Foto: Andrew Phillips

Das Ende einer Liebe: Wenn die Welt auseinanderbricht

In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche: Über Liebeskummer in den Endzwanzigern.

Was passiert, wenn alles in Frage gestellt wird, was man vorher als sicher sah

Ab Ende 20, Anfang 30 beginnt, dass wer verlassen wird – oder verlässt, für den dreht sich meist nicht nur der Magen um, sondern auch alle privaten Zukunftspläne auf links. Und das kann sich manchmal so anfühlen, ach was, fühlt sich immer so an, als würde die Welt auseinanderbrechen. Also würde nichts mehr Sinn machen, als wäre alles, was man sonst in seinem Leben gehegt und gepflegt hat nichtig, man selbst sowieso kaum mehr was wert – und überhaupt, wo war noch mal der rote Knopf? Haltet die Welt an, ich will nicht mehr mitspielen.

Warum ist das so? Gerne sagt man ja, der erste Liebeskummer, das sei der allerschlimmste. Weil man gar nichts einordnen kann. Weil das, was man zuvor am meisten liebte, die Familie ist, und die bleibt, wenn man nur ein wenig Glück hat, ein ganzes Leben an einem kleben – auch wenn das manchmal ganz schön eng werden kann. Sie bleibt. Doch wenn man etwas älter wird und Beziehungen auseinanderbrechen, dann bricht da ein wenig mehr als die Bindung zwischen zwei Menschen, die aufzugeben meist schon weh genug tut.

Wenn der (Beziehungs-)Plan nicht aufgeht

Schließlich war man doch mal die kleinste Gang der Welt. Hat beschlossen, dass es zu zweit am schönsten ist, wollte meist nicht mehr viel zwischen sich haben als ein paar schöne Träume und diese Blicke, die sagen: Du bist es. Und dann sagt es der Mund auch noch laut hinterher. Ja, das alleine herzugeben ist doch schon wahnsinnig zerstörend und furchtbar und furchteinflößend. Aber wenn man eine Liebe mit Ende 20 aufgeben muss, dann zerbricht da eben auch ein Plan. Ach, warscheinlich zerbricht immer ein Plan – aber in diesem Alter, geht es häufig um eine gemeinsame Zukunft mit dem Versprechen, den nächsten Schritt miteinander zu gehen – zusammenziehen, Familie gründen.

Ein Plan, der geschmiedet wurde, das erste Mal vielleicht, zumindest das erste Mal so wirklich. Manchmal hat man sich das auch schon gegenseitig gesagt und manchmal hat man es nur im Stillen gedacht. Aber in beiden Fällen reifte da etwas in einem. Nämlich die Idee von einer gemeinsamen Zukunft. Und vor allem das Bild von sich selbst in dieser gemeinsamen Zukunft. Dieses: der Herzensmensch und ich, und ich mit dem Herzensmenschen und dann vielleicht noch kleine andere Herzensmenschen, und das Haus und der Baum und der Garten mit den Gemüsegurken – oder auch das Loft hinter der Werkstadt in Berlin-Wedding.

Wer ist man ohne den anderen?

Ihr wisst schon. Man malte sich also ein Zukunftsbild von sich und da spielte auf einmal jemand neben einem die Hauptrolle. Und diese Hauptrolle sagt kurz vor dem Dreh einfach ab. Weil das Drehbuch eben doch nicht so gut ist. Oder weil man selber merkt, dass hier dringend jemand anderes den Part spielen sollte. Das macht Angst. Schließlich war man eine ganze Weile so damit beschäftigt, die Zukunft mit und um jemanden herumzustricken, dass man dann nicht mehr weiß, wie das ohne ihn funktionieren soll. Und es funktioniert auch nicht. Alles was bleibt ist, auf den kläglichen Rest zu schauen und von vorne beginnen.

Dabei weiß man noch gar nicht so recht, wie und mit welcher Kraft. Denn da waren doch vorher immer zwei stark. Auch die eigenen Arme fühlen sich plötzlich gar nicht mehr so an, als könnten sie irgendwas bewegen, sondern hängen nur wie zwei dicke Nudeln am Rumpf runter. Können nicht einmal das Kinn hochschieben, das nun ganz gefährlich tief nach unten hängt.

Was kann jetzt helfen?

Und während man das selbst schon durchgemacht hat und irgendwann aus den Scherben wieder etwas gebaut hat, was ganz anders aussieht und sich ganz toll anfühlt und das ganz fest steht, auch wenn Winde darum pfeifen, dann passiert das Gleiche schon dem nächsten. Und dann versucht man mitzufühlen und etwas zu sagen, das hilft. Aber nie, nie kommen die Worte wirklich an. Weil man selbst an den Punkt kommen muss, dass aus so einem Verlust von einem Zukunftsplan, den man um jemanden gestrickt hat, etwas wirklich Großartiges werden kann.

Nämlich dann, wenn man wieder Lust bekommen hat, das Kinn zu heben und die Nudelarme wieder ganz langsam stark werden und anfangen, sich zu bewegen. Auf einmal entsteht dann eine Idee von der Zukunft, die man nun ganz für sich selbst gebaut hat. Und die standfester ist als alles, was davor war. Eine, die meist mit viel bunteren Farben gemalt werden kann, weil da niemand sagt: Rot mag ich nicht. Oder: Hinter dem Horizont, da soll es so und so aussehen. Weil man jemandem, der noch auf die Scherben schaut, nicht sagen kann: Jetzt geht’s richtig los. Jetzt geht es nämlich um dich! Und nur um dich, ganz einfach, weil du keine andere Wahl hast, als dir einfach mal ganz genau zu überlegen, wie denn für dich das Leben wieder schön sein kann – und was es langfristig schön macht. So, dass du dich gut fühlst, auch wenn mal jemand kommt und wenn mal einer geht.

Denn dann, dann kann es so richtig schön sein, wieder gemeinsam mit jemandem Pläne zu schmieden. Ganz ohne die Angst im Nacken, dass nichts mehr übrig bleibt, wenn das jetzt vorbei ist. Weil man sich einmal mit den Fersen tief in die Welt gehauen hat und nun ganz genau weiß, auf welchem Boden man steht.

Das alles, das weiß man noch nicht, wenn das Herz das erste Mal zerbricht.

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