu fördern. Seit 1998 wurden weltweit mehr als 4.400 Wissenschaftlerinnen unterstützt. Dabei erhielten 132 herausragende Forscherinnen Stipendien in Höhe von jeweils 100.000 Euro. Die Initiative schafft Sichtbarkeit, Selbstbewusstsein und ermöglicht Karrierewege, die sonst oft verschlossen blieben. Ein prominentes Beispiel ist Emmanuelle Charpentier, die 2020 den Nobelpreis für Chemie erhielt – im Anschluss an ihre Auszeichnung mit dem „For Women in Science“-Preis.
Was muss sich ändern?
Die Förderung von Frauen in der Wissenschaft erfordert mehr als finanzielle Unterstützung. Es braucht einen kulturellen Wandel:
- Frühzeitige Ermutigung: Bereits in der Schule sollten Mädchen gezielt für MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)-Fächer begeistert werden.
- Programme wie „For Girls in Science“ setzen genau hier an und haben bereits mehr als 54.000 Schülerinnen erreicht.
- Mentoring und Netzwerke: Frauen brauchen Zugang zu Vorbildern und Netzwerken, die sie in ihrer Karriere unterstützen. Sarah Aghahassani, Head of DE&I Networks bei L’Oréal, sasgt dazu: „Offenheit, Empathie und der Wille, voneinander zu lernen, sind grundlegend. Aktives Zuhören schafft eine inklusive Gesellschaft.”
- Flexiblere Arbeitsmodelle: Familie und Karriere müssen vereinbar sein. Flexible Arbeitszeiten und bessere Betreuungsangebote sind Schlüssel dazu. Aisha Washington erklärt: *”Flexible Arbeitsmodelle wie Jobsharing und Homeoffice sind essenziell. Auch Väter sollten ermutigt werden, Elternzeit zu nehmen.”
„Offenheit, Empathie und der Wille, voneinander zu lernen, sind grundlegend. Aktives Zuhören schafft eine inklusive Gesellschaft.”
Sarah Aghahassani, Head of DE&I Networks bei L’Oréal
Eine Arbeitswelt, die für alle funktioniert
Die Zukunft der Wissenschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie inklusiv ist. Vielfalt ist dringend notwendig, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen. Menschen wie Sarah Aghahassani, Stefan Geister und Aisha Washington von L’Oréal setzen sich bereits heute aktiv dafür ein, eine gerechtere und inklusivere Arbeitswelt zu schaffen. Doch es braucht ein gesamtgesellschaftliches Engagement, um den Wandel voranzutreiben.
Stefan Geister fasst zusammen: „Engagiert euch und erhebt eure Stimme, wenn Menschen ausgeschlossen oder unsichtbar gemacht werden. Hört zu, lernt von anderen Perspektiven und setzt euch für eine Gesellschaft ein, in der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können.”
Mehr über „For Women in Science“
Wenn ihr mehr über „For Women in Science“ erfahren möchtet, besucht die Website des Programms und informiert euch. Die Welt braucht Wissenschaft, und Wissenschaft braucht Frauen. Es liegt an uns allen, die Weichen für eine gleichberechtigte Zukunft zu stellen.